Bild: Keenan Constance/Unsplash

26.11.2024 | Meena Stavesand

"Eine Depression ist behandelbar – umso dramatischer ist es, wenn ein Mensch daran stirbt"

Eine depressive Phase kann jeden treffen – und sie ist mehr als nur eine schlechte Stimmung. Gerade in der dunklen Jahreszeit kämpfen einige Menschen mit depressiven Phasen. Und: Depression ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen, die unbehandelt lebensbedrohlich werden kann. Viele Betroffene und Angehörige erkennen die Anzeichen zu spät oder scheuen sich teilweise auch, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Noch immer ist die Krankheit mit Scham behaftet, obwohl sie medizinisch gut behandelbar ist. Mit Dr. Gregor Leicht vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) haben wir über Depressionen gesprochen.

Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie erklärt, wie erkennt man eine Depression erkennt, welche Rolle Gene und Lebensereignisse bei der Entstehung spielen und was Angehörige tun können, wenn sie Warnsignale bemerken. Dr. Gregor Leicht macht Betroffenen Mut: „Depression ist behandelbar.“ Weitere Informationen gibt es auch in dem Angebot „Medizin. Online. Verstehen“ des UKE.

Was ist eine Depression?

Dr. Gregor Leicht: Depressionen äußern sich über drei Kernsymptome. Das erste ist eine über mindestens zwei Wochen anhaltende depressive Niedergestimmtheit, die nicht mehr auf äußere Faktoren reagiert. Die Stimmung bleibt in diesem depressiven Zustand stecken. Das zweite Kernsymptom ist, dass Menschen die Freude an Dingen verlieren, die bisher Freude gemacht haben – sie können dieses Gefühl nicht mehr spüren und verlieren dadurch auch das Interesse an Aktivitäten, die üblicherweise Freude bereiten. Das dritte Kernsymptom ist ein Antriebsverlust, eine ausgedehnte Energielosigkeit und erhöhte Ermüdbarkeit, sodass selbst kleinere Alltagsdinge zu einer großen Herausforderung werden. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist, dass der Blick in die Zukunft stark verdunkelt ist und oft eine ausgeprägte Hoffnungslosigkeit besteht.

Sind diese Kernsymptome alle immer vorhanden oder kann es auch nur eins sein?

Dr. Gregor Leicht: Man unterscheidet verschiedene Schweregrade. Bei einer schweren Depression sind alle diese Symptome vorhanden. Bei einer mittelgradigen Depression müssen zwei dieser Symptome in einem deutlichen Schweregrad vorhanden sein, bei der leichten Depression ebenfalls zwei dieser Symptomkomplexe, allerdings in einer milderen Ausprägung.

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Eine Depression kann jeden treffen: etwa 16-20 von 100 Menschen leiden im Laufe ihres Lebens an dieser psychischen Erkrankung. Sie kann in jedem Lebens­alter auf­treten. Frauen sind etwa dop­pelt so häufig betroffen wie Män­ner. Auch Menschen mit einer körperlichen Er­krankung haben ein höheres Risiko an einer Depres­sion zu er­kranken. In vielen Fällen tritt die Er­krankung nicht nur einmalig, son­dern wieder­kehrend auf. Man spricht dann von einer so­ge­nann­ten rezi­divierenden Depression.

Was sind die Ursachen einer Depression?

Dr. Gregor Leicht: Die Entstehung einer Depression lässt sich durch das sogenannte Stress-Vulnerabilitäts-Modell erklären. Dieses Modell geht von zwei Hauptfaktoren aus: Zum einen spielt die genetische Veranlagung (Vulnerabilität) eine wichtige Rolle, zum anderen können bestimmte Stressfaktoren im Leben als Auslöser wirken.

Bei Menschen mit entsprechender genetischer Veranlagung können biologische Prozesse im Gehirn die Balance der Neurotransmitter stören. Man nimmt an, dass dabei der Botenstoff Serotonin, auch als „Glücksbotenstoff“ bekannt, eine entscheidende Rolle spielt.

Die eigentliche Erkrankung bricht häufig erst durch zusätzliche belastende Lebensereignisse aus. Solche Auslöser können beispielsweise sein:

  • Tod von nahen Angehörigen
  • Trennungen
  • Verlust des Arbeitsplatzes
  • Eintritt ins Rentenalter
  • Körperliche Erkrankungen

Die genauen Zusammenhänge werden noch erforscht, aber das Zusammenspiel von genetischer Veranlagung und Stressfaktoren gilt als wesentlicher Mechanismus bei der Entstehung von Depressionen.

Gibt es weitere Ursachen?

Dr. Gregor Leicht: Depressionen können als Nebenwirkung beispielsweise bei der Einnahme bestimmter Medikamente wie Blutdruckpräparaten oder Cortison auftreten. Bei der Diagnose müssen wir außerdem ausschließen, dass Infektionen oder Tumore im Gehirn die Depression auslösen. Auch hormonelle Störungen können eine wichtige Rolle spielen – dazu gehören etwa eine Schilddrüsenunterfunktion oder die hormonellen Veränderungen während der Wechseljahre bei Frauen.

Neben diesen medizinischen Ursachen gibt es besondere Erscheinungsformen der Depression mit charakteristischen Symptommustern. Ein Beispiel ist die saisonale Depression, auch „Winterdepression“ genannt. Menschen mit dieser Form leiden unter dem Lichtmangel in der dunklen Jahreszeit und entwickeln sehr regelmäßig über den Winter depressive Phasen.

Gibt es Menschen, die nicht an einer Depression erkranken können, weil sie die biologische Veranlagung nicht haben?

Dr. Gregor Leicht: Man nimmt zwei wesentliche Gründe an, warum manche Menschen keine Depression entwickeln, obwohl sie Belastungsfaktoren ausgesetzt sind. Der erste Grund ist, dass sie die biologische Veranlagung dafür nicht in sich tragen. Der zweite Grund liegt in den sogenannten Resilienzfaktoren, die zunehmend erforscht werden. Diese Faktoren sind eng damit verbunden, wie ein Mensch in der Entwicklung seiner Persönlichkeit gelernt hat, mit Stressphasen umzugehen und wie er diese ausgleichen kann. Diese können das Ausbrechen von depressiven Erkrankungen verhindern – auch dann, wenn eine genetische Belastung vorliegt.

Wie stellen Sie eine Diagnose?

Dr. Gregor Leicht: Die Diagnose stellen wir im Gespräch mit den Patientinnen und Patienten. Wir gehen standardisiert nach dem sogenannten psychopathologischen Befund mögliche Symptome durch. Das sind die drei Kernsymptome, die ich genannt habe, und weitere typische Symptome, die man erfragen muss.

Typisch für Depressionen sind zum Beispiel kognitive Störungen – also Störungen der Aufmerksamkeit oder der Konzentration. Das kann in der schweren Ausprägung fast wie eine beginnende Demenz aussehen. Der Unterschied ist, dass man es behandeln kann und die Symptome wieder verschwinden.

Das Kursbild zum Lernangebot: Unipolare Depression.Online.Verstehen.

Unipolare Depression.Online.Verstehen.

Die Depression ist eine häufige psychische Erkrankung, geprägt von niedergeschlagener Stimmung, Antriebslosigkeit und dem Verlust von Freude. Oft fehlt jedoch der Zugang zu verlässlichen Informationen bezüglich Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten.

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Außerdem fragen wir immer nach dem Selbstvertrauen, weil häufig das Selbstwertgefühl stark vermindert ist. Viele haben Schuldgefühle, das Gefühl, eine Last zu sein oder wertlos zu sein. Wir prüfen auch immer den Blick in die Zukunft: Gibt es eine ausgeprägte negative Zukunftsperspektive bis hin zu einer schweren Hoffnungslosigkeit?

Dann gibt es somatische Symptome wie verminderten Appetit, der bei schwerer Ausprägung oft mit deutlichem Gewichtsverlust einhergeht. Fast immer treten ausgeprägte Schlafstörungen auf – eine deutlich verringerte Schlafzeit, Einschlaf- und Durchschlafstörungen – und ein vermindertes Interesse an Sexualität. Bei der atypischen Depression sind diese Symptome umgekehrt.

Wie prüfen Sie die biologische Veranlagung?

Dr. Gregor Leicht: Es gibt leider noch keine Methode, bei der man Blut abnehmen oder ein Bild vom Gehirn machen kann und dadurch eine Depression erkennt. Wir schließen aus, dass es einen körperlichen Grund gibt. Die Diagnose einer Depression erfolgt immer erst, nachdem wir organische Ursachen ausgeschlossen haben.

Wie gefährlich kann eine Depression sein?

Dr. Gregor Leicht: Eine Depression kann lebensgefährlich sein. Es können Suizidgedanken auftreten. Diese beginnen oft mit dem Gefühl, es wäre besser, nicht mehr da zu sein – ein Lebensüberdruss. Das kann sich in gefährliche Bereiche entwickeln, wie die Idee, dem Leben ein Ende zu setzen, bis hin zur konkreten Planung einer Methode oder einem Versuch. In der Diagnostik müssen wir sehr genau nachfragen, um die Gefährlichkeit einzuschätzen und schwere Komplikationen zu verhindern.

Wie sieht eine Therapie aus?

Dr. Gregor Leicht: Depressionen sind im Vergleich zu vielen körperlichen Erkrankungen gut behandelbar. Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad: Bei leichten und mittelschweren Depressionen wird vor allem Psychotherapie eingesetzt, die ähnlich wirksam ist wie Medikamente. Bei schweren Depressionen verbessern zusätzliche Antidepressiva die Heilungschancen und beugen Rückfällen vor.

Neben diesen Hauptbehandlungen gibt es weitere wirksame Maßnahmen: Bei saisonalen Depressionen helfen Tageslichtlampen. Regelmäßige sportliche Betätigung und Bewegung an der frischen Luft sind generell sehr förderlich. Menschen mit Anfälligkeit für Depressionen wird empfohlen, zwei- bis dreimal wöchentlich draußen spazieren zu gehen. Wichtig ist auch, Aktivitäten beizubehalten, die Freude bereiten, und soziale Kontakte zu pflegen. Auch die Selbstfürsorge spielt eine wichtige Rolle, besonders was Arbeitspausen und Entspannungsphasen betrifft.

Anführungszeichen in den Farben des HOOU-Themes
Eine Depression ist wie eine depressive Niedergestimmtheit, die auch nicht mehr auf äußere Faktoren reagiert. Die Stimmung kann sich nicht mehr ändern, sondern bleibt in diesem depressiven Zustand stecken.
Dr. Gregor Leicht, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Damit Betroffene die Scheu davor verlieren: Wie läuft eine Therapie ab?

Dr. Gregor Leicht: In einer stationären Behandlung hat man ein bis zwei therapeutische Termine pro Woche. Zunächst wird viel daran gearbeitet, dass Menschen mit dieser Erkrankung zu Experten für ihre Erkrankung werden. Das nennt man Psychoedukation und ist ein wichtiger Teil der Psychotherapie.

Dann geht es darum, sogenannte Störungsmodelle zu entwickeln. Dabei identifizieren wir Stressfaktoren, die im Leben vorkommen und die Depression auslösen können. Das können äußerliche Dinge sein wie Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, finanzielle Probleme oder Einsamkeit. Hier arbeiten wir auch viel sozialtherapeutisch, um solche Dinge anzugehen – wir helfen bei der Herstellung von Kontaktmöglichkeiten, vermitteln Schuldnerberatung oder Gespräche mit Vorgesetzten.

Es gibt aber auch psychologische Stressfaktoren, die in Menschen selbst stattfinden. Das sind dann Dinge wie Glaubenssätze, die Menschen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit entwickelt haben: „Ich bin nichts wert“, „Ich mache immer alles falsch“, „Ich bin nur etwas wert, wenn ich Leistungen erbringe“. Das sind Glaubenssätze, die man psychotherapeutisch angehen kann, indem man neue Sicht- und Denkweisen entwickelt.

Wie können sich Betroffene Hilfe holen?

Dr. Gregor Leicht: Die niedrigste Schwelle sind die Hausärztinnen und Hausärzte. Der nächste Schritt wären ambulante Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie. Dann gibt es ambulante Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die Notfallsprechstunden anbieten. Über die Krankenkasse kann man häufig herausfinden, wo man sich da vorstellen kann.

Wo gibt es Anlaufstellen in Hamburg?

Dr. Gregor Leicht: In Hamburg gibt es zum Beispiel im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die Polikliniken, also Ambulanzen, zu denen man auch ohne Termin kommen kann. Von dort wird man auch in Spezialambulanzen überwiesen, wenn man auf dem ambulanten Weg nicht weiterkommt.

Man kann sich inzwischen auch gut im Internet informieren, zum Beispiel auf der Seite der Deutschen Depressionshilfe. Dort finden sowohl Angehörige als auch Patienten viele Hilfsangebote und Kontaktmöglichkeiten. Es gibt auch – das ist eine neue Entwicklung aus den letzten Jahren – digitale Gesundheitsanwendungen, die der Hausarzt oder Facharzt verschreiben kann. Das kann hilfreich sein, wenn man sehr lange auf einen Psychotherapieplatz warten muss, was leider oft der Fall ist.

Besonders wichtig: Sobald Angehörige bemerken, dass jemand den Lebensmut verliert, muss es sehr schnell gehen. Dann sollte man zum Beispiel zum Hausarzt gehen und die Betroffenen zu einer Vorstellung im professionellen Setting bewegen.

Warum ist schnelles Handeln so wichtig?

Dr. Gregor Leicht: Weil es sich um vorübergehende Zustände handelt, die man behandeln kann. Deswegen ist es auch so dramatisch, wenn Menschen an dieser Erkrankung ihr Leben verlieren. Eine Depression ist behandelbar – umso dramatischer ist es, wenn ein Mensch daran stirbt.

Über Dr. Gregor Leicht

Priv.-Doz. Dr. med. Gregor Leicht ist der Oberarzt auf der Station für Depressionen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Zudem ist er Leiter des Forschungsbereichs Bildgebung.

Leidest du unter Suizidgedanken?

Hier findest du Hilfe: Telefonnummer 116 117

Das Bild zeigt eine hochschwangere Frau, die sich auf ein Krankenhausbett lehnt.

Bild: Jimmy Conover/Unsplash

05.11.2024 | Meena Stavesand

Beruhigende Klänge statt Krankenhauslärm: Wie Klangkunst und Sounddesign die Atmosphäre verbessern

Wie können beruhigende Klänge das Heilungserlebnis im Krankenhaus verbessern? Marie Koldkjær Højlund von der Universität Aarhus zeigt in ihrem Vortrag bei den Open Lectures zu Healing Soundscapes, wie gezielter Einsatz von Klangkunst in Krankenhäusern eine unterstützende Atmosphäre schafft – gerade auch in Kreißsälen. Sie erklärt, warum sanfte Klänge in Krankenhäusern das Gefühl von Sicherheit und Wohlbefinden stärken können.

Die dänische Klangforscherin Marie Koldkjær Højlund setzt sich dafür ein, die laute und oft beängstigende Geräuschkulisse in Krankenhäusern zu verändern und durch beruhigende Klänge zu ergänzen. Dabei geht es darum, den Patientinnen und Patienten eine Umgebung zu bieten, in der sie sich sicherer und wohler fühlen – und sogar Klänge auswählen können, die ihnen guttun.

Die Motivation für ihre Forschung stammt aus einer persönlichen Erfahrung: Nach einem Krankenhausaufenthalt erkannte sie, wie sehr die oft hektischen und lauten Geräusche ihren eigenen Stress verstärkten. „Lärm ist einer der größten Stressfaktoren in Krankenhäusern, und ich weiß, dass ich mit diesem Gefühl nicht allein bin,“ erzählt die Expertin. Daher ist es ihr ein großes Anliegen, eine Umgebung zu schaffen, die den Heilungsprozess unterstützt, indem sie auf sanfte und wohltuende Klänge setzt.

Kreißsäle mit Klangkunst und Lichteffekten für mehr Ruhe

Im Rahmen ihrer Forschung arbeitet sie mit multisensorischen Ansätzen, die den gesamten Raum beeinflussen. So wurden in dänischen Krankenhäusern spezielle Kreißsäle gestaltet, die durch Klangkunst und gezielte Lichteffekte eine beruhigende Atmosphäre schaffen. Dies hilft nicht nur den Patienten, sondern auch dem Pflegepersonal und den Angehörigen, eine stressige Situation als weniger belastend zu erleben.

Darüber spricht sie am 18. November unter dem Titel „Multisensory artwork and soundscapes in the hospital – an attuning approach in healthcare design“ im ligeti zentrum in Hamburg-Harburg. Der Vortrag gehört zu der Reihe Open Lectures zu Healing Soundscapes. Eine Anmeldung für die Veranstaltung ist erforderlich.

Mit den Open Lecture Series öffnet das ligeti zentrum ein Forum, um mit internationalen Fachkolleg:innen in spannenden Vorträgen die Themen der verschiedenen Laboratorien aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und mit dem Publikum zu diskutieren. Am 12. November kommt die Klangforscherin Marie Koldkjær Højlund. Sie hat uns vorab ein Interview gegeben – deutsche Übersetzung unten:

Marie, explain the topic of your presentation to a ten-year-old child in a few words. 

Marie Koldkjær Højlund: In hospitals, we work hard to help sick people feel better quickly. While we usually focus on using medicine to treat their bodies, we often forget that the sounds around us can also affect how they feel and heal. My research looks at how the loud and scary sounds in hospitals can be mixed with softer, calming sounds. This helps create a more pleasant environment and gives patients a chance to choose the sounds they like, making them feel safer and more comfortable.

Why is this topic important to you and what value does it have for people?

Marie Koldkjær Højlund: My research interest began with a personal experience of being in the hospital, where I felt firsthand how the alarming sounds affected my sense of safety. Since we know that noise is one of the biggest stressors in hospitals, I realize I am not alone in this feeling. This is why I believe this area of research is incredibly important.

What is your motivation for taking part in the Open Lectures Healing Soundscapes as a speaker?

Marie Koldkjær Højlund: The field of healing soundscape design is expanding, but I believe we are still a relatively small group working in this area. I am excited to see that you have initiated an open lecture series, and I hope we can come together to share our knowledge and experiences to help grow and enhance this field in the future!

Anführungszeichen in den Farben des HOOU-Themes
Da wir wissen, dass Lärm einer der größten Stressfaktoren in Krankenhäusern ist, weiß ich, dass ich mit diesem Gefühl nicht allein bin. Deshalb halte ich dieses Forschungsgebiet für unglaublich wichtig.
Marie Koldkjær Højlund

Deutsche Übersetzung des Interviews

Erkläre einem zehnjährigen Kind in wenigen Worten das Thema deines Vortrags.

Marie Koldkjær Højlund: In Krankenhäusern arbeiten wir hart daran, dass es kranken Menschen schnell besser geht. Während wir uns in der Regel darauf konzentrieren, ihren Körper mit Medikamenten zu behandeln, vergessen wir oft, dass auch die Geräusche um uns herum einen Einfluss darauf haben können, wie sie sich fühlen und wie sie heilen. In meiner Forschung geht es darum, wie die lauten und beängstigenden Geräusche in Krankenhäusern mit leiseren, beruhigenden Klängen gemischt werden können. Das trägt zu einer angenehmeren Umgebung bei und gibt den Patienten die Möglichkeit, die Klänge auszuwählen, die sie mögen, so dass sie sich sicherer und wohler fühlen.

Warum ist dieses Thema für dich so wichtig und welchen Wert hat es für die Menschen?

Marie Koldkjær Højlund: Mein Forschungsinteresse begann mit einer persönlichen Erfahrung in einem Krankenhaus, wo ich am eigenen Leib spürte, wie alarmierende Geräusche mein Sicherheitsgefühl beeinträchtigten. Da wir wissen, dass Lärm einer der größten Stressfaktoren in Krankenhäusern ist, weiß ich, dass ich mit diesem Gefühl nicht allein bin. Deshalb halte ich dieses Forschungsgebiet für unglaublich wichtig.

Was ist deine Motivation, als Referentin an den Open Lectures Healing Soundscapes teilzunehmen?

Marie Koldkjær Højlund: Das Feld des Healing Soundscapes Design wird immer größer, aber ich glaube, wir sind immer noch eine relativ kleine Gruppe, die in diesem Bereich arbeitet. Ich freue mich, dass Sie eine offene Vortragsreihe ins Leben gerufen haben und hoffe, dass wir zusammenkommen können, um unser Wissen und unsere Erfahrungen auszutauschen, damit dieser Bereich in Zukunft weiter wachsen und sich verbessern kann!

Über Marie Koldkjær Højlund

Marie Koldkjær Højlund is an associate professor of sounds studies, audio design and musicology at Aarhus University as well as a composer, musician and preforming sound artist. For years she has been researching what everyday sound environments mean for our way of life. She is interested in listening and sonic citizenship in a variety of contexts from a practice-based and artistic approach.

Committed to crafting sound technologies for alternative listening experiences, she co-founded The Overheard with Morten Riis, presenting large-scale sound sculptures across Denmark. As a composer, her sonic expressions have reverberated in diverse realms—from bands and albums to compositions for TV, theatre, and computer games. Recently she was honored with the Carl Nielsen and Anne Marie Carl-Nielsens award as a composer. During 2023 and 2024 she is a guest researcher at the Pufendorf Institute of Advanced Studies at Lunds University in the theme „Sound of Democracy“.

https://www.au.dk/en/musmkh@cc.au.dk

Auf dem Bild ist ein roter Teddybär mit Mundschutz zu sehen.

Bild: Volodymyr Hryshchenko/Unsplash

30.09.2024 | Meena Stavesand

Klänge im Kinderkrankenhaus: So nimmt man kleinen Patienten die Angst

Das neue Kinderkrankenhaus in Helsinki hat eine spezielle, beruhigende Klanglandschaft. Die Geräuschkulisse ist in den Wartebereichen, in ausgewählten Korridoren, im Parkhaus und in den Aufzügen zu hören. Sie ist fester Bestandteil der Innenausstattung der Institution und soll den kleinen Patientinnen und Patienten die Anspannung und Angst nehmen oder sie zumindest reduzieren.

Im Rahmen der Open Lectures zu dem HOOU-Angebot „Healing Soundscapes“ wird Antti Ikonen am 16. Oktober zu „Friendly Sounds in Children’s Hospital“ sprechen und auch auf das oben genannte finnische Kinderkrankenhaus eingehen. Im Vorfeld seines Vortrags hat uns Antti Ikonen drei Fragen zu seiner Arbeit und seinen Forschungen beantwortet. Das Interview wurde auf Englisch geführt. Unten findet sich eine deutsche Übersetzung.

Die kostenlose Veranstaltung für alle Interessierten findet am 16. Oktober von 18 bis 19.30 Uhr im ligeti zentrum in Hamburg-Harburg statt. Um eine Anmeldung wird gebeten. Was die Besucherinnen und Besucher genau erwartet, erklärt Antti Ikonen im Gespräch:

Explain the topic of your presentation to a ten-year-old child in a few words.

Antti Ikonen: Some years ago a completely new hospital for children was built in Helsinki, Finland. We have placed loudspeakers all over the hospital to play happy sounds for the visitors of the hospital. The sounds are soft and quiet but if you listen carefully, you can hear them. We have asked hospital visitors their opinions, and children and their parents have told that they like the sounds a lot.

Why is this topic important to you and what value does it have for people?

Antti Ikonen: I have worked for decades with music and sounds as a performer, composer, designer, producer and university teacher, and recently also as a researcher. Both the positive and the negative effects of sounds as well as their huge potential in all kinds of media and design are self-evident to me. Our research shows that the visitors of the hospital enjoy and appreciate the designed soundscape a lot. I hope I will be able to share my experience and knowledge and collaborate with new people and institutions so that this project would continue in the future as well.  

What is your motivation for taking part in the Open Lectures Healing Soundscapes as a speaker?

Antti Ikonen: It was an honour to be invited to participate the lecture series. I’m looking forward to answering questions and also meeting composers, designers, researchers and other experts in related fields who are interested in similar topics and potential collaboration.  

Anführungszeichen in den Farben des HOOU-Themes
Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Besucherinnen und Besucher des Krankenhauses die gestaltete Klanglandschaft sehr genießen und schätzen.
Antti Ikonen

Deutsche Übersetzung des Interviews

Wie erklärst du einem 10-jährigen Kind in wenigen Worten das Thema deines Vortrags?

Antti Ikonen: Vor einigen Jahren wurde in Helsinki, Finnland, ein ganz neues Kinderkrankenhaus gebaut. Überall im Krankenhaus wurden Lautsprecher installiert, um die Besucherinnen und Besucher mit fröhlichen Klängen zu unterhalten. Die Klänge waren sanft und leise, aber wenn man genau hinhörte, konnte man sie hören. Wir haben die Besucherinnen und Besucher des Krankenhauses nach ihrer Meinung gefragt und die Kinder und ihre Eltern haben uns gesagt, dass sie die Klänge sehr mögen.

Warum ist dieses Thema für dich wichtig und welchen Wert hat es für die Menschen?

Antti Ikonen: Ich arbeite seit Jahrzehnten mit Musik und Klängen, als Interpret, Komponist, Designer, Produzent, Hochschullehrer und seit kurzem auch als Forscher. Ich kenne sowohl die positiven als auch die negativen Auswirkungen von Klängen und ihr großes Potenzial in allen Arten von Medien und Design. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Besucherinnen und Besucher des Krankenhauses die gestaltete Klanglandschaft sehr genießen und schätzen. Ich hoffe, dass ich meine Erfahrungen und mein Wissen weitergeben und mit neuen Menschen und Institutionen zusammenarbeiten kann, damit dieses Projekt auch in Zukunft weitergeführt werden kann.

Was ist deine Motivation, dein Wissen als Referent bei den Open Lectures Healing Soundscapes weiterzugeben?

Antti Ikonen: Ich fühle mich geehrt, zu dieser Vortragsreihe eingeladen worden zu sein. Ich freue mich darauf, Fragen zu beantworten und Komponist:innen, Designer:innen, Forschende und andere Expert:innen aus verwandten Bereichen zu treffen, die an ähnlichen Themen und einer möglichen Zusammenarbeit interessiert sind.

Über Antti Ikonen

Antti Ikonen (b. 1963) is a composer, sound designer and Senior University Lecturer at Aalto University. His work covers music and sound design for a wide range of media, performances and works of art, including contemporary dance, theatre, short films, radio plays, art installations and new media. The soundscape designed for Helsinki New Children’s Hospital was awarded with Grand Prix in International Sound Awards 2019. Since 1990s Ikonen has been teaching in academic institutions in Finland. In 2008 Ikonen founded Sound in New Media MA degree programme which is currently part of Aalto University.

Bild zeigt eine Patientin im Krankenhausbett.

Bild: Stephen Andrews/Unsplash

30.08.2024 | Meena Stavesand

Andrew Rossetti über "Environmental Music Therapy": Weniger Angst in Krankenhäusern

Wie schaffen wir eine Wohlfühlatmosphäre in unseren Krankenhäusern? Musik kann eine Antwort darauf sein. Denn sie macht Studien zufolge Patientinnen und Patienten sowie das Personal glücklicher und sorgt dafür, dass Erkrankte weniger Angst in der Klinikumgebung haben.

Andrew Rossetti ist ein Experte auf dem Gebiet der “Environmental Music Therapy” und möchte seine Forschungen bei der ersten Open Lecture zu dem HOOU-Angebot „Healing Soundscapes“ vorstellen. Dabei geht es darum, wie wir die Krankenhäuser mit all ihrer Sterilität für Patientinnen und Patienten und für die Menschen, die dort arbeiten, angenehmer gestalten.

Denn für Musiktherapeutin Dr. Pia Preißler, die das Lernangebot vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) verantwortet, ist klar: Klänge und Geräusche beeinflussen unsere Gesundheit.

Auftakt der Open Lectures zu „Healing Soundscapes“

Aus dem Angebot „Healing Soundscapes“ ist die gleichnamige Veranstaltungsreihe Open Lectures entstanden, die an sechs Abenden verschiedene Themen zu heilenden Klängen aufgreift. Den Anfang macht Andrew Rossetti aus New York. Er kommt am 4. September ins ligeti zentrum nach Hamburg-Harburg und hat uns im Vorfeld drei Fragen beantwortet. Darin geht es um die Möglichkeiten der “Environmental Music Therapy”. Das Interview ist auf Englisch. Eine deutsche Übersetzung findet sich unten.

Wer sich für den Vortrag von Andrew Rossetti am 4. September um 18 Uhr interessiert, kann sich dafür kostenlos anmelden.

Andrew Rossetti, how would you explain the topic of your presentation to a ten-year-old child in a few words?

Andrew Rossetti: The presentation will explore a type of music therapy called “Environmental Music Therapy” that is used in hospitals to change how patients and hospital staff feel about the hospital environment itself. This happens by improvising music that connects to those people and changes the way they feel, much like a movie soundtrack does.

Why is this topic important to you and what value does it have for people?

Andrew Rossetti: I am the director of music therapy for cancer patients in the Mount Sinai Healthcare System, which includes numerous hospitals. I serve those patients, and part of my job is to help them feel comfortable and safe – something that does not always occur in hospitals. Environmental music therapy uses patients response to live music therapy interventions and how it changes their mood and perception of the hospital experience to help them feel safer, more comfortable and less anxious.

What is your motivation for taking part in the Open Lectures Healing Soundscapes as a speaker?

Andrew Rossetti: I am enthusiastic about EMT. I am interested in sharing what I know about this modality to make it available to more people. I have conducted numerous clinical studies on its use in hospital units with fragile patients, and have written a number of works that have been published and read by quite a few people. The research validates it use in clinical settings, and I have seen first hand how it has helped my patients have less anxiety and distress, and avoid feeling traumatized by the medical treatment they receive.

Anführungszeichen in den Farben des HOOU-Themes
Ich habe direkt gesehen, dass die “Environmental Music Therapy” meinen Patientinnen und Patienten geholfen hat, weniger Angst und Sorgen zu haben. Außerdem können wir so vermeiden, dass sie sich durch die Behandlung traumatisiert fühlen.
Andrew Rossetti

Deutsche Übersetzung des Interviews

Wie erklärst du einem 10-jährigen Kind in wenigen Worten das Thema deines Vortrags?

Andrew Rossetti: Mein Vortrag befasst sich mit einer Art Musiktherapie, die wir “Environmental Music Therapy”, also Umgebungsmusiktherapie, nennen und in Krankenhäusern einsetzen. Wir nutzen sie, um die Gefühle der Patientinnen und Patienten sowie des Krankenhauspersonals auch im Bezug auf die Klinikumgebung zu verändern. Dies schaffen wir durch improvisierte Musik, die eine Verbindung zu diesen Menschen aufbaut und die Art ihrer Empfindungen verändert – ähnlich wie ein Filmsoundtrack.

Warum ist dieses Thema für dich wichtig und welchen Wert hat es für die Menschen?

Andrew Rossetti: Ich bin Leiter der Musiktherapie für Krebspatientinnen und -patienten im Mount Sinai Healthcare System, zu dem viele Krankenhäuser gehören. Ich kümmere mich um diese Patienten, und ein Teil meiner Arbeit besteht darin, ihnen zu helfen, sich wohl und sicher zu fühlen, was in Krankenhäusern nicht immer der Fall ist. Die “Environmental Music Therapy” nutzt die Reaktion der Patienten auf musiktherapeutische Interventionen und wie diese ihre Stimmung und Wahrnehmung des Krankenhauses verändern. Sie sollen sich sicherer, wohler und weniger ängstlich fühlen.

Was ist deine Motivation, dein Wissen als Referent bei den Open Lectures Healing Soundscapes weiterzugeben?

Andrew Rossetti: Ich bin begeistert von der “Environmental Music Therapy”. Ich möchte mein Wissen weitergeben, um sie mehr Menschen zugänglich zu machen. Ich habe zahlreiche klinische Studien über die Anwendung dieser Methode in Krankenhäusern mit sensiblen Patientinnen und Patienten durchgeführt und eine Reihe von Büchern geschrieben. Und die Forschung bestätigt den Einsatz in klinischen Umgebungen. Ich habe direkt gesehen, dass die “Environmental Music Therapy” meinen Patientinnen und Patienten geholfen hat, weniger Angst und Sorgen zu haben. Außerdem können wir so vermeiden, dass sie sich durch die Behandlung traumatisiert fühlen.

Über Andrew Rossetti

Andrew Rossetti PhD, MT-BC, LCAT, is a clinician, educator, researcher, solicited international speaker, and director of the Louis Armstrong Center for Music & Medicine’s multi-site Music Therapy Program in Oncology at Mount Sinai Beth Israel Medical Center. His clinical practice in medical music psychotherapy is grounded in oncology, and includes procedural support for surgery, symptom management in infusion suites and radiation oncology, and the treatment of trauma and post-traumatic stress. His practice extends to intensive care in fragile areas, such as neonatal ICUs and oncology waiting rooms where he specializes in Environmental Music Therapy. His current research includes grant funded projects from the National Endowment for the Arts, and the National Institute of Health. His work as a consultant has led him to help design and implement music therapy programs in a number of hospitals in Europe. Dr. Rossetti is an international lecturer and has been a frequent invited and keynote speaker at conferences and universities in the US, Asia, South America, Europe, Africa, and Canada. He is the Executive Committee Secretary for the International Association for Music & Medicine, and chair of its ethics committee. Dr. Rossetti is on the faculty of Montclair State University, and the University of Barcelona. His work has been featured in the NY Times, NPR’s Science Friday, and the NBC and CBS national television networks.

Zu sehen ist ein Ohr einer Frau, die liegt.

Bild: Hayes Potter/Unsplash

09.08.2024 | Meena Stavesand

Musiktherapeutin erklärt, wie Geräusche unsere Gesundheit beeinflussen

Kann eine angenehme Geräuschkulisse unsere gesundheitlichen Beschwerden lindern und bei der Genesung helfen? Ja, Klänge beeinflussen uns. Doch wie können wir gerade in Krankenhäusern oder Arztpraxen diese „Hilfe“ nutzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Bildungsangebot „Healing Soundscapes“ des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Hochschule für Musik und Theater (HfMT). Die Musiktherapeutin Dr. Pia Preißler ist für das Projekt verantwortlich und erklärt im Interview, warum Klänge für uns Menschen wichtig sind, warum uns manche negativ und andere positiv beeinflussen.

Außerdem spricht Pia Preißler darüber, wo sie noch Handlungsbedarf in den Einrichtungen sieht, und macht auf ein besonderes Angebot aufmerksam. Das Thema „Healing Soundscapes“ – heilende Klanglandschaften – wird in einer gleichnamigen Veranstaltungsreihe aufgegriffen. Bei den Open Lectures bringen Expertinnen und Experten ihre Ideen den Menschen näher. Da geht es um Klänge auf der Frühgeborenenstation oder um Klangerlebnisse, die Menschen aus der Isolation wieder in Kontakt mit ihrer Umwelt bringen sollen.

Die Open Lectures sind kostenlos und finden als Reihe im ligeti-zentrum in Harburg statt. Die Reihe beginnt am 4. September mit Andrew Rossetti und dem Thema „Environmental Music Therapy (EMT): Modulating Soundscapes in the Hospital Environment“. Dieser Vortrag wird auf Englisch gehalten. In der Reihe folgen Vorträge in deutscher Sprache.

Wann hast du das letzte Mal die Geräusche deiner Umgebung intensiv wahrgenommen und welches Geräusch ist dir dabei in Erinnerung geblieben?

Dr. Pia Preißler: Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten brauchen eine „Feinhörigkeit“ für ihre Arbeit. In meinem Studium damals hat uns mein Professor mit Hörspaziergängen und anderen Hörübungen diese Sensitivität vermittelt und sozusagen die Ohren geöffnet. So habe ich eigentlich fast immer das Hören präsent, manchmal zum Leidwesen, wenn es um mich herum lärmt, aber oft auch mit kleinen netten Momenten. Gestern war ich im UKE und kurz nach dem Rettungshubschrauber riefen ein paar Möwen hinunter. Für einen Moment habe ich mir vorgestellt, an einem schönen Platz am Meer zu sitzen.

Warum können Geräusche für Menschen heilsam sein?

Dr. Pia Preißler: Geräusche verstehen wir als Klänge. Viele davon sind bei Menschen mit guten Erinnerungen verbunden. Sie in der Gegenwart wieder zu hören, kann uns an die daran geknüpften positiven Emotionen erinnern. Das ist ein Ansatz, der auf konkrete, individuell bedeutsame Klänge fokussiert.

Für die „Healing Soundscapes“ suchen wir nach übergreifenden Klangeigenschaften, nach Prinzipien, die die eingespielten Klänge für möglichst viele Hörende angenehm machen und ihnen ein Gefühl von Zugehörigkeit zum Raum, Verbundenheit, „Helle und Wärme“, entspannter Wachheit geben. Eine solche Atmosphäre, die wir im Krankenhaus damit schaffen möchten, unterstützt indirekt die Heilung, die Menschen dort zu finden hoffen.

Ein Mann misst die Geräusche in einem Krankenzimmer.

Wie kann eine solche heilsame Geräuschkulisse etwa in Krankenhäusern gelingen? Was müssen Institutionen dafür unternehmen?

Dr. Pia Preißler: Oft ist es wichtig, als ersten Schritt den Lärm mit bestimmten Maßnahmen zu reduzieren. Denn es macht keinen Sinn, einen noch lauteren musikalischen Reiz (auch wenn er noch so schön ist) in eine solche Umgebung zu geben. Das wäre nur ein weiterer Stressfaktor für die Menschen dort. Wir haben zu Beginn unseres Projektes zum Beispiel darum gebeten, den wummernden Snackautomaten aus dem Wartebereich in den Vorraum zu verschieben. In Neubauten kann die Akustik im Sinne eines Healing Environments mitgeplant werden. In Bestandsbauten sind akustische Nachbesserungen möglich.

Abgesehen vom Budget jedoch ist die Aufgeschlossenheit der Klinikleitung und der Mitarbeitenden natürlich entscheidend. Es braucht ein Bewusstsein in der jeweiligen Klinik, dass das akustische Wohlbefinden – sowie die anderen Sinneswahrnehmungen – im Selbstverständnis einer Gesundheitseinrichtung eine hohe Bedeutung hat.

Was wird aktuell in den Institutionen getan und wo gibt es Handlungsbedarf?

Dr. Pia Preißler: Es gibt einzelne Maßnahmen, um den Lärm zu mindern, aber, so wie ich es beobachte, noch nicht systematisch. Bei einzelnen medizinischen Prozeduren wird den Patientinnen und Patienten eine „individuelle Musik“ über Kopfhörer angeboten. Oft erklingt in Warte- und Arbeitsbereichen unhinterfragt Radiomusik.

Ich denke, es fehlt eine Reflektion, ob das für alle so gut ist, und es fehlen noch Alternativen – wie wir sie mit den raumbezogenen Klängen gerade entwickeln. Entscheidend ist, dass wir in der Entwicklung der Idee die Perspektive der Patientinnen und Patienten sowie der Mitarbeitenden mit einbeziehen. Ich glaube, dass durch Gespräche mit den Anwesenden und Vorträge über das Thema schon vieles ins Bewusstsein gerät. Vielleicht wäre auch ein Hörspaziergang im UKE eine schöne Unternehmung.

UKE und HfMT haben gemeinsam das Lernangebot „Healing Soundscapes“, das nun als Veranstaltungsreihe in Open Lectures thematisiert wird. Wie erklärst du den Inhalt einem Kind?

Dr. Pia Preißler: Im Krankenhaus muss man manchmal lange warten. Das ist oft sehr langweilig und außerdem hat man vielleicht Schmerzen oder Angst vor dem, was einen erwartet. Und wenn man dann noch in einem lauten und ungemütlichen Raum sitzt, wo man sich gar nicht wohlfühlt, macht es die Sache noch schlimmer. Wir versuchen gerade, solche Situationen zu verbessern.

Unsere Idee ist, dass wir schöne Klänge in die Räume einspielen. Keine Musik, wie du sie vielleicht kennst, sondern einzelne Klänge, die kommen und gehen, man kann hin- und weghören. Wir hoffen, dass das den Menschen gut tut. Da wir diese Idee gerade noch entwickeln, hilft es uns, uns mit anderen Kolleginnen und Kollegen, die ähnliches machen, auszutauschen. Diese haben wir im Rahmen einer offenen Vorlesung eingeladen, damit sie uns etwas von ihrer Arbeit erzählen.

Andrew erzählt uns davon, wie er als Musiker in die Frühgeborenenstation geht und dort mit seiner Gitarre ein paar Klänge in den Raum spielt, um die Atmosphäre zu verbessern. Antti berichtet von einem Kinderkrankenhaus in Helsinki, für das er mit seinen Studierenden ganze Klanglandschaften entworfen hat. Marie wird uns ihre Ideen vorstellen, wie es gelingt, Patientinnen und Patienten durch Klänge aus der Isolation wieder in Kontakt mit ihrer Umgebung zu bringen.

Zu sehen ist ein Wartebereich im Krankenhaus.

Warum sind diese Themen wichtig für dich und welchen Wert haben sie für die Menschen?

Dr. Pia Preißler: Ich erlebe selbst, wie wichtig die akustische Umgebungsqualität für mein Wohlbefinden ist. Und durch meine Arbeit im Krankenhaus weiß ich um die Belastung durch Lärm oder unschöne Geräusche – oder eben auch um die Belastung durch die Abwesenheit angenehmer Geräusche. Es gibt einzelne Beispiele aus anderen Krankenhäusern, in denen ein Healing Environment umgesetzt wurde, die mich auf gute Weise beeindrucken.

Ein Teil einer solchen Vision umsetzen zu können und damit etwas für Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende zu verbessern, ist eine schöne Aufgabe. Und ich bin sehr gespannt, zu welchen Erkenntnissen wir in unserem Projekt noch kommen werden, welche Klänge sich eignen und wie sie in Bezug zum Raum ihre Wirkung entfalten werden.

Über Dr. Pia Preißler

Dr. phil. Pia Preißler ist Diplom-Musiktherapeutin und leitet seit 2023 das Teilprojekt Healing Soundscapes am UKE. Dieses Projekt ist Teil des Clusters Musik & Gesundheit im ligeti zentrum, eines im Rahmen der Innovativen Hochschule vom BMBF geförderten Hochschulverbundprojektes. Sie schloss ihr Musiktherapiestudium an der HfMT in 2008 ab und arbeitet und forscht seitdem am UKE mit dem Schwerpunkt Musiktherapie in der Psychoonkologie. An der HfMT lehrt sie zu den Themen Healing Soundscapes, Rezeptive Musiktherapie und Berufsfelderkundung. 

Auf dem Foto sind Triathleten in Neoprenanzügen und Badekappen zu sehen, die kurz vor dem Start stehen.

Bild: Ashley de Lotz/Unsplash

12.07.2024 | Meena Stavesand

Sport im Alltag: Mit diesem Tutorial linderst du Schmerzen und Verspannungen

Lass uns anlässlich des Triathlons in Hamburg gemeinsam in ein gesundes Leben starten. Mit unserem Lernangebot, das eigentlich für Musiker:innen konzipiert ist, kannst du auch ganz ohne musikalische Fähigkeiten Rückenschmerzen und Co. lindern. Aber es geht bei uns auch um die richtige Ernährung.

Manche von ihnen trainieren jahrelang für dieses Event: der Triathlon in Hamburg. Am 13. und 14. Juli 2024 kommen zahlreiche Athletinnen und Athleten aus aller Welt in die Hansestadt, um körperliche Höchstleistungen zu vollbringen. Für uns ist das Anlass genug, dir zu zeigen, wie du noch heute in ein gesundes Leben startest.

Die Teilnehmenden des Triathlon in Hamburg stellen sich der Herausforderung, ihre körperlichen Grenzen zu überwinden und persönliche Bestleistungen zu erzielen. Dabei stehen drei anspruchsvolle Disziplinen auf dem Programm: Schwimmen, Radfahren und Laufen.

Was ist der Hamburg Triathlon?

Der Triathlon in Hamburg ist nicht nur ein sportlicher Wettkampf, sondern auch ein Fest der Ausdauer und Willenskraft. Die Streckenführung durch die beeindruckende Kulisse der Hansestadt sorgt für ein einzigartiges Erlebnis. Ob Profi oder Amateur, jeder Teilnehmer erlebt die magische Atmosphäre und den Enthusiasmus, der von den begeisterten Zuschauern ausgeht.

Die drei Disziplinen: Schwimmen, Radfahren und Laufen

Es gibt drei Disziplinen bei Triathlon, die allerdings je nach Kategorie/Wertung unterschiedlich lang sind.

  • Schwimmen: Der Wettkampf beginnt mit dem Schwimmabschnitt in der Alster. Die Athleten legen eine festgelegte Distanz zurück, bevor sie aus dem Wasser steigen und zur Wechselzone laufen. Bei der Sprintdistanz sind das 500 Meter, bei der Kursdistanz 1500 Meter.
  • Radfahren: Nach dem Schwimmen geht es direkt auf die Radstrecke. Hier fahren die Teilnehmenden durch die Straßen Hamburgs und überwinden eine herausfordernde Strecke, die sowohl Geschwindigkeit als auch Ausdauer erfordert. Bei der Sprintdistanz sind das 20 Kilometer, bei der Kurzdistanz 40 Kilometer.
  • Laufen: Der letzte Abschnitt des Triathlons ist der Lauf. Entlang der malerischen Elbe führt die Strecke die Athletinnen und Athleten ins Ziel, wo sie von jubelnden Menschen empfangen werden. Bei der Sprintdistanz sind das 5 Kilometer, bei der Kurzdistanz 10 Kilometer.

Mit unseren Lernangeboten bleibst du gesund und fit

Anlässlich des Triathlons wollen wir dir helfen, fit zu bleiben oder zu werden. Unsere Lernangebote unterstützen dich in einem gesunden Lebensstil. Wir bieten dir Videotutorials, die Verspannungen lösen, erklären dir aber auch im Lernangebot „Nudging für mehr Gesundheit und Nachhaltigkeit“ der HAW Hamburg, was kleine Impulse, das so genannte Nudging, bewirken können, und berichten, wie unser Essverhalten unser Leben verändern kann.

Das Kursbild zum Lernangebot: Nudging für mehr Gesundheit und Nachhaltigkeit

Nudging für mehr Gesundheit und Nachhaltigkeit

Dieser Online-Kurs führt Multiplikatoren und interessierte Personen in den Einsatz von Nudging zur Förderung von Gesundheit und Nachhaltigkeit ein. Das Schulungskonzept ermöglicht eine schnelle Einarbeitung und praktische Anwendung des Gelernten. Der Kurs richtet sich an Fachkräfte und Einzelpersonen mit Interesse an Gesundheit und Nachhaltigkeit, ist kostenlos und flexibel online zugänglich. Ziel ist es, ein umfassendes Verständnis von Nudging zu entwickeln und Teilnehmende zur Anwendung im Beruf oder Alltag zu befähigen. Durch Quizzes und Übungen können Teilnehmende ihr Wissen vertiefen, mit dem Ziel, Nudging effektiv für Gesundheit und Nachhaltigkeit einzusetzen.

Zum Lernangebot

Video-Tutorial: So löst du Verspannungen in Nacken, Schulter und Kiefer

Verspannungen – wer kennt sie nicht? Sie schleichen sich oft heimlich ein und machen sich irgendwann sehr deutlich in Schulter, Nacken, Kiefer, Armen oder auch Fingern bemerkbar. Gerade in Zeiten hoher Belastung und Stress können sie zur täglichen Begleitung werden.

In unserem Lernangebot „Spielend gesund bleiben“ findest du eine Reihe von Video-Übungen, die von der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) und vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) speziell entwickelt wurden, um Verspannungen zu lösen und ihnen sogar vorzubeugen. Ursprünglich für Musiker konzipiert, um ihre spezifischen Belastungen zu meistern, sind diese Übungen ein wahrer Segen für alle, die sich eine Portion Entspannung und Schmerzlinderung wünschen.

Das Kursbild zum Lernangebot: Spielend gesund bleiben

Spielend gesund bleiben

Gesundes Musizieren braucht einen gesunden Körper und wir zeigen Dir die Übungen dafür!

Zum Lernangebot

Dabei helfen dir unsere Videos

Ob du stundenlang an deinem Schreibtisch sitzt, viel auf den Beinen bist oder intensiv Sport treibst, diese Übungen können dir helfen,

  1. deinen Körper ins Gleichgewicht zu bringen
  2. möglichen Schmerzen den Kampf anzusagen
  3. Beschwerden kontinuierlich zu lindern.

Und das Beste daran: Du kannst sie bequem von zu Hause aus durchführen – wann immer du Zeit findest. Aber vergiss nicht: Einen Arztbesuch ersetzt unser Tutorial nicht!

Das Bild zeigt einen Mann, der seinen Blutzucker misst.

Headerbild: isens-usa-unsplash

06.02.2024 | Meena Stavesand

Das musst du über Diabetes wissen: Typen, Symptome, Ernährung und Lebensstil

Diabetes mellitus ist eine Volkskrankheit. Wir fassen zusammen, was du tun kannst, um nicht daran zu erkranken, oder was dir hilft, wenn du die Diagnose erhalten hast. Das UKE hat alle wichtigen Informationen zusammengetragen.

Diabetes mellitus – im Volksmund auch „Zuckerkrankheit“ genannt – ist vor allem als Typ-2 weit verbreitet. In Deutschland zeigt die Datenlage, dass es mehr als 7,5 Millionen Betroffene zwischen dem 20. und 79. Lebensjahr gibt, die an Diabetes mellitus Typ-2 erkrankt sind. Das UKE hat für diese und auch weitere „Volkskrankheiten“ ein Angebot geschaffen, bei dem Patientinnen und Patienten wichtige Informationen erhalten. Auf hoou-uke.de können sich Menschen auch präventiv nach verschiedensten Krankheiten erkundigen. Von Herzinsuffizienz über Depressionen bis hin zu Prostatakrebs. Wir beschäftigen uns in diesem Beitrag näher mit der „Zuckerkrankheit“.

Man kann sagen, dass Diabetes mellitus eine Krankheit ist, die in verschiedenen Formen daherkommt und das Leben von Millionen Menschen weltweit manchmal auch still und unauffällig beeinflusst. Darum ist es umso wichtiger, sich intensiv mit seiner Gesundheit auseinanderzusetzen.

Die Autoimmunerkrankung: Typ-1-Diabetes

Beim Typ-1-Diabetes sprechen wir von einer Autoimmunerkrankung und einer allmählichen Zerstörung der Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Diese Form setzt häufig bereits im Kindes- und Jugendalter ein, kann aber auch im Verlauf des Lebens vorkommen. Menschen, die an diesem Typ-1 erkranken, müssen sich täglich – manchmal auch mehrmals am Tag – Insulin spritzen oder es sich per Pumpe zuführen lassen. Das heißt: Die Patientinnen und Patienten finden sich in einem ständigen Balanceakt wieder, um ihren Blutzuckerspiegel mit extern zugeführtem Insulin zu regulieren.

Mehr über Diabetes mellitus Typ-1 und Typ-2 erfährst du auch im Video des UKE.

Der sich einschleichende Gegner: Typ-2-Diabetes

Auf der anderen Seite steht der Typ-2-Diabetes. Es ist quasi ein sich einschleichender Gegner, der langsam seine Präsenz erhöht, oft und lange unbemerkt, bis er fest im Leben der Betroffenen verankert ist. Dieser Typ-2 beruht auf zwei Mechanismen:

  • Zunehmender Insulinmangel: Die Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse ist gestört und vermindert.
  • Insulinresistenz: Körperzellen reagieren nicht mehr ausreichend auf Insulin.

Viele Expertinnen und Experten sprechen bei dieser Erkrankung von einer „Volkskrankheit“. Für 2030 gibt es die Hochrechnung, dass mehr als 10 Prozent an Typ-2-Diabetes erkrankt sein werden.

Die Grafik zeigt die Häufigkeit des Typ-2-Diabetes in Deutschland nach Alter. Zwischen 40 und 49 Jahren liegt der Wert bei unter 2,5 Prozent. Dieser Wert steigert sich immer weiter. Zwischen 70 und 79 Jahren liegt er bei Männern bei fast 22,5 Prozent (Frauen: ca. 17,5 Prozent). Über 80 Jahren liegt der Wert bei 25 Prozent.

Verursacht durch eine Kombination aus genetischer Veranlagung, Bluthochdruck, hohe Blutfette, Bewegungsmangel oder auch vorangegangenem Schwangerschaftsdiabetes, ist dieser Typ ein Zeugnis dafür, dass unsere Lebensweise selbst unsere größte Schwäche sein kann. Doch in dieser Herausforderung liegt auch eine Chance, denn durch bewusste Entscheidungen in Ernährung und Bewegung wirkt man dieser Problematik entgegen.

Das können Symptome bei Diabetes Typ-2 sein:

  • Müdigkeit und Kraftlosigkeit
  • Durst und vermehrter Harndrang
  • Schlecht heilende Wunden
  • Juckreiz
  • Häufige Infektionen
  • Verschlechterung der Sehfähigkeit

Wichtig: Die Beschwerden beginnen meist schleichend, und ein Typ-2-Diabetes kann lange unbemerkt bleiben, bis ein Arzt oder eine Ärztin ihn zufällig bei einer Blutzuckermessung entdeckt. Solltest du eine dieser Symptome bei dir feststellen, kann es ratsam sein, dies medizinisch abzuklären.

Wie eine Bewegungstherapie hilft

Joggen, Radfahren oder auch einfach Walking – Bewegung hilft, den Körper fit zu halten oder ihn wieder fit zu bekommen. Da bieten sich übrigens auch Tätigkeiten wie Gartenarbeit oder Schwimmen an. Es muss nicht direkt das intensive Kardiotraining sein.

Das passiert bei regelmäßiger Bewegung:

  • Blutzucker sinkt langfristig.
  • Wirkung des körpereigenen Insulins verstärkt sich.
  • Gewichtszunahme lässt sich stoppen.
  • Herzkreislaufsystem wird gestärkt.
  • Körperliches und seelisches Wohlbefinden verbessert sich.

Weitere Informationen – insbesondere auch zu einer medikamentösen Einstellung – findest du ausführlich auf der Seite des UKE zu den gesellschaftlich relevanten Erkrankungen. Solltest du mögliche Symptome bei dir entdecken, suche in jedem Fall einen Arzt oder eine Ärztin auf. Sie helfen dir, wieder gesund zu werden!

Das Bild zeigt ein Plakat mit zwei Weltkugeln - eine mehr oder minder dunkel und zerstört, die andere hell und voller Leben. Es ist ein Plakat auf einer Demo. Unter der Zeichnung steht You Decide.

Headerbild: Dominic Wunderlich/Pixabay

14.12.2023 | Meena Stavesand

Weltklimakonferenz: Diese Projekte gehen die Herausforderungen des Klimawandels an

Anlässlich der Weltklimakonferenz in Dubai haben wir eine Liste von HOOU-Projekten zusammengestellt, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen. Es geht dabei um Gesundheit, Energie und Kraftstoffe.

Die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen findet jedes Jahr statt – 2023 war Dubai das Gastgeberland. Nach vielen Diskussionen und Debatten  ging die diesjährige Zusammenkunft der fast 200 Staaten am 13. Dezember zu Ende – einen Tag später als geplant. Die internationale Politik feierte die Ergebnisse – so etwa die Abkehr von fossilen Brennstoffen als ein Kernpunkt. Es ist das erste Mal, dass die Weltgemeinschaft dazu aufruft, wenngleich kein Ende der fossilen Energien beschlossen wurde, was für Kritik sorgte. Es gibt aber Beschlüsse der Weltklimakonferenz, die Hoffnung machen, dass sich in der Weltgemeinschaft etwas bewegt:

  • Die Erneuerbaren Energien sollen bis zum Jahr 2030 verdreifacht werden.
  • Ein Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste wurde eingerichtet.
  • Methanemissionen sollen sinken.
  • Die Landwirtschaft und der Lebensmittelsektor sollen beim Klimaschutz stärker Berücksichtigung finden.
  • Das 1,5-Grad-Ziel wurde bekräftigt.
  • Die Welt will Netto-Null-Emissionen bis zum Jahr 2050 erreichen.

Wie wichtig das Thema Klimawandel ist, zeigen nicht nur die Diskussionen vom 30. November bis 13. Dezember in Dubai, sondern auch zahlreiche Lernangebote an der HOOU. An verschiedenen Hochschulen haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit unserer Umwelt beschäftigt und kostenlose Kurse zur Verfügung gestellt. Es geht etwa um die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gesundheit oder um innovative Energiesysteme. Wir haben eine Liste der Lernangebote zusammengestellt:

1. CliMap-Health – Klimawandel und unsere Gesundheit

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel eigentlich auf unsere Gesundheit? In unserem Lernangebot „CliMap-Health“ der HAW Hamburg wird genau diese Frage beantwortet. Als interaktive Weltkarte schafft es dieses E-Learning-Tool, praxisnahes Wissen über die Einflüsse von Klima und Umwelt auf unsere Gesundheit darzustellen. So geht es in den verschiedenen Abschnitten etwa um Smog-Probleme in Indien oder die Auswirkungen von Dürre und Waldbränden in Brasilien. Auch die Buschfeuer in Austrialien, die immer verherrender ausfallen, werden thematisiert. Es geht in dem Lernangebot darüber hinaus um Krankheiten wie Cholera im Jemen oder den Zika-Virus auf den Fidschi-Inseln. Lies mehr über die Bedrohungen und was Menschen unternehmen können. Außerdem gibt es einen spannenden Podcast zum Thema in Rahmen eines weitere Lernangebots. In dem Podcast „Let’s Talk Climate Action“ wird den Herausforderungen des Klimawandels auf die Gesundheit zusammen mit Expert:innen verschiedenster Forschungsdisziplinen und Handlungsfelder auf den Grund gegangen. Gerne reinhören!

2. RUVIVAL – Es geht um unsere Böden

Boden, Wasser- und Ernährungssicherheit sind stark miteinander verknüpft. Eine gute Bodenqualität ist eine der wichtigsten Grundlagen für die Nahrungsmittelproduktion und damit für unser Überleben. Auf immer weniger Fläche lässt sich Nahrung anbauen, während die Zahl der Menschen auf der Erde steigt. Dies bringt eine besondere Herausforderung mit sich, der wir uns stellen müssen. In dem Lernangebot „RUVIVAL“ der TU Hamburg zeigen wir Wissenswertes zu Boden, Wasser und auch Ernährung. Es geht dabei um den Anbau von Lebensmitteln, aber auch um den nachhaltigen, ökologischen Hausbau. Es gibt bei „RUVIVAL“ nicht nur interaktive Vorlesungen, sondern auch eine Toolbox. Diese enthält Wissen und Methoden, um das Land zu beleben, Synergieeffekte zu nutzen und ländliche Gebiete zu entwickeln. Themen sind etwa: nachhaltige Bewässerung, Regenwassernutzung, Viehzucht oder ländliche Energiesysteme.

3. Green Hydrogen – Wichtig für eine neue Energieversorgung

Grüner Wasserstoff ist ein Begriff, der immer wieder auftaucht, wenn es um nachhaltige Energieträger geht. Wie wichtig dieses Green Hydrogen ist, stellt das gleichnamige Lernangebot der TU Hamburg heraus. In dem kostenlosen Kurs der TU Hamburg erfährst du, wie Wasserstoff hergestellt, gespeichert, transportiert und genutzt werden kann und warum grüner Wasserstoff so wichtig für die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare, treibhausgasneutrale Energieträger ist. In erklärenden Texten, Grafiken und Illustrationen sowie Aufzeichnungen von Fachvorträgen erhältst du einen umfassenden Überblick über die Hintergründe der Diskussion um den Einsatz von grünem Wasserstoff als Energieträger. Du kannst dir damit Wissen über die technologischen Grundlagen aneignen und verstehst die Zusammenhänge zwischen Wasserstoff und erneuerbaren Energien in zukünftigen, nachhaltigen Energiesystemen.  

4. BioCycle – Jetzt Lebensmittelabfälle in Energie umwandeln

Was machst du mit deinen Obstschalen? Du wirfst sie wahrscheinlich weg – und das ist im Prinzip auch richtig, aber es steckt auch viel Energie darin, die wir nutzen können. Möglich ist das mit dem Ansatz von BioCycle. Dabei wird das, was wir als Abfall betrachten – wie eben unsere Gemüseschalen – in etwas Positives und Wichtiges verwandelt: in Energie und Nährstoffe. Wie das geht, erklären wir die in unserem Lernangebot BioCycle der TU Hamburg, mit dem wir den Lebensmitteln eine zweite Chance geben, indem wir ihren Lebenszyklus verlängern und sie in eine Form umwandeln, die uns und der Umwelt zugutekommt. Was auf den ersten Blick kompliziert klingt, ist es vom Prinzip aber nicht. Du musst deine Lebensmittel nur richtig trennen und sie dann kompostieren oder in einer Biogasanlage wie jener im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg recyclen.

5. Let’s Talk Climate! – Herausforderungen für die Gesundheit

Hitze, Extremwetterlagen, vermehrte Allergien, neuartige Infektionskrankheiten – die Bedrohung unserer Gesundheit durch den Klimawandel ist vielschichtig. Die Zunahme heißer Tage über 30 Grad – insbesondere über einen längeren Zeitraum – stellt eine Herausforderung und Belastung für den Menschen dar. Darum spricht das kostenlose Lernangebot Let’s Talk Climate! der HAW Hamburg vorrangig Studierende der Gesundheitswissenschaften und Public Health sowie Studierende beziehungsweise Auszubildende der Gesundheitsversorgungsberufe wie Pflege- bzw. Pflegewissenschaften, Medizin, Physiotherapie in der tertiären Bildung an. Wer den Kurs durchläuft, erwirbt ein grundlegendes Verständnis zu den direkten und indirekten Einflüssen klimatischer Veränderungen auf die menschliche Gesundheit. Darüber hinaus ermöglicht das Projekt Let’s Talk Climate! durch die Bereitstellung der Materialien unter einer offenen Lizenz die Bearbeitung und Weiterentwicklung der Inhalte, insbesondere der praxisnahen Fallbeispiele. Ebenso soll über diesen Charakter ein bestmöglicher niederschwelliger Transfer einzelner Materialien in die Berufspraxis ermöglicht werden.

6. Zukunftsweisende Kraftstoffe – was ist die Alternative zu Erdöl?

Verkehr ist ein riesiger Teilbereich des Klimaschutzes. Wie wollen wir uns in Zukunft fortbewegen? Welche Möglichkeiten gibt es? In dem Lernangebot „Zukunftsweisende Kraftstoffe“ der TU Hamburg geht es insbesondere um die Produktion verschiedener Kraftstoffe, die aktuell verfügbar sind oder in Zukunft eine wichtigere Rolle bei der Ersetzung von erdölbasierten Kraftstoffen einnehmen könnten. Außerdem werden potenzielle Rohstoffe thematisiert, die bei der Herstellung moderner Kraftstoffe zum Einsatz kommen könnten. Jedes Kapitel des Lernangebots ist in verschiedene Abschnitte unterteilt, die durch erläuternde Texte, Grafiken und zusätzliche Berichte, Artikel und Videos angereichert sind. So ist ein tieferes Verständnis garantiert. Außerdem gibt es auch den spannenden Podcast „Mobilcast“, der sich mit biogenen und strombasierten Kraftstoffen befasst. Das Lernangebot spannt daher einen interessanten Bogen und bringt alle wissenswerten Informationen zu dem Themenbereich auf den Punkt.

Auch im kommenden Jahr 2024 werden die Hochschulen der HOOU an Themen zum Klimawandel und Nachhaltigkeit arbeiten. Nach und nach werden wir die Projekte auf unserer Seite präsentieren.

Das Bild zeigt ein Thermometer, das bis zu 40 Grad anzeigt. Dahinter ist die strahlende Sonne auf blauem Himmel zu sehen.

Headerbild: Gerd Altmann/Pixabay

06.12.2023 | hoouadmin

So verstehst du die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Gesundheit

Klimabildung ist in der Hochschulpolitik und Lehre oft ein vernachlässigtes Thema – anders an der HAW Hamburg. Dort wird nun ein entscheidender Schritt in Richtung einer klimabewussten Ausbildung unternommen.

Der fortschreitende Klimawandel führt zu häufigeren und intensiveren Hitzewellen, wie auch im Sommer 2022, mit der Höchstaufzeichnung von 40,1 Grad Celsius über zwei Tage. Für die Sommer 2018 bis 2022 wurden insgesamt in Deutschland etwa 23.800 hitzebedingte Todesfälle durch Modellierung der Übersterblichkeit berechnet (vgl. Matthies-Wiesler et al., (2023): Auswirkungen von hohen Außentemperaturen und Hitzewellen auf Lungenerkrankungen. doi: 10.1007/s10405-023-00500-5.).

Doch wie oft wird in der Hochschulpolitik, in den Lehrplänen oder unter den Lehrenden das Thema Klimabildung thematisiert? Wie viele Lehrende sind mit dem Begriff der „Klimalehre“ vertraut? Die HAW Hamburg ist deutschlandweit eine unter 5 Hochschulen, die zum Thema Klimawandel und Gesundheit forschen und lehren. Das Ziel des neuen HOOU-Projekts Klima.Kompetent der HAW Hamburg ist die Verstetigung dessen an der Hochschule.

Studierende als Zielgruppe

Das Lernangebot Klima.Kompetent bemächtigt Lehrende und Lernende der HAW Hamburg für die Bewältigung der Herausforderung der Klimawandelauswirkungen in ihrer Disziplin. Drei der insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bilden dafür den Rahmen: Gesundheit und Wohlergehen (Nummer 3), Hochwertige Bildung (Nummer 4) und Maßnahmen zum Klimaschutz (Nummer 13).

Das neue Lernangebot der HAW HAmburg: Klima.Kompetent. Das Bild stammt von Derya Tasci, CC BY-SA

Die fertige OER (Open Educational Resources – ein offenes Lernangebot für alle Menschen) hat zum Ziel, jetzige Studierende für ihre spätere Berufspraxis zu befähigen. Sie sollen in der Lage sein, Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerungsgesundheit ergreifen zu können und ein höheres Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu erlangen. Denn als Akteur:innen des Gesundheitssektors tragen sie eine besondere Verantwortung: als versorgende Professionen, in der gesundheitlichen Aufklärung und auch in ihrer Rolle als Forschende und politische Berater:innen. Hierzu gehört insbesondere die Vermittlung eines notwendigen Verständnisses der Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Gesundheit, um effektiv auf ihre Zielgruppen zuzugehen und selbst als Multiplikator:innen für Klimaschutz und -anpassung agieren zu können.

Let’s Talk Climate! als Vorgängerprojekt

Im Vorgänger-Projekt Let’s Talk Climate! wurden bereits die Bedarfe aus den Studiengängen Hebammenwissenschaften und Gesundheitswissenschaften mit Studierenden und Praktizierenden ermittelt. Auch in der jetzigen Projektphase sollen im Dialog mit Studierenden im Vorfeld sowie nach der Erprobung der Materialien im Unterricht, Anpassungen vorgenommen werden. Wir sind sehr gespannt auf das neue Lernangebot, an dem die Projektverantwortlichen derzeit arbeiten!

Text: Dorothee Wagner/HAW Hamburg

Eine Grafik von einer Leber, Image by storyset on Freepik

Leber, Image by storyset on Freepik

20.11.2023 | hoouadmin

Tag der Leber: Wettlauf mit dem Hepatitis-C-Virus

Am 20. November ist Deutscher Lebertag. Aus diesem Grund wollen wir der Leber und ihren vielfältigen Aufgaben huldigen sowie auf ein spannendes Wettrennen in der Forschung verweisen, dem Wettlauf mit dem Hepatitis-C-Virus.

Unsere Leber ist nicht nur sehr bescheiden, sondern auch sehr emsig. Sie ist eines unserer Entgiftungsorgane, welche Fremdstoffe wie Medikamente, Alkohol oder andere Toxine um- und abbaut. Sie speichert zudem Energie in Form von Fetten und sog. Glykogenen. Die fleißige Leber produziert Gallenflüssigkeit und unterstützt so die Verdauung von Fetten sowie die Verwertung von Eiweißen. Sie reguliert den Blutzuckerspiegel und agiert als Eisenspeicher. Ganz unabhängig davon, stellt sie Faktoren für die Blutgerinnung her und bildet die Ausgangsprodukte für unsere Sexualhormone. Puh, ein Fulltimejob, den sie mit Leidenschaft und voller Aufopferungsbereitschaft erledigt.

Sie wird meist, trotz ihrer vielfältigen Aufgaben in unserem Körper, nicht bemerkt. Erst, wenn Schäden der Leber bereits sehr fortgeschritten sind, macht sich dieses schüchterne Organ bemerkbar. Denn die Leber hat zusammen mit dem Gehirn – ganz im Gegensatz zu anderen Organen – keinerlei Schmerzrezeptoren. Die Leber ist sehr widerstandsfähig und kann ihre Aufgaben selbst noch erledigen, wenn sie geschädigt ist. Als einziges Organ im menschlichen Körper ist sie in der Lage sich selbst zu reparieren. Zumindest bis zu dem Grad, ab welchem die Zerstörung nicht mehr reversibel ist.

Erkrankungen der Leber sind weltweit eines der größten Gesundheitsprobleme. Hierbei ist nicht nur der allzu oft zitierte Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch verantwortlich. Auch Viren spielen eine enorm wichtige Rolle.

Viren als Auslöser für Lebererkrankungen

Hepatitis – eine Entzündung der Leber – wird unter anderem durch eine Reihe von Viren verursacht. Diese sind ganz simpel nach der durch sie verursachten Krankheit benannt. Es existieren bis heute Hepatitis-A bis E- und G-Viren.

Nun wird es jedoch etwas verwirrend: Das Hepatitis-F-Virus ist bislang nur rein hypothetisch existent und gibt es höchstwahrscheinlich nicht. Das Hepatitis-G-Virus existiert, verursacht dafür – nach aktuellem Wissensstand – jedoch gar keine Hepatitis und das Hepatitis-D-Virus braucht das Hepatitis-B-Virus, um wirklich virulent zu sein. Gegen die Hepatitis-A- und -B-Viren existieren bereits Impfungen; demnach folgt daraus, dass das Sorgenkind das Hepatitis-C-Virus bleibt.

Der Wettlauf um die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus

Lange waren ausschließlich das Hepatis-A- sowie das Hepatitis-B-Virus bekannt. 1975 tauchte jedoch plötzlich ein mysteriöser Verdächtiger auf, welcher zwar wie die Hepatitis-A- und -B-Viren eine Hepatitis auslöste, aber weder A noch B war. Erst zehn Jahre später, 1985, wurde zum ersten Mal nachgewiesen, dass es sich hierbei ebenfalls um ein Virus handeln muss. Im Labor war es dennoch lange – trotz vieler Bemühungen – nicht möglich, das Virus zu kultivieren. 1989 erfolgte die Genomcharakterisierung und nun endlich die Taufe des Virus auf seinen heutigen Namen: Hepatis-C-Virus oder kurz: HCV.

Trotz Entschlüsselung des Genoms und Namensgebung wurde die Erforschung des Virus nicht leichter. Es gab nach wie vor keine adäquate Möglichkeit HCV im Labor zu kultivieren. Herkömmliche Methoden funktionierten nicht.

Erst 1999, 24 Jahre nach dem ersten Verdacht auf das Hepatitis-C-Virus, ereignete sich eine regelrechte Revolution in der HCV-Forschung. Man behalf sich hierfür mit sehr speziellen Methoden. Der Trick war, mit einem sog. Virus-ähnlichen Partikel zu arbeiten, d.h. ein ‚Virus‘ komplett ohne Strukturproteine. Das virusähnliche Partikel bestand demnach nur aus dem Teil des Virus, der für dessen Replikation – sprich seiner Vermehrung – verantwortlich ist.

Um hingegen die Strukturproteine (Virushülle und dessen Oberflächenstrukturen darauf) zu untersuchen, brauchte es wiederum ein weiteres Modell (sog. Pseudopartikel), bei dem ausschließlich die Strukturproteine vorhanden waren, jedoch nicht der Rest des Virus.

Mit vielen zusätzlichen Kniffs und Tricks gelang 2005 der Nachbau eines infektiösen Partikels, ähnlich einem echten Virus. Also ganze 30 Jahre nach den ersten Indizien auf diesen Hepatitis-Verursacher. In der Zwischenzeit erlangte man durch die Modelle und anschließend durch die infektiösen Partikel viel Wissen über den Eintritts-Mechanismus und die Vermehrung des Virus. Seit 2011 existieren sogar Mausmodelle.

Krankheitsverlauf von Hepatitis C

Nur der Hartnäckigkeit der Forscherinnen und Forscher und vor allem ihrer enormen Resistenz gegenüber Frustration und Rückschlägen ist es zu verdanken, dass wir mittlerweile relativ effektive Medikamente gegen Hepatitis C auf dem Markt haben. 2020 gab es für diese enormen Anstrengungen auch endlich den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie für Harvey J. Alter, Michael Houghton und Charles M. Rice.

Bild: brgfx / Freepik

Die Entscheidung des Nobelpreis-Komitees ist nicht unbegründet, denn das Hepatitis-C-Virus ist eines der für den Menschen am relevantesten Viren. Eine Infektion mit HCV verursacht zunächst eine Leberentzündung, welche sich im weiteren Verlauf zu einer chronischen Leberentzündung bis hin zu einer Leberzirrhose (durch die dauerhaften Entzündungen vernarbt das Lebergewebe) entwickeln kann. Im schlimmsten Fall führt die Infektion zu Leberkrebs.

Übertragungswege von Hepatitis C

HCV wird ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen, hauptsächlich über den Kontakt mit kontaminiertem Blut. Die Infektion über kontaminierte Blutkonserven ist heutzutage jedoch sehr unwahrscheinlich geworden, nachdem seit den frühen 90er Jahren diese routinemäßig darauf untersucht werden. Die Mehrheit in Europa und USA erwirbt HCV über injizierbare Drogen. Je nach Region können dennoch medizinische Verfahren wie unsaubere Injektionen, nicht getestete Bluttransfusionen oder Organtransplantationen zu Übertragungen führen. Es wird seit einigen Jahren diskutiert, ob das Virus ursprünglich vom Haushund auf den Menschen übergegangen ist. [Fußnote: Kapoor et al., 2011; Link.]

Therapie gegen HCV

Analog dem Wettrennen um die Entdeckung und die Kultivierung von HCV im Labor verlief die Jagd nach möglichen Therapieansätzen. Seit 2014 gab es revolutionäre Durchbrüche in diesem Bereich.

Dank den enormen Anstrengungen von Forscherinnen und Forschern kann die große Mehrheit von Patienten, die an einer von HCV verursachten chronischen Leberinfektion leiden, in etwa 95 Prozent aller Fälle mit einer Therapie geheilt werden. Vor 30 Jahren lagen diese Zahlen noch im einstelligen Prozentbereich. Es handelt sich hierbei vor allem um Medikamente, welche gezielt in einzelne Schritte der Virusvermehrung eingreifen. Vor dem Einsatz dieser spezifisch wirkenden Substanzen, musste mit Interferon-⍺ behandelt werden; ein Heilverfahren, welches mit enorm vielen Nebenwirkungen einhergeht.

Durch die Therapie-Fortschritte ist der Bedarf an Transplantationen von Lebern in den letzten Jahren gesunken. Dennoch standen zum 31.12.2022 noch 841 Patientinnen und Patienten auf der Warteliste für eine Lebertransplantation. [Fußnote: Link.]

Impfstoff gegen das Hepatitis-C-Virus

Viren erobern und besetzen ihre Wirtszellen mit ausgeklügelten Mechanismen. Wichtig sind hierbei vor allem die Oberflächenstrukturen auf der Virushülle, die den Geheimcode zu den Zugängen unserer Körperzellen kennen. Mit einer Impfung greift man normalerweise genau hier ein. Manche Viren wie HIV – und eben auch HCV – kennen jedoch Tricks, um diesen Versuchen auszuweichen. Das erschwert die Herstellung von Impfstoffen im herkömmlichen Sinne. Zurzeit geht man davon aus, dass eine Impfung gegen HCV wohl eher unwahrscheinlich ist. Selbst wenn es zukünftig Impfungen gegen das Hepatitis-C-Virus geben wird, werden diese keinen vollständigen Schutz bieten können. Allerdings könnten sie insoweit das Immunsystem regulieren, dass zumindest kein chronischer Status der Hepatitis mehr erreicht wird.

Kaum zu glauben also, dass ein kleines Virus, dessen Genom gerade einmal für 10 Proteine (drei für die Struktur sowie sieben für seine Vermehrung) codiert, seit so vielen Jahrzehnten für so viel Aufregung in unserer Leber und unseren Laboren sorgt. [Anmerkung: Als Vergleich: der Mensch besitzt an die 80.000 bis 400.000 Proteine je nach Quelle und Hochrechnung.]

Das frei downloadbare PDF „Hepatology – A clinical Textbook“ bietet viele weitere Informationen rund um die Hepatitis-Viren.

Text: Dr. Nicole Hagen