Bild zeigt eine Patientin im Krankenhausbett.

Bild: Stephen Andrews/Unsplash

30.08.2024 | Meena Stavesand

Andrew Rossetti über "Environmental Music Therapy": Weniger Angst in Krankenhäusern

Wie schaffen wir eine Wohlfühlatmosphäre in unseren Krankenhäusern? Musik kann eine Antwort darauf sein. Denn sie macht Studien zufolge Patientinnen und Patienten sowie das Personal glücklicher und sorgt dafür, dass Erkrankte weniger Angst in der Klinikumgebung haben.

Andrew Rossetti ist ein Experte auf dem Gebiet der “Environmental Music Therapy” und möchte seine Forschungen bei der ersten Open Lecture zu dem HOOU-Angebot „Healing Soundscapes“ vorstellen. Dabei geht es darum, wie wir die Krankenhäuser mit all ihrer Sterilität für Patientinnen und Patienten und für die Menschen, die dort arbeiten, angenehmer gestalten.

Denn für Musiktherapeutin Dr. Pia Preißler, die das Lernangebot vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) verantwortet, ist klar: Klänge und Geräusche beeinflussen unsere Gesundheit.

Auftakt der Open Lectures zu „Healing Soundscapes“

Aus dem Angebot „Healing Soundscapes“ ist die gleichnamige Veranstaltungsreihe Open Lectures entstanden, die an sechs Abenden verschiedene Themen zu heilenden Klängen aufgreift. Den Anfang macht Andrew Rossetti aus New York. Er kommt am 4. September ins ligeti zentrum nach Hamburg-Harburg und hat uns im Vorfeld drei Fragen beantwortet. Darin geht es um die Möglichkeiten der “Environmental Music Therapy”. Das Interview ist auf Englisch. Eine deutsche Übersetzung findet sich unten.

Wer sich für den Vortrag von Andrew Rossetti am 4. September um 18 Uhr interessiert, kann sich dafür kostenlos anmelden.

Andrew Rossetti, how would you explain the topic of your presentation to a ten-year-old child in a few words?

Andrew Rossetti: The presentation will explore a type of music therapy called “Environmental Music Therapy” that is used in hospitals to change how patients and hospital staff feel about the hospital environment itself. This happens by improvising music that connects to those people and changes the way they feel, much like a movie soundtrack does.

Why is this topic important to you and what value does it have for people?

Andrew Rossetti: I am the director of music therapy for cancer patients in the Mount Sinai Healthcare System, which includes numerous hospitals. I serve those patients, and part of my job is to help them feel comfortable and safe – something that does not always occur in hospitals. Environmental music therapy uses patients response to live music therapy interventions and how it changes their mood and perception of the hospital experience to help them feel safer, more comfortable and less anxious.

What is your motivation for taking part in the Open Lectures Healing Soundscapes as a speaker?

Andrew Rossetti: I am enthusiastic about EMT. I am interested in sharing what I know about this modality to make it available to more people. I have conducted numerous clinical studies on its use in hospital units with fragile patients, and have written a number of works that have been published and read by quite a few people. The research validates it use in clinical settings, and I have seen first hand how it has helped my patients have less anxiety and distress, and avoid feeling traumatized by the medical treatment they receive.

Anführungszeichen in den Farben des HOOU-Themes
Ich habe direkt gesehen, dass die “Environmental Music Therapy” meinen Patientinnen und Patienten geholfen hat, weniger Angst und Sorgen zu haben. Außerdem können wir so vermeiden, dass sie sich durch die Behandlung traumatisiert fühlen.
Andrew Rossetti

Deutsche Übersetzung des Interviews

Wie erklärst du einem 10-jährigen Kind in wenigen Worten das Thema deines Vortrags?

Andrew Rossetti: Mein Vortrag befasst sich mit einer Art Musiktherapie, die wir “Environmental Music Therapy”, also Umgebungsmusiktherapie, nennen und in Krankenhäusern einsetzen. Wir nutzen sie, um die Gefühle der Patientinnen und Patienten sowie des Krankenhauspersonals auch im Bezug auf die Klinikumgebung zu verändern. Dies schaffen wir durch improvisierte Musik, die eine Verbindung zu diesen Menschen aufbaut und die Art ihrer Empfindungen verändert – ähnlich wie ein Filmsoundtrack.

Warum ist dieses Thema für dich wichtig und welchen Wert hat es für die Menschen?

Andrew Rossetti: Ich bin Leiter der Musiktherapie für Krebspatientinnen und -patienten im Mount Sinai Healthcare System, zu dem viele Krankenhäuser gehören. Ich kümmere mich um diese Patienten, und ein Teil meiner Arbeit besteht darin, ihnen zu helfen, sich wohl und sicher zu fühlen, was in Krankenhäusern nicht immer der Fall ist. Die “Environmental Music Therapy” nutzt die Reaktion der Patienten auf musiktherapeutische Interventionen und wie diese ihre Stimmung und Wahrnehmung des Krankenhauses verändern. Sie sollen sich sicherer, wohler und weniger ängstlich fühlen.

Was ist deine Motivation, dein Wissen als Referent bei den Open Lectures Healing Soundscapes weiterzugeben?

Andrew Rossetti: Ich bin begeistert von der “Environmental Music Therapy”. Ich möchte mein Wissen weitergeben, um sie mehr Menschen zugänglich zu machen. Ich habe zahlreiche klinische Studien über die Anwendung dieser Methode in Krankenhäusern mit sensiblen Patientinnen und Patienten durchgeführt und eine Reihe von Büchern geschrieben. Und die Forschung bestätigt den Einsatz in klinischen Umgebungen. Ich habe direkt gesehen, dass die “Environmental Music Therapy” meinen Patientinnen und Patienten geholfen hat, weniger Angst und Sorgen zu haben. Außerdem können wir so vermeiden, dass sie sich durch die Behandlung traumatisiert fühlen.

Über Andrew Rossetti

Andrew Rossetti PhD, MT-BC, LCAT, is a clinician, educator, researcher, solicited international speaker, and director of the Louis Armstrong Center for Music & Medicine’s multi-site Music Therapy Program in Oncology at Mount Sinai Beth Israel Medical Center. His clinical practice in medical music psychotherapy is grounded in oncology, and includes procedural support for surgery, symptom management in infusion suites and radiation oncology, and the treatment of trauma and post-traumatic stress. His practice extends to intensive care in fragile areas, such as neonatal ICUs and oncology waiting rooms where he specializes in Environmental Music Therapy. His current research includes grant funded projects from the National Endowment for the Arts, and the National Institute of Health. His work as a consultant has led him to help design and implement music therapy programs in a number of hospitals in Europe. Dr. Rossetti is an international lecturer and has been a frequent invited and keynote speaker at conferences and universities in the US, Asia, South America, Europe, Africa, and Canada. He is the Executive Committee Secretary for the International Association for Music & Medicine, and chair of its ethics committee. Dr. Rossetti is on the faculty of Montclair State University, and the University of Barcelona. His work has been featured in the NY Times, NPR’s Science Friday, and the NBC and CBS national television networks.

Zu sehen sind zwei Hände, die eine Pflanze halten.

Bild: Noah Buscher/Unsplash

28.08.2024 | Meena Stavesand

Nachhaltigkeit: Mache dich und die Welt fit für die Zukunft

Das Wissen über Nachhaltigkeit und den Klimawandel ermöglicht es uns, Wege zu finden, um besser auf unsere Umwelt aufzupassen und eine Zukunft zu gestalten, die nachhaltig und stark ist. Unsere Lernangebote drehen sich um Abfallwirtschaft, Mobilität, Verkehr, Klimawandel und weitere spannende Themen!

BioCycle: Aus Abfall wird Energie

Gemüseschalen würden wir normalerweise wegschmeißen. Doch wir können sie umweltfreundlich nutzen. Das Lernangebot der TU Hamburg erklärt den Ansatz von BioCycle. Dabei wird das, was wir als Abfall betrachten, in etwas Wichtiges verwandelt: in Energie und Nährstoffe. Unser Kurs erläutert dir, wie du gezielt zu Hause deinen Müll für eine weitere Nutzung sortierst, wie gescheite Sammelsysteme aussehen und wie aus Essensresten Biogas und Kompost wird.

ZUM KURS

„CliMap-HEALTH“: So beeinflusst das Klima unsere Gesundheit

Durch eine interaktive Weltkarte erfährst du, wie Klima und Umwelt unsere Gesundheit beeinflussen. Ohne das Wissen zu gesundheitlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen des Klimawandels ist die langfristigen Wahrung unserer Gesundheit nicht zu bewältigen. Das Lernangebot der HAW Hamburg zieht Fallstudien aus dem Jemen oder von den Fidschi-Insel heran, um mehr über wasserbedingte Krankheiten wie Cholera oder durch Mücken übertragbare Erkrankungen wie dem Zika-Virus zu erfahren.

ZUM KURS

MobilCast: Wandel im Mobilitätssektor

Im Mobilitätssektor wird es in technischer und gesellschaftlicher Hinsicht einen großen Wandel geben. Getrieben wird diese Entwicklung durch Bestrebungen zur Begrenzung von Treibhausgasemissionen, weswegen erneuerbare Energien eine besondere Rolle spielen werden. Der Podcast der TU Hamburg beschäftigt sich mit diesen Entwicklungen im Mobilitätssektor.

ZUM KURS

Green Hydrogen: So wichtig ist grüner Wasserstoff

Grüner Wasserstoff ist ein Begriff, der oft auftaucht, wenn es um nachhaltige Energieträger geht. Wie wichtig dieses Green Hydrogen ist, stellt das Lernangebot der TU Hamburg heraus. Darin erfährst du, wie Wasserstoff hergestellt, gespeichert, transportiert und genutzt werden kann und warum grüner Wasserstoff so wichtig für die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare, treibhausgasneutrale Energieträger ist.

ZUM KURS

Schule der Folgenlosigkeit: Über den Zustand der Welt nachdenken

Die Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) lädt mit einer App zum spielerischen Selbstversuch ein. Sie richtet sich an alle, die über den Zustand unserer Welt nachdenken und verstehen wollen, wie die eigene Lebenswirklichkeit mit dem Klimawandel, den gesellschaftlichen und politischen Strukturen verbunden ist. Es geht um Aufgaben wie Warten, Entscheidungen abgeben oder Solidarität.

ZUM KURS

How to change a running system: Kreatives Storytelling zum Klimawandel

Ein Team aus Wissenschaftler:innen und Selbstständigen aus der Kreativbranche hat sich zusammen getan, um die Story der Energiewende so zu erzählen, dass es Lust macht, sich mit ihr auseinander zu setzen und vielleicht sogar Impulse für das eigene Handeln, in welchem Maße auch immer, zu setzen. Das Lernangebot bündelt den aktuellen Wissensstand mit einem visuellen Konzept, das Spaß machen und Neugier wecken soll.

ZUM KURS

Let’s Talk Climate!: Klimawandel als Belastung für die Menschen

Hitze, Extremwetterlagen, vermehrte Allergien, neuartige Infektionskrankheiten – die Bedrohung unserer Gesundheit durch den Klimawandel ist vielschichtig. Die Zunahme heißer Tage über 30 Grad – insbesondere über einen längeren Zeitraum – stellt eine Herausforderung und Belastung für den Menschen dar. Darum spricht das kostenlose Lernangebot Let’s Talk Climate! der HAW Hamburg vorrangig Studierende der Gesundheitswissenschaften und Public Health sowie Studierende beziehungsweise Auszubildende der Gesundheitsversorgungsberufe wie Pflege- bzw. Pflegewissenschaften, Medizin, Physiotherapie in der tertiären Bildung an. Wer den Kurs durchläuft, erwirbt ein grundlegendes Verständnis zu den direkten und indirekten Einflüssen klimatischer Veränderungen auf die menschliche Gesundheit. 

ZUM KURS

RUVIVAL: Ein gesunder Boden ist überlebenswichtig

Boden, Wasser- und Ernährungssicherheit sind stark miteinander verknüpft. Gute Bodenqualität, also ein gesunder Boden, ist eine der wichtigsten Grundlagen für die Nahrungsmittelproduktion und damit für unser Überleben. Auf immer weniger Fläche lässt sich Nahrung anbauen, während die Zahl der Menschen auf der Erde weiter steigt. Dies bringt eine besondere Herausforderung mit sich, der wir uns stellen müssen. In unserem Lernangebot „RUVIVAL“ zeigen wir Wissenswertes zu Boden, Wasser und auch Ernährung. Es geht dabei um an Anbau von Lebensmitteln, aber auch um den nachhaltigen, ökologischen Hausbau.

ZUM KURS

WATTwanderungen: Erlebnislernen an spannenden Orten

Bei den WATTwanderungen in Hamburg der TU Hamburg erwandern wir Orte in und um Hamburg, an denen erneuerbare Energien erzeugt werden. Dort wollen wir uns aus kulturell-künstlerischen und technologischen Perspektiven mit den Chancen und Herausforderungen der Energiewende auseinandersetzen. Watt in seiner Bedeutung als Maßeinheit steht sowohl für die Leistung als auch für das Ziel unserer Wanderungen. Wanderung verstehen wir als gemeinsame Bewegung hin zu neuen Orten der Energieerzeugung, an denen wir spielerisch unsere Gewohnheiten reflektieren und über Alternativen nachdenken wollen.

ZU DEN VERANSTALTUNGEN

Frau steht auf einem Feld und breitet froh die Arme aus. Es soll symbolisieren, dass sie trotz Pollenflug frei atmen kann.

Bild: Alfonso Cerezo/Pixabay

21.08.2024 | Meena Stavesand

Volkskrankheit Asthma: Betroffene können mit der richtigen Therapie beschwerdefrei leben

Laufende Nase, tränende Augen, immer wieder Nies- und Hustenanfälle – die Pollensaison plagt viele Menschen. Bei manchen hat die Allergie zu einem Asthma geführt. Daraus resultiert meistens eine lebenslange Therapie, aber die Patientinnen und Patienten seien dadurch auch weitestgehend symptomfrei, sagt der Facharzt für Pneumologie Dr. med. Sören Galow vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). „Unser Ziel ist es, dass die Betroffenen ein völlig uneingeschränktes Leben führen können.“ Dazu gehöre beispielsweise auch Sport. Wie das gelingt und wie Asthma überhaupt entsteht und diagnostiziert wird, erklärt Dr. Galow im Interview.

Dr. Galow hat an dem UKE-Lernangebot „Medizin. Online. Verstehen“ mitgewirkt. In diesem Onlineportal geht es um so genannte „Volkskrankheiten“ wie Asthma, aber auch Adipositas, Herz-Erkrankungen, Depressionen oder Epilepsie. Die Inhalte sind so aufbereitet, dass sie einen niederschwelligen Zugang zu den Informationen gewährleisten. Im Interview erläutert Dr. Sören Galow nochmals die wichtigsten Aspekte zum Thema Asthma und zu den Therapiemöglichkeiten.

Was ist eigentlich Asthma?

Dr. Sören Galow: Asthma bronchiale ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege, die in unterschiedlichen Formen auftreten kann und verschiedene Ursachen hat. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine so genannte bronchiale Hyperreagibilität. Das bedeutet, die Betroffenen haben ein überempfindliches Atemwegssystem. Durch diese Überempfindlichkeit kann es dann durch verschiedene Reize zu einer raschen Verengung der Atemwege kommen, die in ihrer Schwere sehr variabel sein kann. Diese so genannte Atemwegsobstruktion besteht in der Regel nicht dauerhaft, sondern tritt beim Asthma bronchiale klassischerweise anfallsartig auf.

Wie viele Menschen sind in Deutschland betroffen?

Dr. Sören Galow: In Deutschland sind etwa acht Millionen Menschen von einer Asthmaerkrankung betroffen. Es handelt sich beim Asthma somit um eine Volkskrankheit, die in der gesamten so genannten westlichen Welt und insbesondere in hochentwickelten Ländern häufig auftritt. Man kann die exakten Patienten- und Patientinnenzahlen zwischen verschiedenen Ländern oft nur bedingt vergleichen, weil viele Länder ganz eigene Grundlagen für die Datenerhebung nutzen.  

Es gibt allerdings definitiv ein deutliches Gefälle zwischen industriell hochentwickelten Staaten und sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern: Die Asthmahäufigkeit ist bei uns deutlich höher als zum Beispiel in Vietnam oder Peru. In den USA leiden wiederum prozentual – und somit natürlich auch in absoluten Zahlen – noch mehr Menschen als bei uns in Deutschland an einem Asthma.

Sind die Fallzahlen gestiegen?

Dr. Sören Galow: Über die letzten Jahre und Jahrzehnte hat die Zahl von Asthmatikerinnen und Asthmatiker in Deutschland stetig zugenommen, aber sind es wirklich mehr geworden oder schauen wir mittlerweile nur besser hin? In den letzten Jahren scheinen sich die Zahlen bei uns auf einem hohen Niveau zu stabilisieren. Dies ist eine Entwicklung, die wir in der gesamten westlichen industriellen Welt beobachten. In Schwellenländern und insbesondere in den Regionen der sogenannten Megacitys wie zum Beispiel Lagos, Dehli, Mumbai, Jarkata oder Sao Paulo steigen die Fallzahlen hingegen aktuell enorm an.

Was sind die Ursachen von Asthma?

Dr. Sören Galow: Es gibt verschiedene zugrundeliegende Ursachen für das Asthma bronchiale. Daraus resultiert eine Unterscheidung in verschiedene Formen des Asthmas. Wir unterscheiden ganz grundsätzlich zwischen einem allergischem und einem nicht-allergischem Asthma. Ein klassisches Beispiel: Der oder die Betroffene hat eine Pollenallergie. In der Pollensaison macht er eine Radtour, fährt an einem Feld vorbei, ist einer hohen Pollenkonzentration ausgesetzt und bekommt einen Asthmaanfall. Neben solchen saisonalen Allergien können aber auch ganzjährige Allergien wie zum Beispiel eine Haustaubmilbenallergie ein Asthma auslösen.

Demgegenüber sehen wir aber auch Patientinnen und Patienten mit einem Asthma, die keine solche nachweisbare Allergie haben. Die Allergie ist also nur eine von mehreren Ursachen, wenngleich die weitaus häufigste. Eine andere Variante: Patientinnen und Patienten ohne Allergie, aber mit klassischen Asthma-Symptomen, haben in ihrem Blut und in ihren Atemwegen eine erhöhte Zahl von sogenannten Eosinophilen (genauer: eosinophile Granulozyten, eine bestimmte Untergruppe der weißen Blutkörperchen). Diese Zellen können ebenfalls ein Asthma bronchiale verursachen, wir sprechen dann von einem eosinophilen Asthma. Die hier genannten Ursachen und Formen stellen allerdings nur einen groben Ausschnitt der aktuellen Erkenntnisse zur Ursachenerforschung und Einteilung des Asthmas dar.

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Nach meiner persönlichen Meinung spielt Luftverschmutzung in der Entstehung eines Asthmas eine untergeordnete Rolle. Es gibt allerdings sehr konkrete Hinweise darauf, dass das kindliche Aufwachsen auf einem traditionellen Bauernhof der Entwicklung eines allergischen Asthmas und ganz allgemein der Entstehung von Allergien vorbeugen kann.
Dr. Sören Galow, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Wie sieht es mit Umwelteinflüssen aus? Spielen die bei Asthma eine Rolle?

Dr. Sören Galow: Der Zusammenhang zwischen Umweltfaktoren bzw. Umwelteinflüssen wie Luftverschmutzung und Asthma werden zum Teil kontrovers diskutiert. Ob Luftverschmutzung oder andere klassische Umweltfaktoren ein Asthma bronchiale verursachen können, ist nicht restlos geklärt.

Nach meiner persönlichen Meinung spielt Luftverschmutzung in der Entstehung eines Asthmas eine untergeordnete Rolle. Es gibt allerdings sehr konkrete Hinweise darauf, dass das kindliche Aufwachsen auf einem traditionellen Bauernhof der Entwicklung eines allergischen Asthmas und ganz allgemein der Entstehung von Allergien vorbeugen kann. Man bezeichnet dies manchmal auch als sogenannten „Bauernhof-Effekt“. Sicher ist jedenfalls, dass individuell ungünstige Umweltbedingungen einen Asthmaanfall auslösen können. Wenn man also ein überempfindliches Bronchialsystem hat, kann beispielsweise Luftverschmutzung dazu führen, dass man Beschwerden bekommt.

Das heißt, ich habe diese Eigenschaft in meinem Körper, dass ich auf bestimmte Einflüsse überempfindlich reagiere, und dann bricht es aus.

Dr. Sören Galow: Genau, die Umweltbelastung kommt dann sozusagen oben drauf. Gleiches gilt für psychischen Stress oder zum Beispiel auch für sportliche Betätigung bei kalten Außentemperaturen. Das überempfindliche Bronchialsystem bildet die Grundlage und die Reize lösen dann Asthma-Symptome aus.

An welchen Symptomen erkenne ich Asthma?

Dr. Sören Galow: Die klassischen Symptome beim Asthma bronchiale sind anfallsartig auftretende Atemnot, Husten und ein – zumeist sehr zäher – Auswurf. Häufig berichten Betroffene auch über ein atemabhängiges Engegefühl in der Brust. Manchmal kann man außerdem sehr spezielle Atemgeräusche, z. B. ein sogenanntes Giemen und Brummen oder auch Pfeifen beim Ausatmen, wahrnehmen.

Häufigkeit und Ausprägung dieser Symptome sind sehr unterschiedlich und sie können allesamt in Kombination oder auch für sich allein auftreten. So ist es beispielsweise möglich, dass Husten zunächst das einzige Symptom eines Asthmas bleibt. Ein weiteres klassisches Erkennungsmerkmal, insbesondere für das allergische Asthma, ist zudem ein saisonales oder periodisches Auftreten. Einige allergische Asthmatikerinnen und Asthmatiker haben beispielweise nur Symptome, wenn auch gerade Pollensaison ist.

Was macht der Arzt oder die Ärztin, wenn ich solche Symptome habe?

Dr. Sören Galow: Zuerst machen wir eine Anamnese, das heißt, wir fragen nach den Beschwerden und der Leidensgeschichte unserer Patientinnen und Patienten. Daraus erfahren wir schon sehr viel und können einen Anfangsverdacht stellen. Es folgt dann eine klinische Untersuchung, die zum Beispiel das Abhören der Lunge und der Atemgeräusche beinhaltet. Der Goldstandard und häufig entscheidende Aspekt der Diagnostik ist dann die Lungenfunktionsuntersuchung. Wenn wir in dieser Untersuchung eine Verengung der Atemwege feststellen, testen wir mit atemwegserweiternden Medikamenten, ob diese eine Linderung bringen. Wenn wir mit unseren Medikamenten die Enge der Atemwege auflösen können, ist die Diagnose eines Asthmas bereits gesichert und wir können uns rasch der optimalen Behandlung zuwenden.

Nun ist es aber natürlich so, dass diese Lungenfunktionsuntersuchung nicht in der freien Natur bei starkem Pollenflug stattfindet, die Patientinnen und Patienten also in dem Moment der Untersuchung dem allergischen Auslöser für die Atembeschwerden nicht ausgesetzt sind. Dementsprechend werden wir in diesem Fall zum gegebenen Zeitpunkt auch keine Auffälligkeiten in der Lungenfunktion finden. Aber wenn wir eine gute Anamnese gemacht haben und von dem Patienten oder der Patientin wissen, dass er oder sie auf bestimmte Auslöser reagiert, können wir eine sogenannte Provokationstestung durchführen. Das bedeutet, wir lösen wiederrum mit speziellen Medikamenten einen Asthmaanfall aus und können dann hierüber die Diagnose stellen. Eine solche Untersuchung ist aber natürlich nicht ganz ungefährlich und sollte daher nur von Spezialistinnen und Spezialisten durchgeführt werden. In erfahrenen Händen kann solch eine Provokationsuntersuchung aber gefahrenlos und ohne Bedenken durchgeführt werden.

Wenn nach der Lungenfunktionsuntersuchung Zweifel an der Diagnose bestehen, müssen ggf. noch weitergehende Untersuchungen folgen, die auch andere Organsysteme wie zum Beispiel das Herz-Kreislauf-System genauer begutachten. Es gibt zum Beispiel ein sogenanntes „Asthma cardiale“. In diesem Fall sorgt einer Herzerkrankung für asthma-ähnliche Symptome. Herz und Lunge bilden eine funktionelle Einheit und arbeiten eng zusammen – wir dürfen also auch als Lungenärztinnen und Lungenärzte niemals die anderen Organe aus dem Blick verlieren – insbesondere wenn Untersuchungsbefunde nicht zu unserer Verdachtsdiagnose passen.

Auf dem Bild sind joggende Menschen zu sehen.
Eine Asthmaerkrankung ist kein Hindernis, Sport zu treiben. Bild: wal_172619/Pixabay

Wenn die Diagnose Asthma lautet, wie sieht dann die Therapie aus?

Dr. Sören Galow: In der Asthmatherapie hat sich in den letzten Jahren ein grundlegender Paradigmenwechsel vollzogen. Früher wurde die Behandlung des Asthmas als reine Symptombekämpfung verstanden. Heute geht es um Symptomvermeidung und Krankheitskontrolle. Wir wollen das Krankheitsbild positiv verändern, so gut und dauerhaft behandeln, dass es im Idealfall erst gar nicht mehr zu  Symptomen kommt. Um das zu erreichen, nutzen wie zum  Beispiel sogenannte antientzündliche Therapien, allen voran inhalative Kortikosteroide, also zu inhalierendes Kortisonspray. Durch die Wirkung des Kortions wird unter anderem der Entzündung in den Atemwegen entgegengewirkt.

Eine weitere Therapiemöglichkeit ist die Inhalation von antiobstruktiven bzw. bronchialerweiternden Medikamente. Diese werden beim Asthma in Kombination mit Kortison inhaliert und sorgen dann für eine zusätzliche Erweiterung der Bronchien.

Eine weitere wichtige Option ist die Allergen-Immuntherapie. Wenn wir eine bestimmte Allergie als auslösenden Faktor identifizieren können, gibt es in vielen Fällen die Möglichkeit der medikamentösen Desensibilisierung oder auch Hyposensibilisierung. Dabei wird versucht, die Allergie abzuschwächen oder dem Körper zu helfen, eine schrittweise Toleranz gegenüber dem Allergen zu entwickeln. Denn eine klassische Allergie ist vereinfacht gesagt nichts anderes als eine Überreaktion unserer Immunsystems. In einigen Fällen kann es infolge einer erfolgreichen Behandlung sogar gelingen, eine Allergie komplett verschwinden zu lassen. Die Allergen-Immuntherapie muss in der Regel über mehrere Jahre durchgeführt werden, wenngleich es aber zum Glück häufig bereits während der Behandlung zu einer Verbesserung allergischen Beschwerden kommen kann.

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Der Konsum von Tabakprodukten und anderen inhalativen Genussmitteln kann bei Asthmatikerinnen und Asthmatikern zu schwersten Asthmaanfällen und schlimmen, nicht rückgängig zu machenden Lungenschäden führen.
Dr. Sören Galow – Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Als weitere Möglichkeit verfügen wir über Antikörpertherapien, so genannte Biologika. Es handelt sich hierbei um sehr moderne Medikamente, mit denen wir gezielt versuchen, verschiedene das Asthma auslösende Botenstoffe im menschlichen Körper zu blockieren. Derzeit stehen uns in Deutschland und Europa sechs spezielle Antikörper für die Behandlung des Asthmas zur Verfügung. Diese Therapieform kommt gegenwärtig aber nur bei besonders schweren Fällen zum Einsatz, wenn es uns also nicht gelingt, das Asthma mit den inhalativen Medikamenten und einer Allergen-Immuntherapie erfolgreich zu behandeln. Die Antikörper werden in der Regel alle paar Wochen über eine kleine Spritze unter die Haut verabreicht.

Neben der medikamentösen Therapie ist es natürlich auch enorm wichtig, auslösende Faktoren soweit möglich zu vermeiden und auf potenziell lungenschädliche Dinge wie zum Beispiel Rauchen unbedingt zu verzichten. Ein wichtiger Satz dazu: Der Konsum von Tabakprodukten und anderen inhalativen Genussmitteln kann bei Asthmatikerinnen und Asthmatikern zu schwersten Asthmaanfällen und schlimmen, nicht rückgängig zu machenden Lungenschäden führen.

Gibt es Abstufungen bei der Schwere des Asthmas?

Dr. Sören Galow: Ja, unsere Therapie orientiert sich führend an der Schwere des Asthmas. Die Therapie erfolgt hierbei nach einem Stufenkonzept. Es gibt fünf Stufen – je höher die Stufe, desto schwerer das Asthma und desto schärfer die Therapie. Viele Betroffene  benötigen eine Behandlung der so genannten dritten Therapiestufe, also eine dauerhafte Inhalationstherapie mit niedrigen bis moderaten Dosen Kortison und einer zusätzlichen bronchienerweiternden Medikamenten. Wenn man dann feststellt, dass das Asthma hierunter vollständig kontrolliert ist, kann man im Verlauf auch eine Stufe runtergehen und erhält die kombinierte Inhalationstherapie nur bei Bedarf – wenn zum Beispiel Allergiesaison ist. Das Ganze geht aber natürlich auch in die andere Richtung: Wenn eine Therapie nicht ausreicht, das Asthma also nicht vollständig oder nur teilweise kontrolliert wird, steigen wir mit dem Patienten bzw. der Patientin eine Therapiestufe nach oben und erhöhen dann die Dosen der Inhalationstherapie oder setzen in besonders schweren Fällen auch Antikörper (Biologika) ein. Zum Glück sind diese schweren Fälle von Asthma sehr selten. Die allermeisten Patientinnen und Patienten können wir mit inhalativen Therapien sehr gut behandeln.

Müssen alle Asthmatikerinnen und Asthmatiker ihr Leben lang behandelt werden?

Dr. Sören Galow: Asthma ist eine chronische Erkrankung, die entsprechend auch lebenslang behandelt werden muss. Wir passen die Therapie aber natürlich immer wieder an, wenn der Krankheitsverlauf es zulässt. Kann man vielleicht die Dosis reduzieren, kann man vielleicht auf eine Bedarfstherapie umstellen? Das Behandlungskonzept muss gemeinsam regelmäßig hinterfragt werden, da sich die Krankheitsschwere und Krankheitsaktivität im Verlauf eines Lebens ändern kann – in die eine wie auch in die andere Richtung.

Um ihre Frage aber noch einmal konkret zu beantworten: Ja, ein Asthma muss lebenslang ärztlich überwacht und auch behandelt werden – manchmal nur saisonal bei Pollenflug, aber trotzdem lebenslang. Darauf muss man sich als Asthmatiker oder Asthmatikern einstellen. Das fordert natürlich eine Menge Ausdauer und Disziplin seitens der Betroffenen in Bezug auf die Medikamenteneinnahme, wird aber in den allermeisten Fällen auch mit einer vollständigen Beschwerdefreiheit belohnt.

Kann ich trotz Asthma problemlos Sport treiben?

Dr. Sören Galow: Ja! Unser oberstes Behandlungsziel ist es, dass unsere Patientinnen und Patienten ein völlig uneingeschränktes Leben führen können – und dazu gehört auch Sport. Es gibt Spitzensportlerinnen und Spitzensportler, die trotz Asthma zu 100 Prozent leistungsfähig sind. Wenn Betroffene bei sportlichen Aktivitäten welcher Art auch immer, Luftnot verspüren, sollten sie dies unbedingt mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin thematisieren und besprechen. Mit einer modernen und individuellen Asthmatherapie sind den eigenen Zielen bereits heute kaum Grenzen gesetzt. Und wahrscheinlich werden wir Asthma bronchiale in Zukunft immer besser und individueller behandeln können.

Über Dr. Sören Galow

Dr. med. Sören Galow ist Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie und als Funktionsoberarzt in der Abteilung für Pneumologie (Chefarzt: PD Dr. med. Hans F. E. Klose) im UKE tätig. In dieser Funktion leitet er unter anderem die Spezialsprechstunde für schweres Asthma bronchiale. Neben der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit schwerem Asthma beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit der Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Lungenhochdruckerkrankungen (Pulmonale Hypertonie), Lungenfibrosen, Sarkoidose sowie der Vor- und Nachbetreuung im Rahmen einer Lungentransplantation. Das Team der Pneumologie ist fester Bestandteil des Martin-Zeitz-Centrum für seltene Erkrankungen (Centrum für seltene Lungenerkrankungen) sowie des universitären Transplantationszentrums des UKE.

Lizenzhinweis für das Interview: CC BY 4.0 

Zu sehen ist ein Ohr einer Frau, die liegt.

Bild: Hayes Potter/Unsplash

09.08.2024 | Meena Stavesand

Musiktherapeutin erklärt, wie Geräusche unsere Gesundheit beeinflussen

Kann eine angenehme Geräuschkulisse unsere gesundheitlichen Beschwerden lindern und bei der Genesung helfen? Ja, Klänge beeinflussen uns. Doch wie können wir gerade in Krankenhäusern oder Arztpraxen diese "Hilfe" nutzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Bildungsangebot "Healing Soundscapes" des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Hochschule für Musik und Theater (HfMT). Die Musiktherapeutin Dr. Pia Preißler ist für das Projekt verantwortlich und erklärt im Interview, warum Klänge für uns Menschen wichtig sind, warum uns manche negativ und andere positiv beeinflussen.

Außerdem spricht Pia Preißler darüber, wo sie noch Handlungsbedarf in den Einrichtungen sieht, und macht auf ein besonderes Angebot aufmerksam. Das Thema „Healing Soundscapes“ – heilende Klanglandschaften – wird in einer gleichnamigen Veranstaltungsreihe aufgegriffen. Bei den Open Lectures bringen Expertinnen und Experten ihre Ideen den Menschen näher. Da geht es um Klänge auf der Frühgeborenenstation oder um Klangerlebnisse, die Menschen aus der Isolation wieder in Kontakt mit ihrer Umwelt bringen sollen.

Die Open Lectures sind kostenlos und finden als Reihe im ligeti-zentrum in Harburg statt. Die Reihe beginnt am 4. September mit Andrew Rossetti und dem Thema „Environmental Music Therapy (EMT): Modulating Soundscapes in the Hospital Environment“. Dieser Vortrag wird auf Englisch gehalten. In der Reihe folgen Vorträge in deutscher Sprache.

Wann hast du das letzte Mal die Geräusche deiner Umgebung intensiv wahrgenommen und welches Geräusch ist dir dabei in Erinnerung geblieben?

Dr. Pia Preißler: Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten brauchen eine „Feinhörigkeit“ für ihre Arbeit. In meinem Studium damals hat uns mein Professor mit Hörspaziergängen und anderen Hörübungen diese Sensitivität vermittelt und sozusagen die Ohren geöffnet. So habe ich eigentlich fast immer das Hören präsent, manchmal zum Leidwesen, wenn es um mich herum lärmt, aber oft auch mit kleinen netten Momenten. Gestern war ich im UKE und kurz nach dem Rettungshubschrauber riefen ein paar Möwen hinunter. Für einen Moment habe ich mir vorgestellt, an einem schönen Platz am Meer zu sitzen.

Warum können Geräusche für Menschen heilsam sein?

Dr. Pia Preißler: Geräusche verstehen wir als Klänge. Viele davon sind bei Menschen mit guten Erinnerungen verbunden. Sie in der Gegenwart wieder zu hören, kann uns an die daran geknüpften positiven Emotionen erinnern. Das ist ein Ansatz, der auf konkrete, individuell bedeutsame Klänge fokussiert.

Für die „Healing Soundscapes“ suchen wir nach übergreifenden Klangeigenschaften, nach Prinzipien, die die eingespielten Klänge für möglichst viele Hörende angenehm machen und ihnen ein Gefühl von Zugehörigkeit zum Raum, Verbundenheit, „Helle und Wärme“, entspannter Wachheit geben. Eine solche Atmosphäre, die wir im Krankenhaus damit schaffen möchten, unterstützt indirekt die Heilung, die Menschen dort zu finden hoffen.

Ein Mann misst die Geräusche in einem Krankenzimmer.

Wie kann eine solche heilsame Geräuschkulisse etwa in Krankenhäusern gelingen? Was müssen Institutionen dafür unternehmen?

Dr. Pia Preißler: Oft ist es wichtig, als ersten Schritt den Lärm mit bestimmten Maßnahmen zu reduzieren. Denn es macht keinen Sinn, einen noch lauteren musikalischen Reiz (auch wenn er noch so schön ist) in eine solche Umgebung zu geben. Das wäre nur ein weiterer Stressfaktor für die Menschen dort. Wir haben zu Beginn unseres Projektes zum Beispiel darum gebeten, den wummernden Snackautomaten aus dem Wartebereich in den Vorraum zu verschieben. In Neubauten kann die Akustik im Sinne eines Healing Environments mitgeplant werden. In Bestandsbauten sind akustische Nachbesserungen möglich.

Abgesehen vom Budget jedoch ist die Aufgeschlossenheit der Klinikleitung und der Mitarbeitenden natürlich entscheidend. Es braucht ein Bewusstsein in der jeweiligen Klinik, dass das akustische Wohlbefinden – sowie die anderen Sinneswahrnehmungen – im Selbstverständnis einer Gesundheitseinrichtung eine hohe Bedeutung hat.

Was wird aktuell in den Institutionen getan und wo gibt es Handlungsbedarf?

Dr. Pia Preißler: Es gibt einzelne Maßnahmen, um den Lärm zu mindern, aber, so wie ich es beobachte, noch nicht systematisch. Bei einzelnen medizinischen Prozeduren wird den Patientinnen und Patienten eine „individuelle Musik“ über Kopfhörer angeboten. Oft erklingt in Warte- und Arbeitsbereichen unhinterfragt Radiomusik.

Ich denke, es fehlt eine Reflektion, ob das für alle so gut ist, und es fehlen noch Alternativen – wie wir sie mit den raumbezogenen Klängen gerade entwickeln. Entscheidend ist, dass wir in der Entwicklung der Idee die Perspektive der Patientinnen und Patienten sowie der Mitarbeitenden mit einbeziehen. Ich glaube, dass durch Gespräche mit den Anwesenden und Vorträge über das Thema schon vieles ins Bewusstsein gerät. Vielleicht wäre auch ein Hörspaziergang im UKE eine schöne Unternehmung.

UKE und HfMT haben gemeinsam das Lernangebot „Healing Soundscapes“, das nun als Veranstaltungsreihe in Open Lectures thematisiert wird. Wie erklärst du den Inhalt einem Kind?

Dr. Pia Preißler: Im Krankenhaus muss man manchmal lange warten. Das ist oft sehr langweilig und außerdem hat man vielleicht Schmerzen oder Angst vor dem, was einen erwartet. Und wenn man dann noch in einem lauten und ungemütlichen Raum sitzt, wo man sich gar nicht wohlfühlt, macht es die Sache noch schlimmer. Wir versuchen gerade, solche Situationen zu verbessern.

Unsere Idee ist, dass wir schöne Klänge in die Räume einspielen. Keine Musik, wie du sie vielleicht kennst, sondern einzelne Klänge, die kommen und gehen, man kann hin- und weghören. Wir hoffen, dass das den Menschen gut tut. Da wir diese Idee gerade noch entwickeln, hilft es uns, uns mit anderen Kolleginnen und Kollegen, die ähnliches machen, auszutauschen. Diese haben wir im Rahmen einer offenen Vorlesung eingeladen, damit sie uns etwas von ihrer Arbeit erzählen.

Andrew erzählt uns davon, wie er als Musiker in die Frühgeborenenstation geht und dort mit seiner Gitarre ein paar Klänge in den Raum spielt, um die Atmosphäre zu verbessern. Antti berichtet von einem Kinderkrankenhaus in Helsinki, für das er mit seinen Studierenden ganze Klanglandschaften entworfen hat. Marie wird uns ihre Ideen vorstellen, wie es gelingt, Patientinnen und Patienten durch Klänge aus der Isolation wieder in Kontakt mit ihrer Umgebung zu bringen.

Zu sehen ist ein Wartebereich im Krankenhaus.

Warum sind diese Themen wichtig für dich und welchen Wert haben sie für die Menschen?

Dr. Pia Preißler: Ich erlebe selbst, wie wichtig die akustische Umgebungsqualität für mein Wohlbefinden ist. Und durch meine Arbeit im Krankenhaus weiß ich um die Belastung durch Lärm oder unschöne Geräusche – oder eben auch um die Belastung durch die Abwesenheit angenehmer Geräusche. Es gibt einzelne Beispiele aus anderen Krankenhäusern, in denen ein Healing Environment umgesetzt wurde, die mich auf gute Weise beeindrucken.

Ein Teil einer solchen Vision umsetzen zu können und damit etwas für Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende zu verbessern, ist eine schöne Aufgabe. Und ich bin sehr gespannt, zu welchen Erkenntnissen wir in unserem Projekt noch kommen werden, welche Klänge sich eignen und wie sie in Bezug zum Raum ihre Wirkung entfalten werden.

Über Dr. Pia Preißler

Dr. phil. Pia Preißler ist Diplom-Musiktherapeutin und leitet seit 2023 das Teilprojekt Healing Soundscapes am UKE. Dieses Projekt ist Teil des Clusters Musik & Gesundheit im ligeti zentrum, eines im Rahmen der Innovativen Hochschule vom BMBF geförderten Hochschulverbundprojektes. Sie schloss ihr Musiktherapiestudium an der HfMT in 2008 ab und arbeitet und forscht seitdem am UKE mit dem Schwerpunkt Musiktherapie in der Psychoonkologie. An der HfMT lehrt sie zu den Themen Healing Soundscapes, Rezeptive Musiktherapie und Berufsfelderkundung. 

Das Bild zeigt die Malediven. Zu sehen ist türkisblaues Meer und ein weißer Sandstrand mit Bäumen.

Traumhaft schön: die Malediven. Bild: Dion Tavenier/Unsplash

30.07.2024 | Meena Stavesand

Nachhaltigkeit im Urlaub: So helfen wir Umwelt und Menschen

Nachhaltiger Tourismus – was bedeutet das eigentlich? In den Sommerferien zieht es viele Menschen in ferne Länder. Sie möchten neue Kulturen entdecken, im Ozean baden oder durch den Dschungel wandern. Es gibt viele Möglichkeiten, den Urlaub zu gestalten. Doch sollten wir angesichts des Klimawandels unseren ökologischen Fußabdruck dabei im Blick haben? Die Politik beschäftigt sich zwar seit den 1990er Jahren und dem Aktionsprogramm Agenda 21 mit dem Thema Nachhaltigkeit, doch erst Jahre später spielt dabei auch der Tourismus eine Rolle.

Erst seit wenigen Jahren hören wir immer öfter von der Klimakrise oder sogar von der Klimakatastrophe, die auf uns zukommt, wenn wir nicht verstärkt an unserem Verhalten arbeiten. Die Forderungen von Initiativen wie Fridays for Future richten sich dabei vor allem an die Politik, an die Industrie, an die Big Player in der Welt. Doch auch jeder einzelne kann zur Entlastung des Klimas beitragen. Sei es beim Essen, bei der täglichen Fahrt zur Arbeit – oder beim Urlaub. Das Bewusstsein für eine Welt, in der wir auch zukünftig alle noch leben können, sollte jeder verinnerlichen.

Es braucht in jedem Fall bessere Strategien, damit die besonderen Flecken auf der Erde weiterhin bestehen und wir sie auch zukünftig bereisen können. Hier ist vor allem die Politik gefragt.

Große Herausforderungen vieler Urlaub-Hotspots

Die Malediven, Barbados oder die Seychellen sind solche traumhaften Reiseziele, zu denen viele Menschen das ganze Jahr über fliegen. Das ist gut, denn die Inseln leben vom Tourismus, doch diese Abhängigkeit birgt auch Risiken. In unserem Lernangebot „Sustainable Tourism for Small Island Developing States“ der HAW Hamburg geht es um die so genannten Inselentwicklungsländer – Small Island Developing States (SIDS). Trotz ihrer strahlend schönen Strände und der atemberaubenden Natur stehen diese Länder vor großen Herausforderungen.

Als einer der am schnellsten wachsenden Sektoren der Welt hat sich der Tourismus in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren für viele SIDS entwickelt. Allerdings ist der Tourismus mit Risiken für diese empfindlichen Ökosysteme verbunden. Darüber hinaus sind viele SIDS aufgrund ihrer Größe und geografischen Lage mit Schwachstellen konfrontiert, die ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Tourismusbranche einschränken.

Zu sehen ist eine Schildkröte, die von einem Menschen am Kopf berührt wird.
Der Tourismus kann auch bei der Tier- und Pflanzenwelt Spuren hinterlassen. Bild: Daria Kraplak/Unsplash

In Anbetracht dieser Herausforderungen besteht ein Bedarf an gut formulierten Strategien, Vorschriften und Standards im Tourismussektor. Hier spielen die politischen Entscheidungsträger eine Schlüsselrolle bei der Förderung des Übergangs zu einem nachhaltigen Tourismus. Mit unserem kostenlosen englischsprachigen Lernangebot erfährst du mehr darüber und über die SIDS allgemein. Am Ende bekommst du auch eine Teilnahmebestätigung, dass du den Kurs durchlaufen hast.

Geschichte des nachhaltigen Tourismus

Obwohl wir erst in der jüngsten Zeit über die Klimaprobleme intensiv informiert werden, reicht die Geschichte des nachhaltigen Tourismus viel weiter zurück.

In den 1990er Jahren begannen internationale Organisationen sich dem Thema Umwelt anzunehmen. 1992 wurde auf der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in brasilianischen Rio de Janeiro das Konzept der Agenda 21 vorgestellt, das einen Fahrplan für nachhaltige Entwicklung in verschiedenen Sektoren darstellte. Diese Konferenz wird auch als „Earth Summit“ bezeichnet.

Sie diskutierten über den Zustand der Umwelt und über die Maßnahmen, die notwendig sind, um die Auswirkungen der Entwicklung auf die natürliche Welt im Hinblick auf eine nachhaltige Zukunft zu verringern. Die Tourismusindustrie als Instrument der wirtschaftlichen Entwicklung wurde damals noch nicht diskutiert. Anders war dies 2002.

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Was ist die Agenda 21?<br>Die Agenda 21 stellt einen umfassenden Aktionsplan der Vereinten Nationen (UN) dar, der 1992 auf dem „Earth Summit“ verabschiedet wurde. Die Agenda 21 fungiert als globaler Fahrplan für nachhaltige Entwicklung und zielt darauf ab, die Umwelt und die Lebensqualität weltweit zu optimieren. Die Agenda 21 umfasst eine Vielzahl von Themen, welche in 40 Kapiteln behandelt werden. Es geht etwa um die Bekämpfung von Armut, um Gesundheitsförderung, um Konsumverhalten oder um Biodiversität und Wasservorräte.

Auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im südafrikanischen Johannesburg wurden die seit 1992 erzielten Fortschritte bewertet und die Zukunftsperspektiven erörtert. In den letzten zehn Jahren hat sich die internationale Reise- und Tourismusbranche als starke Kraft für wirtschaftliche und nachhaltige Entwicklung erwiesen. Es herrscht Einigkeit darüber, ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte in die Tourismusentwicklung zu integrieren.

2017 – Jahr des nachhaltigen Tourismus für Entwicklung

Im Jahr 2017 haben die Vereinten Nationen das Internationale Jahr des nachhaltigen Tourismus für Entwicklung ausgerufen. In ihrer Resolution haben sie die wichtige Rolle des nachhaltigen Tourismus als Instrument zur Beseitigung der Armut, zum Schutz der Umwelt, zur Verbesserung der Lebensqualität und zur wirtschaftlichen Stärkung von Frauen und Jugendlichen sowie seinen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, insbesondere in Entwicklungsländern, anerkannt (Center of Responsible Tourism, 2017).

Heute hat die Nachhaltigkeit alle Branchen erreicht, und der Tourismus wird als lebensfähiger Wirtschaftszweig angesehen, der zur Erfüllung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) beiträgt.

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Was sind die SDGs?<br>Die Sustainable Development Goals (SDGs) spielen in der Agenda 2030 eine zentrale Rolle. Die Agenda 2030 ist ein globaler Rahmenplan für nachhaltige Entwicklung, der 2015 von den Vereinten Nationen (UN) verabschiedet wurde. Im Gegensatz zur Agenda 21, die als ein umfassendes Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert entwickelt wurde, zielt die Agenda 2030 darauf ab, bis zum Jahr 2030 konkrete Fortschritte in verschiedenen Bereichen der nachhaltigen Entwicklung zu erzielen. Kernstück der Agenda 2030 sind die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die auf 169 Unterziele verteilt sind.

Diese Grafik zeigt die Ziele der SDGs: Keine Armut, kein Hunger, Gesundheit und Wohlergehen, Hochwertige Bildung, Geschlechtergleichheit, Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen, Bezahlbare und saubere Energie, Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, Industrie, Innovation und Infrastruktur, Weniger Ungleichheiten, Nachhaltige Städte und Gemeinden, Nachhaltige/r Konsum und Produktion, Maßnahmen zum Klimaschutz, Leben unter Wasser, Leben an Land, Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen, Partnerschaften zur Erreichung der Ziele.
Die 17 Ziele der Sustainable Development Goals.

Zusammengefasst zeigt die Geschichte des nachhaltigen Tourismus einen klaren Trend hin zu einer bewussteren und verantwortungsvolleren Praxis im globalen Tourismussektor. Dies wird durch eine internationale Zusammenarbeit und politische Engagements unterstützt. In unserem kostenlosen englischsprachigen Lernangebot kannst du nicht nur die Geschichte dahin nachverfolgen, sondern hörst auch von Expertinnen, wie wichtig nachhaltige Strategien für den Tourismus der SIDS sind. Nimm jetzt teil und erhalte am Ende eine Bestätigung über dein neu erlangtes Wissen!

Ein KI generiertes Bild von einem weiblichen Kopf an dem eine Waage hängt, surrealistisch

Bild: Midjourney

24.07.2024 | Meena Stavesand

Generative KI: Das musst du über Urheberrecht, Datenschutz und Transparenz wissen

ChatGPT, Co-Pilot, Midjourney, Dalle-E oder auch DeepL - das alles sind KI-Generatoren für Texte und Bilder, die künstliche Intelligenz in die Gesellschaft gebracht haben. Jeder kann sich an generativer KI versuchen, Texte, Bilder und Videos erstellen und veröffentlichen. Aber wie sieht es mit Urheberrecht und Datenschutz aus? Was darf wie genutzt werden? Wann muss man KI-generierte Inhalte kennzeichnen? Und welche Verantwortung trägt man bei der Arbeit mit KI-Generatoren? Diese Fragen haben wir der Juristin Andrea Schlotfeldt von der HAW Hamburg gestellt. Herausgekommen ist ein spannendes Interview, in dem es auch um den neuen AI Act der EU geht.

Thema Urheberrecht. Inwieweit kann es bei Erstellung und Nutzung von KI-Inhalten zu Urheberrechtsverletzungen kommen?

Andrea Schlotfeldt: Die Wahrscheinlichkeit, hierbei fremde Urheberrechte zu verletzen, ist an sich gering. Es verbleibt aber ein Restrisiko. Hierfür ist die Art des gewählten Prompts relevant und, ob ich den KI-Output noch weiterbearbeite und falls ja, in welchem Umfang. Lasse ich einen noch geschützten fremden Text übersetzen und veröffentliche ich diese Übersetzung, kann darin eine Urheberrechtsverletzung liegen. Ebenfalls wenn ich ein fremdes Bild hochlade, durch die KI geringfügig verändere und dann neu veröffentliche.

Eine Urheberrechtsverletzung kann allerdings auch zufällig bzw. unbewusst vorkommen, auch je nach zugrunde liegendem Trainingsmaterial. Sofern KI-Output mit bestehenden fremden Werken identisch ist oder diesen stark ähnelt, ohne dass ich durch meinen Prompt darauf hingewirkt habe, könnte es theoretisch also auch zu Urheberrechtsverletzungen kommen.

Wie kann ich sicherstellen, dass ich bei der Nutzung von KI-Inhalten keine Urheberrechte verletze?

Andrea Schlotfeldt: Eine pauschale Sicherstellung ist nicht möglich, aber man kann z. B. durch eine Rückwärtssuche u. a. bei Google prüfen, ob man ähnliche Ergebnisse bekommt – wenn ja, ist man eventuell im Bereich der Urheberrechtsverletzung und sollte auf die Nutzung verzichten. Aber das lässt sich nicht generell sagen, sondern man muss es im Einzelfall prüfen. Grundsätzlich ist die Rückwärtssuche ein Instrument, mit dem man zumindest eine erste Information bekommt.

Auch sollte man davon absehen, KI-generierte Übersetzungen noch geschützter Texte ohne Zustimmung der Rechteinhaber:innen zu veröffentlichen. Letztlich kommt es darauf an, wie der Prompt ausgestaltet ist. Wenn man ganz gezielt nach bestimmten Texten oder Studienauszügen fragt, dann kann es vorkommen, dass zumindest in Teilen auch 1:1-Inhalte generiert werden. Von deren Weiterverwendung sollte ich dann absehen.

Gibt es Grenzen?

Andrea Schlotfeldt: Ja, man muss immer unterscheiden, in welchem Kontext man den Content verwendet. Wenn man ihn im Rahmen einer studentischen Arbeit oder auch als lehrende Person in Folien verwendet, dann kann das unter die Schranke des § 60a Urheberrechtsgesetz fallen, der zu Studien- oder Lehrzwecken bestimmte Nutzungen erlaubt, wenn die Inhalte in einem geschlossenen Benutzerkreis bleiben und nicht öffentlich auf einer Website zugänglich gemacht werden. Allerdings besteht hier die Anforderung, dass die Quellen angegeben werden müssen. Man muss also wissen, woher die Texte oder Bilder stammen – was bei KI-Output oft schwierig bis unmöglich sein kann. Und genau der eingeschränkte Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Veranstaltung ist wichtig.

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Was ist der AI Act?<br>Der Artificial Intelligence Act (AIA) ist ein von der EU-Kommission im Rahmen der EU-Digitalstrategie veröffentlichtes Gesetz zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI) in Forschung und Wirtschaft. Er legt fest, welche Anbieter:innen und Nutzer:innen von KI-Systemen in der EU den neuen Regularien unterliegen. Dies betrifft sowohl in der EU ansässige als auch außerhalb der EU befindliche Akteur:innen, deren KI-Systeme in der EU genutzt werden. Der AI Act definiert KI weit: KI umfasst demnach Systeme, die maschinelles Lernen, logik- und wissensbasierte Konzepte oder statistische Ansätze nutzen. <br><br>KI-Anwendungen werden nach ihrem potenziellen Risiko in vier Kategorien eingeteilt: unannehmbares Risiko, hohes Risiko, geringes Risiko und minimales Risiko. Systeme mit unannehmbarem Risiko sind verboten, Hochrisiko-Systeme unterliegen strengen Anforderungen wie Risikomanagement und Daten-Governance, also Datenrichtlinien für die Erfassung, Speicherung, Verarbeitung und Vernichtung von Daten. Systeme mit geringem Risiko müssen minimale Transparenzpflichten erfüllen, während Anwendungen mit minimalem Risiko keine besonderen Anforderungen haben.<br><br>Der AI Act zeigt die EU-Bemühungen, Missbrauchspotenziale wie Beeinflussung und Überwachung durch KI zu minimieren. Unternehmen sollten sich frühzeitig mit den Regulierungen auseinandersetzen und ihre Entwicklungen entsprechend anpassen.

Es gibt auch die Gemeinfreiheit bei Werken. Was ist das genau?

Andrea Schlotfeldt: Zum einen sind Werke gemeinfrei, wenn der Urheberrechtsschutz abgelaufen ist, also 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers oder der Urheberin. Oder Werke sind gemeinfrei, wenn sie gar nicht geschützt waren, weil es sich zum Beispiel um eine sehr einfache Gestaltung handelt, die keine Schöpfungshöhe, also keine besondere Originalität, aufweist, oder wenn es sich z. B. um Gesetzestexte handelt.

Wie kann ich sicherstellen, dass meine KI-generierten Inhalte nicht kopiert werden?

Andrea Schlotfeldt: Sicherstellen lässt sich dies nicht. Hier ist die Situation dieselbe wie bei herkömmlichen urheberrechtlich geschützten Texten oder Bildern, die ich veröffentliche. Sofern kein technischer Kopierschutz gegeben ist, können Inhalte rein faktisch übernommen werden. Wer bei mir „klauen“ möchte, den oder die kann ich nicht daran hindern.

Der Unterschied zu diesen von Menschen verfassten Inhalten ist, dass bei KI-Output in der Regel ja kein Urheberrechtsschutz anzunehmen ist, so dass die Weiternutzung zumeist tatsächlich zulässig ist (Stichwort „digitales Freiwild“). Derzeit wird unter Jurist:innen diskutiert, ob KI-Output künftig über ein sogenanntes Leistungsschutzrecht geschützt werden sollte, wie dies beispielsweise in Großbritannien in bestimmten Konstellationen der Fall ist. Ob eine solche Gesetzesänderung kommt, ist aber noch unsicher. Das Gesetzgebungsverfahren würde zudem sicher eine gewisse Zeit brauchen.

Gibt es Fälle, in denen mein KI-Output gleichwohl urheberrechtlich geschützt ist?

Andrea Schlotfeldt: Wenn Inhalte von mir wie Bilder oder Texte von einer KI nur geringfügig bearbeitet bzw. verändert wurden, aber im Wesentlichen immer noch meine Arbeit, mein Werk, sind, dann unterliegen sie weiterhin meinem Urheberrecht. So interpretiere ich die aktuelle Rechtslage. Wenn ich aber mittels KI ein Bild erstellen lasse, für das ich vorgebe, dass eine Lehr- bzw. Unterrichtssituation zu sehen sein soll, klassisch – ein Raum, Tische, Stühle, Monitore, Whiteboard und Studierende – und die KI generiert mir das, dann ist das nicht mein eigenes Werk. Wenn ich dieses Bild so – auch unbearbeitet – auf meine Website stelle, dann können es theoretisch auch andere nutzen. Es unterliegt dann keinem Urheberrecht. Das ist die Besonderheit – im Vergleich zu herkömmlichen Fotos oder Texten, auch wenn es mein Prompt ist, auf dem der Output ja letztlich basiert.

Gibt es eine Verpflichtung zur Transparenz, wenn ich Inhalte mit einer KI generiere?

Andrea Schlotfeldt: Hier kommt es auf die geplante Nutzung an: Eine generelle Pflicht zur Transparenz besteht aktuell noch nicht. Allerdings können sich auch jetzt schon Kennzeichnungspflichten aus Prüfungsvorgaben ergeben, etwa im Kontext der in der Regel geforderten Hilfsmittelangabe. Hierfür sind Art, Umfang und Zweck der KI-Nutzung ausschlaggebend. Die Umsetzung dieser Pflichten kann komplex ausfallen, zumal wenn die verwendeten Prompts mit aufzuführen sind.

Auch darf ich mich nicht als Urheber:in KI-generierter Texte ausweisen, wenn diese ausschließlich von einem KI-Tool erzeugt wurden. Die Grenzen sind allerdings fließend, und Rechtsprechung hierzu steht aus (Wieviel Anteil eines Textes darf beispielsweise KI-erzeugt sein, damit dieser noch als eigener Text gilt? Dies ist auch relevant bei Übersetzungen mit Diensten wie DeepL.). Bei Presseerzeugnissen können journalistische Sorgfaltspflichten ebenfalls eine Pflicht zur Kennzeichnung mit sich bringen.

Wichtig ist auch: Die EU hat im Mai 2024 den sogenannten AI Act verabschiedet – ein Gesetz für den Umgang mit KI. Darin ist auch eine Vorschrift enthalten, die eine Transparenzpflicht vorsieht. Sie soll voraussichtlich ab August 2025 gelten. Die genauen Vorgaben sind derzeit noch unkonkret. Hier werden juristische Kommentierungen oder ggf. Konkretisierungen durch das AI Office eine wertvolle Hilfe sein, Aktuell wird an diesen gearbeitet.

Eine Frage, die sich daran anschließt, ist die nach der Kontrolle. Wie kann man kontrollieren, ob ein Content KI-erzeugt ist?

Andrea Schlotfeldt: Kontrolle ist schwierig. Es gibt u. a. die Möglichkeit, Wasserzeichen einzusetzen, um KI-Output als solchen zu kennzeichnen, aber wie dauerhaft sind diese? Kann man sie einfach „herausschneiden“? Hier ist die Forschung gefragt und auch dabei (u. a. an der HAW Hamburg), gute Lösungen zu entwickeln, damit solche Markierungen nicht einfach entfernt werden können.

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Was sind Deepfakes?<br>Deepfakes sind Medieninhalte, bei denen künstliche Intelligenz verwendet wird, um realistisch aussehende Fälschungen zu erstellen. Diese Fälschungen können Videos, Audios oder Bilder umfassen, bei denen das Gesicht oder die Stimme einer Person manipuliert oder komplett ersetzt wird, um den Eindruck zu erwecken, dass diese Person etwas gesagt oder getan hat, was in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Der Begriff „Deepfake“ setzt sich aus „Deep Learning“ und „Fake“ zusammen und weist darauf hin, dass tiefe neuronale Netze, eine Technologie des maschinellen Lernens, verwendet werden, um diese Fälschungen zu erzeugen.

Thema Verantwortung und Haftung. Bin ich für meine Inhalte verantwortlich? Und kann ich die Verantwortung abgeben?

Andrea Schlotfeldt: Man kann die Verantwortung in der Regel nicht abgeben. Wenn man die Tools nutzt und damit Inhalte erstellt, dann sind die Nutzungsbedingungen dieser Programme in der Regel so ausgestaltet, dass der Nutzer oder die Nutzerin selbst verantwortlich ist. Anders kann die Situation zu beurteilen sein, wenn bei einer Prüfung der Einsatz eines KI-Tools verpflichtend vorgesehen ist und „unwissentlich“ eine Urheberrechtsverletzung entsteht, die zudem der Öffentlichkeit zugänglich wird, etwa im Zuge der Präsentation von Abschlussarbeiten. Hier hängt die Beurteilung sehr vom Einzelfall ab.

Viele Nutzende treibt der Datenschutz um. Bei ChatGPT gibt es die Möglichkeit, die eigenen Daten dahingehend zu schützen, dass die Prompts und Ergebnisse nicht weiterverwendet werden. Ist das wirklich möglich?

Andrea Schlotfeldt: Ob diese Einstellungen ein Garant für den Schutz sind, dazu sind mir keine Erhebungen oder Studien bekannt. Viele Expert:innen sprechen bei KI-Tools von einer Black Box. Was passiert da eigentlich? Wird  eingehalten, dass meine Daten oder Werke nicht für das KI-Training verwendet werden? Das lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen. Wer seine Daten schützen will, sollte z. B. bei ChatGPT auf die History verzichten – und das kann wiederum problematisch sein. Diese Art der Dokumentation wird bei Prüfungen, bei denen KI-Generatoren erlaubt oder sogar vorgesehen sind, in der Regel vorausgesetzt, siehe oben, Stichwort Kennzeichnungspflichten. Das ist auch ein Problem, für das wir praxistaugliche Lösungen brauchen.

Hast du generell einen Tipp, wie man mit seinen Daten umgehen sollte?

Andrea Schlotfeldt: Möchte ich datensparsam vorgehen, sollte ich schon bei den eigenen Eingaben darauf achten, keine persönlichen Daten einzugeben und mir genau überlegen, wie viele Informationen ich preisgeben möchte. Wenn ich zum Beispiel meinen Lebenslauf von einer KI verbessern lasse, muss ich mich bewusst entscheiden, welche Daten ich der KI gebe.

Wenn ich im Personalwesen oder in der Forschung mit KI arbeite und zum Beispiel personenbezogene Daten zusammenfassen lasse, dann muss ich eine Rechtsgrundlage bzw. eine Einwilligung der Personen haben – und die muss freiwillig sein. Das heißt, die Person, die ich um Einwilligung bitte, muss verstehen, was genau mit den Daten passiert, und sie muss die Entscheidung tatsächlich als freiwillig empfinden. Es ist wichtig, dass wir diese Datensensibilität auf beiden Seiten entwickeln.

Was meinst du damit?

Andrea Schlotfeldt: Es geht zum einen darum, dass die Nutzerinnen und Nutzer von KI wissen, dass sie nicht einfach persönliche Daten anderer in das KI-Tool kopieren können, um zum Beispiel etwas zusammenzufassen oder sich die Arbeit anderweitig zu erleichtern. Gerade im Arbeitskontext, auch an Hochschulen, wird für Datenverarbeitungen immer eine Rechtsgrundlage benötigt. Zum anderen müssen auch die sogenannten „Betroffenen“, also die Menschen, deren Daten oder Informationen genutzt werden, verstehen, was konkret mit ihren Daten passiert und worauf sie bei einer Einwilligung achten müssen.

Das Thema KI wird uns rechtlich in den nächsten Jahren noch intensiv beschäftigen. Es geht um unsere eigenen Daten, um Urheberrechte und Transparenz, aber auch um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, zum Beispiel durch Deep Fakes.

Andrea Schlotfeldt: Ja, die sogenannten Deepfakes sind eine der großen Herausforderungen, denen wir begegnen. Je mehr technisch möglich ist und je mehr Menschen auch mit den Tools umgehen können, desto gravierender können die Auswirkungen auf die Gesellschaft und einzelne Betroffene sein. Der Bereich der pornografischen (Fake-)Darstellungen ist bereits jetzt ein riesiges Problem.

Auch die Politik und der Journalismus haben mit Deepfakes zu kämpfen – das kann  Wahlen oder andere politische Entscheidungen beeinflussen, wenn Falschinformationen über KI-erzeugte Videos oder Bilder verbreitet werden. Ein weiteres Problem können sogenannten Softfakes sein, also Bilder, Videos oder Audioclips, die manipuliert werden, um politische Kandidat:innen attraktiver oder vorteilhafter wirken zu lassen. Auch im Bereich wissenschaftlicher Forschung können negative Auswirkungen, die auf Falschinformationen basieren, nicht ausgeschlossen werden.

Was kann hier helfen?

Andrea Schlotfeldt: Wir müssen eine deutlich höhere Sensibilität für solche falschen Inhalte entwickeln. Das geht nur durch (Weiter-)Bildung – und betrifft alle Altersstufen. Die Menschen müssen vielfältige Kompetenzen in diesem Bereich erwerben. Am besten fängt man damit schon bei Kindern an.
Viele Institutionen und Einrichtungen bieten bereits geeignete Materialien und Tools wie Fakefinder an. Auch von der HOOU an der HAW Hamburg gibt es ein passendes Lernangebot, adressiert an Lehrkräfte, die ihren Schülerinnen und Schülern wichtige Kompetenzen beim Umgang mit Informationen aus dem Netz vermitteln möchten, also auch Deepfakes. Diese Angebote sollten wir nutzen.

Über Andrea Schlotfeldt:

Andrea Schlotfeldt. Bild: Lars Brücher

Andrea Schlotfeldt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin Juristische Beratung für Projekte der Hamburg Open Online University an der HAW Hamburg. In dieser Rolle berät sie OER-Produzierende in rechtlicher Hinsicht bei der Konzeption und Veröffentlichung ihrer offenen Bildungsmaterialien. Darüber hinaus ist sie mit Fragen des Urheberrechts, des Datenschutzes und KI in der digitalen Lehre befasst. Sie ist zudem seit 2008 selbständige Rechtsanwältin, Dozentin und Referentin mit Schwerpunkt Urheber-/Vertragsrecht und KI, auch hier fokussiert auf Wissenschafts- und Bildungsinstitutionen. 

Lizenzhinweis für das Interview (Text): CC BY 4.0 

Das Bild zeigt eine Parade für Toleranz. In der Menschenmenge wird eine Regenbogenflagge geschwenkt.

Bild: Raphael Renter/Unsplash

25.06.2024 | Meena Stavesand

Empowerment im Pride Month: So unterstützt du die LGBTQ+-Community

Jeden Juni hissen Menschen, Unternehmen, Organisationen und Initiativen die Regenbogenfahne und feiern den Pride Month. Es ist eine Zeit, die sowohl dem Gedenken als auch der Anerkennung der LGBTQ+-Community gewidmet ist. Wir erklären dir, wie der Pride Month entstanden ist, warum es ihn gibt und was du selbst tun kannst, um marginalisierte Gruppen zu unterstützen. Es geht um Vielfalt und Empowerment.

Der Pride Month, der jedes Jahr im Juni stattfindet, erinnert an die Stonewall-Unruhen 1969 in New York. Es war ein Wendepunkt in der Bürgerrechtsbewegung der LGBTQ+-Gemeinschaft. Die historischen Ereignisse markierten den Beginn einer neuen Ära des Widerstands und der Forderung nach Gleichberechtigung, die bis heute anhält.

So entstand die Gay Pride

In den 1960er Jahren war in den USA ein gesellschaftlicher Aufbruch spürbar, von dem Homosexuelle jedoch zunächst kaum profitierten. Auf der Grundlage der so genannten „Sodomie-Gesetze“ wurden sie in vielen Bundesstaaten strafrechtlich verfolgt und in verschiedenen Lebensbereichen – etwa auf dem Wohnungsmarkt oder am Arbeitsplatz – diskriminiert.

Der Widerstand gegen diese Diskriminierung begann symbolisch mit den Stonewall-Unruhen in der New Yorker Christopher Street vor 55 Jahren, ein Ereignis, das die LGBTQ+-Bewegung bis heute prägt.

Razzia als Auslöser der Stonewall-Unruhen

In den 1960er Jahren konnten sich Homosexuelle in New York nur an bestimmten Orten treffen. Bars, die als solche Treffpunkte bekannt waren, erhielten von den Behörden keine Alkohollizenz. Dies machte sich die Mafia zunutze und betrieb diese Orte als „Privatclubs“ ohne Lizenz.

Anführungszeichen in den Farben des HOOU-Themes
It was a rebellion, it was an uprising, it was a civil rights disobedience—it wasn’t no damn riot.
Stormé DeLarverie über die Stonewall-Unruhen

So kam es dort regelmäßig zu Razzien der Polizei, die oft mit Übergriffen endeten oder auch die Identitäten der Homosexuellen öffentlich machten. Die Razzia in der Bar „Stonewall Inn“ am 28. Juni 1969 eskalierte schließlich, als sich die Gäste gegen die Polizeikontrollen wehrten, vermutlich ermutigt durch den Widerstand der lesbischen Sängerin Stormé DeLarverie. Die darauf folgende Solidarisierung innerhalb der homosexuellen Community und der Nachbarschaft führte zu tagelangen Auseinandersetzungen mit der Polizei in der Christopher Street.

Grundstein für weltweite Bewegung

Schon vor Stonewall hatten sich Homosexuelle in den USA organisiert, doch die Ereignisse von 1969 markierten einen entscheidenden Wendepunkt für die amerikanische Schwulen- und Lesbenbewegung. Es folgte der erste „Christopher Street Liberation Day“ mit einer Parade am 28. Juni 1970, an der rund 4000 Menschen teilnahmen.

Daraus entwickelte sich schnell eine weltweite Bewegung, die unter dem Namen „Gay Pride“ die Forderung nach gleichen Rechten für Homosexuelle auf der ganzen Welt unterstützte.

In Deutschland kämpfte die Schwulen- und Lesbenbewegung in den 1960er Jahren vor allem gegen das Sexualstrafrecht, das Homosexualität unter Strafe stellte. Der erste „Christopher Street Day“ in Deutschland fand dann am 28. Juni 1979 in Berlin statt, genau zehn Jahre nach den Stonewall-Unruhen. Er wurde zum Symbol des Widerstands und der Forderung nach Gleichberechtigung in Deutschland.

Noch immer Opfer von Diskriminierung und Gewalt

Obwohl sich der Christopher Street Day als Bewegung weltweit etabliert hat und wir im Juni den Pride Month feiern, sind Homosexuelle auch heute noch Opfer von Diskriminierung und Gewalt. So wurden im Juni 2016 bei einem der schlimmsten Anschläge in der Geschichte der USA in einem LGBT-Club in Orlando/Florida 49 Menschen getötet.

Deshalb ist es wichtig und notwendig, nicht nur die Erfolge der Bewegung zu feiern, sondern auch auf die anhaltenden Kämpfe für Gleichberechtigung und Akzeptanz aufmerksam zu machen. Es geht um mehr als das Hissen einer Regenbogenfahne.

Denn heute steht der Pride Month für das kontinuierliche Streben nach einer inklusiven Gesellschaft, in der jeder Mensch unabhängig von seiner sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität die gleichen Rechte und Chancen genießt. Es geht darum, die Stimmen derer zu stärken, die oft am Rande der Gesellschaft stehen, und Strategien zu fördern, die nachhaltige Veränderungen bewirken können.

Empowerment: Wohlbefinden und Sichtbarkeit verbessern

Dieses Jahr möchten wir die Gelegenheit nutzen, um auf spezifische Empowerment-Strategien hinzuweisen, die darauf abzielen, die Rechte, das Wohlbefinden und die Sichtbarkeit von LGBTQ+-Personen zu stärken. In unserem Lernangebot „Diversify!“ der HAW Hamburg findest du viele interessante Informationen zum Thema Diversity – und auch zum Thema Empowerment.

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Der Begriff Empowerment kommt aus dem Englischen. Empowerment bedeutet, die politische, soziale, wirtschaftliche und spirituelle Kraft einer Person oder Gemeinschaft zu stärken. Dies ist besonders wichtig für Menschen, die von anhaltender und alltäglicher Diskriminierung betroffen sind, zum Beispiel durch Rassismus, Sexismus oder Klassismus. Empowerment von marginalisierten Personen und Gemeinschaften (die wenig Macht haben) ist wichtig, um Kraft zu schöpfen. Für eine diskriminierungssensible Gesellschaft braucht es gleichzeitig Machtteilung durch diejenigen, die viel Macht haben.

Ein zentraler Aspekt von Empowerment während des Pride Month ist Bildung. Aufklärungsarbeit in Schulen, am Arbeitsplatz und in der Gemeinschaft kann dazu beitragen, Mythen zu entkräften und ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen der LGBTQ+-Gemeinschaft zu schaffen. Bildungsinitiativen tragen dazu bei, eine Kultur der Akzeptanz und des Respekts zu fördern, die für das Wohlergehen aller Mitglieder der Gesellschaft unerlässlich ist.

Sichtbarkeit schafft Bewusstsein

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Erhöhung der Sichtbarkeit. Die Veranstaltungen und Kampagnen des Pride Month bieten eine Plattform, auf der LGBTQ+-Personen ihre Geschichten teilen und feiern können. Diese Sichtbarkeit ist entscheidend, um Stereotypen zu durchbrechen und ein breiteres Bewusstsein für die Vielfalt menschlicher Erfahrungen zu schaffen.

In unserem Lernangebot „Diversify!“ findest du viele Werkzeuge, um dich selbst und andere zu empowern. Dabei geht es nicht nur um sexuelle Vielfalt, sondern auch um den Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus oder Ableismus.

Sensibilisierung, Empowerment und Positionierung

In dem Lernangebot stellen wir uns selbst bestimmte Fragen, um andere Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, zu unterstützen.

  • Wie kann ich wenig sichtbare Menschen durch meine Medienarbeit empowern?
  • Welche Strategien gibt es, den eigenen, manchmal eingeschränkten Blickwinkel zu reflektieren?
  • Können Medien für alle zugänglich gemacht werden?
  • Wie manifestieren sich Stereotype in Sprache, Bild und Ton? Wie können wir sie verändern?

Diversify!

Lasse uns diesen und alle weiteren Pride Months als Mahnung und Inspiration nutzen, jeden Tag aufs Neue für Gleichberechtigung, Akzeptanz und Empowerment zu kämpfen. Unser Angebot „Diversify!“ der HAW Hamburg hilft uns dabei. So können wir gemeinsam eine inklusive Zukunft gestalten, in der jeder Mensch die Freiheit hat, sich voll zu entfalten.

Das Bild zeigt ein Plakat mit der Aufschrift: There is no planet B - zu deutsch: Wir haben keinen Planet B. Das Bild ist auf einer Klimademo entstanden.

Bild: Markus Spiske/Unsplash

19.06.2024 | Meena Stavesand

Klimawandel: Wie uns grüner Wasserstoff bei der Energiewende helfen kann

Anlässlich der bundesweiten „Woche des Wasserstoffs“ beschäftigen wir uns mit der Energiewende. Denn Wasserstoff bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten auf dem Weg zu mehr Klimaneutralität. In unserem Lernangebot „Green Hydrogen“ der TU Hamburg erfahrt ihr, was Wasserstoff eigentlich ist. Außerdem erklären wir euch, welche Rolle Wasserstoff für eine nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung spielen kann.

In ganz Deutschland öffnen Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen in dieser Woche vom 15. bis 23. Juni ihre Türen, um Einblicke in aktuelle Projekte und Entwicklungen rund um das Thema Wasserstoff zu geben. Besucherinnen und Besucher können an Fachvorträgen, Workshops und Probefahrten mit wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen teilnehmen.

Die Veranstaltungen richten sich an Fachleute, Studierende und natürlich alle interessierten Bürgerinnen und Bürger, die mehr über die Potenziale und Herausforderungen der Wasserstofftechnologie erfahren möchten.

Stadtrundfahrt in Hamburg: Auge in Auge mit der Zukunft

Auch in Hamburg beschäftigen sich Expertinnen und Experten mit dem Thema Wasserstoff und möchten ihr Wissen weitergeben. So unterstützen die Norddeutsche Wasserstoffstrategie und das Branchennetzwerk Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH) im Rahmen der Wasserstoffwoche die neue Stadtrundfahrt „Auge in Auge mit der Zukunft“ – oder auch HH-Energie-Bus-Tour genannt. Sie erläutert hautnah im Hamburger Hafengebiet alles rund um das Thema Erneuerbare Energien und Wasserstoff. Anmeldungen sind noch möglich!

Green Hydrogen für eine nachhaltige Energieversorgung

Grüner Wasserstoff gilt als großer Hoffnungsträger für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende und die vollständige Abkehr von fossilen Energieträgern. Politik, Wissenschaft und Industrie sind sich weitgehend einig, dass Wasserstoff in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden kann – und zum Teil auch muss, um ehrgeizige Klimaschutzziele zu erreichen. Im Fokus steht dabei insbesondere der klimaneutral hergestellte grüne Wasserstoff.

Bevor wir uns in dem Lernangebot „Green Hydrogen“ von der TU Hamburg mit den Details der Herstellung und Nutzung von Wasserstoff beschäftigen, diskutieren wir, warum Wasserstoff so wichtig für die Zukunft ist. Wir beginnen mit den Grundlagen:

  • Wie genau beeinflussen wir Menschen und unser Handeln das Klima?
  • Welche Folgen hat der menschengemachte Klimawandel?
  • Warum ist es so wichtig, etwas dagegen zu tun?

Warum ist Wasserstoff der Energieträger der Zukunft?

Dann werfen wir einen Blick auf die Energiewende: Wie weit sind wir gekommen? Welche Herausforderungen liegen noch vor uns? Und vor allem: Welche Rolle kann Wasserstoff dabei spielen? Das Lernangebot „Green Hydrogen“ bietet eine spannende Reise durch die Welt des Wasserstoffs und zeigt, warum er der Energieträger der Zukunft sein könnte.

Wie wird der Individualverkehr in Zukunft aussehen? Bild: Antol Rurac/Unsplash

Vielseitig einsetzbar: Von der energetischen Nutzung bis zu E-Fuels

Ein Kapitel des Lernangebots beschäftigt sich mit den verschiedenen Anwendungen von Wasserstoff, wobei der Schwerpunkt auf der energetischen und stofflichen Nutzung liegt.

  • Stoffliche Nutzung: Hier werden die chemischen Eigenschaften des Wasserstoffs genutzt, um mit anderen Elementen zu reagieren und neue Verbindungen zu bilden oder bestehende zu verändern. Wasserstoff wird häufig in der chemischen Industrie und bei der Raffination von Rohöl eingesetzt. Zukünftige Anwendungen könnten in der Stahl- und Kunststoffproduktion liegen.
  • Energetische Nutzung: Wasserstoff kann auch zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden, indem seine chemisch gebundene Energie umgewandelt wird.
  • E-Fuels: Eine interessante Anwendung von Wasserstoff ist die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen, den so genannten E-Fuels. Diese werden aus grünem Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt und können ähnlich wie herkömmliche fossile Kraftstoffe zum Beispiel in Flugzeug- oder Lkw-Motoren eingesetzt werden. Während der Wasserstoff zunächst als Ausgangsstoff für die Synthese von E-Fuels dient, wird seine Energie letztlich bei der Verbrennung freigesetzt. Wer mehr über E-Fuels erfahren möchte, kann sich das Lernangebot Advanced Fuels ansehen oder den Podcast MobilCast der TU Hamburg anhören.

Wasserstoffanwendungen im Mobilitätssektor

Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge können in nahezu allen Bereichen des Verkehrssektors eingesetzt werden. Elektroautos mit wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen sind eine Möglichkeit, den Individualverkehr auf der Straße ohne den Ausstoß von Treibhausgasen und anderen Luftschadstoffen zu ermöglichen. Diese wasserstoffbetriebenen Fahrzeuge werden seit mehreren Jahrzehnten entwickelt, unterscheiden sich heute in Funktionalität und Komfort kaum noch von fossil betriebenen Fahrzeugen und können auch von Privatpersonen erworben werden.

Wasserstoff in der Industrie

In der Industrie sind fossile Rohstoffe nicht nur Energieträger, sondern auch wichtige Grundstoffe. So werden zum Beispiel Kunststoffe aus Erdöl und Düngemittel aus Erdgas hergestellt. Grüner Wasserstoff könnte hier eine klimafreundliche Alternative bieten.

Die Industrie braucht viel Energie – wie hier der Prozess des Schweißens. Bild: Christopher Burns/Unsplash

Eines der wichtigsten Einsatzgebiete für Wasserstoff ist die Stahlproduktion. Normalerweise wird Stahl aus Eisenerz hergestellt, das chemisch mit Sauerstoff verbunden ist. Um den Sauerstoff zu entfernen, wird Koks (aus Kohle) verwendet. Dadurch ist die Stahlproduktion ein großer Verursacher von Treibhausgasen – allein in Deutschland sind es etwa 6 Prozent der Gesamtemissionen. Umweltfreundlicher ist die Direktreduktion mit grünem Wasserstoff.

Wasserstoff für Strom und Wärme

Strom und Wärme verursachen mehr als die Hälfte der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland. Wasserstoff bietet eine klimafreundliche Alternative, diese Emissionen zu reduzieren.

Mit grünem Wasserstoff kann auf zwei Arten Energie erzeugt werden:

  • durch direkte Verbrennung
  • durch Brennstoffzellen

Bei der direkten Verbrennung wird der Wasserstoff einfach verbrannt, um Wärme zu erzeugen. Brennstoffzellen hingegen wandeln die chemische Energie des Wasserstoffs in Strom und Wärme um – und das ohne CO2-Emissionen, wenn grüner Wasserstoff verwendet wird.

Wasserstoff in der Lebensmittelverarbeitung und im Maschinenbau

Ein wichtiges Anwendungsgebiet ist die Prozesswärme. Das ist die Wärme, die bei der Herstellung oder Weiterverarbeitung von Produkten benötigt wird. Fast alle Produkte, die wir täglich verwenden, benötigen an irgendeiner Stelle ihrer Herstellung hohe Temperaturen.

Einige Industriezweige, wie die Lebensmittelverarbeitung oder der Maschinenbau, benötigen moderate Temperaturen unter 500 °C. Andere, wie die Glas- und Keramikherstellung, benötigen sehr hohe Temperaturen von bis zu 3000 °C. Der Großteil dieser Prozesswärme wird derzeit mit fossilen Brennstoffen erzeugt. Grüner Wasserstoff kann hier eine klimaneutrale Alternative bieten.

Informiere dich in unserem Lernangebot, wie die Prozesse genau funktionieren!

Slammerinnen auf der Bühne

Foto: Meena Stavesand

12.06.2024 | Meena Stavesand

Weltpremieren beim Slam: Von nackten Reitern über zerbrochene Nudeln bis hin zu Mathe in der Musik

Was haben nackte Reiter, zerbrochene Spaghetti und ein Instrument mit nur einer Saite gemeinsam? Sie alle waren Teil des ersten Science-and-Art-Slams der HOOU. Vor mehr als 130 Menschen in der Zentralbibliothek der Bücherhallen Hamburg performten die Wissenschaftler:innen und Kulturschaffenden mit einzigartigen Auftritten.

WELTPREMIERE! Moderator Dr. Ronny Röwert geizte am Abend des 31. Mai nicht mit solchen Superlativen – und das zurecht! Denn nicht nur der Science-art-Art-Slam der Hamburg Open Online University an sich war eine Weltpremiere, auch die Slams waren in ihrer jeweiligen Form und der Zusammensetzung ein exklusives Schauspiel (und werden dies wohl bleiben).

Wissenschaftliche Vielfalt

Den mehr als 130 Besucherinnen und Besuchern bot sich also ein außergewöhnliches Event, das sich insbesondere durch seine wissenschaftliche Vielfalt auszeichnete. Denn wenn die HOOU einen Slam organisiert, dann sollen das Publikum auch etwas lernen – dafür steht die HOOU jedenfalls: Bildung für alle. So lautete also auch das geheime Motto des Abends.

Sophie Heins und Franz Vergöhl von der HCU.

Und so kombinierte das Organisationsteam um Dr. Paula de Oliveira Guglielmi einen Auftritt zu Künstlicher Intelligenz (mit kurzeitigem Internetproblem, das Ronny Röwert und Slammer Franz Vergöhl charmant überbrückten, während seine Slammerkollegin Sophie Heins es schnell löste) mit dem Vocalcoaching von Linda Smailus, bei dem die Hamburgerinnen und Hamburger ihre Stimme trainieren konnten.

Anja Steidinger, Julia Stolba und Nora Sternfeld von der HFBK als Inglam.

Harte Töne, sanfte Töne

Außerdem beeindruckten mit ihren Performances Prof. Dr. Anja Steidinger und Julia Stolba in Trenchcoat und Sonnenbrille – mit Prof. Dr. Nora Sternfeld als Stimme aus dem Off, die über nackte Reiter philosophierten, und Tam Thi Pham mit einem besonderen Instrument – der Dan Bau, die aus nur einer Saite besteht, aber trotzdem einzigartige Töne fabriziert.

Tam Thi Pham von der HfMT.

Zu vergessen sind aber auch nicht Jan Küchenhof, der mit dem Publikum eine Reise in die Welt der Ideenfindung und Produktentwicklung unternahm, und Vincent Dombrowski, der Musik und Mathematik miteinander verband. Klingt komisch? War aber spannend – auch für Menschen, die weniger mit Zahlen umgehen wollen!

Jan Küchenhof von der TU Hamburg.

Komplexe Themen simpel heruntergebrochen

Was fehlt? Die zerbrochenen Spaghetti! Und für die sorgte Philip Rose, der am Ende auf den Nudelresten auch den Siegerpokal in die Luft heben konnte. Der Wissenschaftler der HAW brachte dem Publikum die Vielseitigkeit von kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff näher – und das war (anders als vielleicht der Begriff an sich) unglaublich interessant. Das lag maßgeblich an Philips humorvoller Art, die Dinge auf ihre Einfachheit herunterzubrechen. Das ist nicht immer die Stärke von Forschenden, die zu einem Thema auch noch promovieren, aber Philip hat das mit Bravour gemeistert – und dafür am Ende den lautesten Applaus eingeheimst.

Philip Rose von der HAW Hamburg.

Natürlich wäre die HOOU nicht die HOOU, wenn auch beim „Applausometer“ Wissenschaft niederschwellig zu sehen gewesen wäre. Goran Lazarevic von der HfMT hatte eigens für den Slam eine Software programmiert, die mithilfe eines Mikrofons sehr genau anzeigte, wie laut der Applaus wirklich war. Und so war auch ohne Zweifel klar, dass sich Philip am Ende durchsetzte – wissenschaftlich belegt!

Leidenschaft für Wissenschaft, Kunst und Kultur

Knappt war es trotzdem. Denn alle Slammer:innen haben eins gezeigt: Sie sind Expert:innen auf ihren Gebieten – und begeistern mit ihrer Leidenschaft für die Wissenschaft, Kunst und Kultur viele Menschen. So auch die über 130 Zuschauerinnen und Zuschauer beim ersten Science-and-Art-Slam der Hamburg Open Online University.

Vincent Dombrowski von der HfMT.

Danke an alle Beteiligten

Wir bedanken uns bei allen Beteiligten, insbesondere bei den Bücherhallen Hamburg als Kooperationspartner, bei Frau Dr. Eva Gümbel, Hamburger Staatsrätin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, die ein Grußwort sprach, bei Moderator Ronny Röwert und natürlich bei den Slammerinnen und Slammern für die vielen Weltpremieren!

Auf dem Bild ist ein Konzert zu sehen aus Sicht des Publikums. Die Bühne ist verschwommen.

Bild: Jorge Gordo/Unsplash

31.05.2024 | hoouadmin

HOOU beim Blurred Edges Festival: Ein Paradies für experimentelle Musik in Hamburg

Heute, am 31. Mai, startet das Blurred Edges Festival in Hamburg und verspricht mehr als zwei Wochen voller musikalischer Highlights. Mit Konzerten, Performances, Musiktheater, Lectures, Multimedia-Performances und Klanginstallationen bietet das Festival in seiner 19. Auflage so viele Veranstaltungen wie noch nie zuvor. Diese Vielfältigkeit macht das Festival zu einem einzigartigen Kaleidoskop der experimentellen Musikszene.

Die HOOU ist natürlich ebenfalls mit spannenden Akteur:innen vertreten. Wir zeigen dir, wer seine Kompositionen, Improvisationen und Klanginstallationen beim Blurred Edges Festival in diesem Jahr präsentiert und wie du in inspirierenden Lernangeboten dieser Expert:innen weitere Informationen zu der Musik erhältst.

Radikale Selbstbestimmung

Wie jedes Jahr steht das Festival unter dem Zeichen der radikalen Selbstbestimmung. Alle Hamburger Kulturschaffenden, die mit experimenteller Musik in Berührung kommen, konnten eine Veranstaltung vorschlagen.

Das Ergebnis ist eine bunte Mischung aus Kompositionen, freier und Konzept-Improvisationen, Klanginstallationen und Performances. Diese finden sowohl solo als auch in größeren Ensembles statt, wobei manche Gruppen eigens für das Festival zusammengestellt wurden, während andere bereits seit Jahren zusammenarbeiten.

Entdecke die Vielfalt der Hamburger Musikszene – in Galerien oder Bibliotheken

Das Publikum hat die Möglichkeit, die Vielfalt der Hamburger Musikszene zu entdecken und gleichzeitig die verschiedenen Kulturorte der Stadt zu erkunden. Von Galerien und Kunsträumen über Theater und Clubs bis hin zu Kirchen, Kinos und Bibliotheken – bekannte und weniger bekannte Orte bieten eine Bühne für die experimentelle Musik jenseits des Mainstreams und der Genregrenzen.

Das Blurred Edges Festival 2024 umfasst insgesamt 72 Veranstaltungen an 37 Orten in Hamburg und läuft über 17 Tage. Diese Vielfalt und die besondere Atmosphäre machen es zu einem Muss für alle Liebhaber:innen der experimentellen Musik.

Multimedia-Auftritte der HfMT beim Blurred Edges Festival

Einige talentierte Musikerinnen und Musiker der Hochschule für Musik und Theater werden in diesem Jahr beim Blurred Edges Festival auftreten. Hier eine Übersicht über ihre Performances:

Multimedia Composition

Sa., 1. Juni, 20 Uhr, Hochschule für Musik und Theater (Harvestehuder Weg 12 / Eingang: Milchstraße)

Die Studierenden des „Multimedia Composition“ Masters präsentieren an diesem Abend eine faszinierende Auswahl interdisziplinärer und audiovisueller Werke. Der Konzertabend bietet einen umfassenden Einblick in das vielfältige Schaffen an der Schnittstelle von digitaler Kunst, musikalischer Performance und Installation.

Wiederkehrende Themen der beteiligten Künstler:innen sind virtuelle Räume, digitale Körper, artifizielle Identitäten und künstliche Welten. Diese Konzepte werden in den präsentierten Arbeiten auf innovative Weise erforscht und dargestellt, wodurch ein einzigartiges Erlebnis für das Publikum entsteht. Nach dem Konzert haben die Besucher die Möglichkeit, mit den Künstler:innen ins Gespräch zu kommen und mehr über deren Inspirationen und Arbeitsprozesse zu erfahren.

Es werden Arbeiten gezeigt von: Carmen Kleykens Vidal, Ji Hyun Yoon, Marta Haladzhun, Bayaru Takshina, Ian Whillock, Gabriel Abi Saber dos Santos, Candid Rütter und Denis Połeć.

Büro für problematische Komposition

Do., 6. Juni, 20 Uhr, TONALi SAAL (Kleiner Kielort 3-5)

Das 2019 in Hamburg gegründete „Büro für problematische Komposition“ ist ein Kollektiv von Multimedia-Komponist:innen, Musiker:innen und Videokünstler:innen. Der zentrale Ansatz ihrer künstlerischen Arbeit ist es, Risiken einzugehen, Neues auszuprobieren und das Experiment in den Mittelpunkt zu stellen.

Neben den Mitgliedern des Kollektivs werden beim Blurred Edges Festival mehrere Gäste begrüßt: der Komponist Fergal Dowling (IE), die Geigerin Feilimidh Nunan (IE) sowie der Cellist Michael Heupel (GR). Die Multimedia-Komponist Aigerim Seilova (KAZ), Greg Beller (FR), Stefan Troschka (DE) und Xiao Fu (CN) des Kollektivs haben gemeinsam auf der Grundlage von Fergal Dowlings „Super Human“ eine 60-minütige Reihe von Klangkunstinstallationen und Live-Performances geschaffen. Diese Werke erforschen die Möglichkeit der individuellen und kollektiven Überwindung konventioneller Beschränkungen. Es entsteht eine klangliche Kunstinstallation, die von Fantasie, Überrealismus und der Erkundung des Unbekannten geprägt ist und das Publikum in eine neue, aufregende Welt der experimentellen Musik entführt.

Frederik Mathias Josefson

Fr., 7. Juni, 18 Uhr, ligeti zentrum (Veritaskai 1)

Im Rahmen des Artists in Residence-Programms des ligeti zentrums ist der schwedische Komponist Frederik Mathias Josefson eingeladen. In dem Konzert wird das Ergebnis seiner zweimonatigen künstlerischen Arbeit präsentiert.

Spannende HOOU-Lernangebote zu Multimedia-Kompositionen

  • Das englischsprachige Lernangebot MUTOR beschäftigt sich mit Musiktechnologie. Es geht um Fragen wie: Wie nehmen wir Musik wahr?, Wie machen wir neue Klänge?, Wie kombinieren wir Klänge mit Bildern?, Wie bewegen wir Klänge im Raum?, Wie verfolgen wir die Bewegungen und Gesten von Interpreten? und vieles mehr.
  • Das Projekt „Extended Realities“ bietet eine Einführung in technische und künstlerische Werkzeuge zur Erstellung von interaktiven VR-basierten Werken. Im Fokus steht dabei einerseits die Entwicklung von Software Setups, welche eine Steuerung eines Avatar-Körpers ermöglichen, eine gezielte Interaktion mit Objekten sowie eine Verknüpfung mit anderen Programmen zum Beispiel zur Klangsynthese.
  • Das englischsprachige Lernangebot „MusikApps-SunVox Tutorials“ richtet sich an alle Lehrkräfte, die die Grundprinzipien der elektronischen Musikproduktion in ihren Musikunterricht integrieren möchten, aber keine spezielle Ausbildung haben.
  • Das englischsprache Lernangebot „Interactivity in classroom: visual programming“ ist für Musiklehrer:innen der Sekundarstufe mit Schülern zwischen 10 und 14 Jahren. Im ersten Teil des Kurses geht es um die Grundlagen der visuellen Programmierung in Pure Data. Im zweiten Teil des Kurses geht es darum, Daten von einem Gerät an einen Computer zu schicken, der Pure Data hostet. So kann man die Patches, die man im ersten Teil erstellt hat, steuern und in Instrumente verwandeln, mit denen man Musik machen kann.

Dan Bau beim Blurred Edges Festival

Eine Dan Bau Spielerin steht an ihrem Instrument
So sieht eine Dan Bau aus.

Das Bunte Luft Trio ist eine Improvisationsgruppe aus Hamburg, die sich auf die klanglichen Wechselwirkungen von Dan Bau, Baritonsaxophon und Modularsynthesizer spezialisiert hat.

Mi., 5. Juni, 20 Uhr, Migrantpolitan, Kampnagel, Jarrestraße 20

Jedes dieser Instrumente des Bunten Trios ist in völlig unterschiedlichen Genres verwurzelt, was die Musiker:innen als Sprungbrett nutzen, um ihren einzigartigen Sound zu kreieren. Tam Thi Pham (VN), Jana De Troyer (BE) und Jan Wegmann (DE) bringen ihre eigenen künstlerischen Hintergründe in die Gruppe ein und bewegen sich durch verschiedene Atmosphären. Diese musikalischen Reisen führen das Publikum von interplanetarischen Wüsten zu mikroskopischen Wäldern und bieten ein unvergleichliches Hörerlebnis.

So., 9. Juni, 18 Uhr, Hafenbahnhof, Große Elbstraße 276

Tam Thi Pham spielt die Dan Bau noch bei DIE DICKE TROMPETE. Das Festival schreibt dazu: „Weiter geht’s auf dem Weg zu einem Ladies Orchestra der freien Improvisation in Hamburg: anknüpfend an die lange Tradition der Damenkapellen laden Krischa Weber und Georgia Hoppe Kolleg:innen in den Hafenbahnhof ein. Die fünfte Soirée ist der grandiosen Bläser-Section aus „Manche mögen’s heiß“ gewidmet. Bei uns werden Saiten und Stimmbänder, Säge, Theremin und Reeds in freier Improvisation wild und mild schwingen. Wir mögen’s heiß und kalt, nur nicht lauwarm. Wir grooven uns ein für die Grande Soiree, der Reunion aller „Dicken Trompeten“, im September in der Christianskirche Ottensen.“

Lernangebot zu Dan Bau – ein Instrument mit nur einer Saite

Tam Thi Pham hat sich auch bei der HOOU mit dem spannenden vietnamesischen Instrument Dan Bau in einem Lernangebot auseinandergesetzt. Die Dan Bau hat nur eine Saite, erzeugt aber dennoch vielfältige Töne.

Experimentelle Musik beim Blurred Edges Festival

Das Trio IMAGO tritt beim Festival auf.

Fr., 7. Juni, 20 Uhr, HEART (Friedensallee 26)

Das experimentelle E-Gitarren-Trio mit Michael E. Haase, Manfred Stahnke und Georgia Ch. Hoppe unternimmt eine Wanderung über 18 Saiten in 60 Minuten. Das Festival kündigt das Event wie folgt an: „Unterwegs rechnen sie mit allerlei Unwägbarkeiten, denn jede Saite bietet zwar Halt, kann aber auch zum Stolperdraht werden. Die Unbe- rechenbarkeit, der stete Wechsel der Situation ist für die Wandernden jedoch gerade der Reiz. Denn hinter der nächsten Wegbiegung wartet schon Ungeahntes. Eine Rückkopplung, der Sägezahntiger oder Stille?“

Passende Lernangebote für dich zu dieser experimentellen Musik

Multimedia-Performance zu „Julia, Romeo and another social dilemma“

Das „ensemble.M“ präsentiert mit HOOU-Akteurin Xiao Fu in dieser neuen interdisziplinären Aufführung auf einzigartige Weise die emotionalen Erfahrungen des Einzelnen unter gesellschaftlichem Druck.

Mi., 12. Juni, 20 Uhr, Künstlerhaus FAKTOR (Max-Brauer-Allee 229)

Die Beziehung zwischen Liebenden und der Gesellschaft wird auf der Bühne in einen Kontext gesetzt, wobei die Grenzen der Liebe verschwimmen und von den Schatten der Gesellschaft umhüllt erscheinen. Diese Aufführung ermöglicht dem Publikum ein tieferes Verständnis dafür, wie gesellschaftliche Normen die emotionalen Entscheidungen des Individuums beeinflussen. Sie ist nicht nur eine nachdenkliche Darbietung, sondern auch eine tiefgehende Erforschung der komplexen Beziehung zwischen Liebe und Freiheit.

Xiao Fu hat auch ein HOOU-Lernangebot „fresh::sounds – Instrumente der Seidenstraße“ konzipiert. Dort findest du spannende Informationen über ganz besondere Instrumente.

Plattform für besondere Musik und Kunst

Wie du siehst, bietet sowohl das Blurred Edges Festival als auch die HOOU eine außergewöhnliche Plattform für besondere Musik und Kunst. Beide laden ein, neue Klänge zu entdecken, innovative Performances zu erleben und in eine kreative Vielfalt einzutauchen.