Kategorie: Blog
16.11.2022 | Katrin Schröder
Abenteuer Rechtsmedizin: Wissenschaft mit Gruselfaktor
Das Lernangebot „Abenteuer Rechtsmedizin“, entwickelt vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und bereitgestellt auf der Lernplattform der Hamburg Open Online University (HOOU), vermittelt spielerische Einblicke in die Welt der Forensik. Egal, ob du über eine Karriere in dem Bereich nachdenkst oder einfach nur am Thema interessiert bist: Das Spiel lässt dich in den Arbeitsalltag eines jungen Rechtsmediziners eintauchen. Ich habe das Lernangebot getestet. Achtung: Spoiler-Alarm!
Tatort, Sherlock Holmes, Kommissar Wallander– zahlreiche Serien, Filme und Bücher drehen sich um Kriminalfälle. Bei der Aufklärung der Verbrechen spielen Rechtsmediziner*innen eine bedeutsame Rolle. Sie werden bei ungewöhnlichen Todesfällen im Auftrag der Staatsanwaltschaft oder eines Gerichtes tätig und untersuchen die Körper der Toten auf Hinweise etwa zu Todeszeitpunkt oder -ursache. Der alltägliche Umgang von Rechtsmediziner*innen mit Verstorbenen ruft bei vielen eine Mischung aus Faszination und Unbehagen hervor.
Wie der Arbeitsalltag in der Rechtsmedizin aussieht und mit welchen Methoden sie arbeitet, ist dagegen den meisten Menschen nicht bekannt: Was machen Rechtsmediziner*innen eigentlich genau? Das können Interessierte anhand des Lernangebots „Abenteuer Rechtsmedizin“ spielerisch herausfinden.
(Rechts-)Medizinisches Know-How spielerisch vermittelt
Das Spiel richtet sich an alle, die sich für das Thema Rechtsmedizin interessieren und ist in deutscher sowie in englischer Sprache verfügbar. Vorwissen ist nicht erforderlich. Gespielt wird online im Browser oder offline über eine Android-App.
Mit „Point & Click“ der Todesursache auf die Spur kommen
Das Spiel arbeitet nach dem „Point & Click“-Prinzip: Ich fahre mit dem Mauszeiger über das Bild und kann Objekte anklicken, zum Beispiel einen Körperteil der verstorbenen Person. Dann öffnet sich eine Auswahl von Werkzeugen, darunter verschiedene medizinische Instrumente und eine Hand, mit denen ich mit dem ausgewählten Objekt interagieren kann. So lässt sich zum Beispiel die Körpertemperatur messen oder eine äußere Leichenschau durchführen. Aber nicht vergessen: nach der Obduktion den Körper wieder zunähen!
Vielfältige Aufgaben lösen
Zu lösen gibt es fünf verschiedene und zum Teil echt gruselig klingende Fälle, die einen Einblick in das breite Aufgabenspektrum der Rechtsmediziner*innen geben:
- „Todeszeitbestimmung am Leichenfundort“,
- „Äußere Leichenschau: Todesursache und Todesart“,
- „Das Skelett im Wald“,
- „Der Vaterschaftstest“,
- „Fahrt im Rausch“.
Als Spielerin schlüpfe ich in die Rolle eines jungen Assistenzarztes, der seinem Chef helfen muss, das Ableben der Verstorbenen aufzuklären.
Angespielt: Ermittlung des Todeszeitpunktes am Leichenfundort
Ich entscheide mich für den ersten Fall: Todeszeitbestimmung am Leichenfundort. Als ich das Spiel öffne, fällt mir sofort die ansprechend gezeichnete Spieloberfläche im Comic-Stil ins Auge: Die schwarzweiße Farbgebung sorgt für eine schaurig-schöne Atmosphäre, ich fühle mich gleich mittendrin in meinem ersten rechtsmedizinischen Fall. Wer es noch dramatischer mag, kann zusätzlich noch die Tonspur aktivieren und sein Abenteuer von spannungsgeladener Musik begleiten lassen.
Zurück zu meinem Fall: Am Tatort wartet schon mit besorgter Miene die Polizeibeamtin, die mir die Situation schildert: Herr Müller wurde tot in seiner Wohnung gefunden. Nur: Wie lange liegt er schon da? Der Todeszeitpunkt muss ermittelt werden – von mir.
Die darauffolgende Szene zeigt einen leblosen Körper, der auf dem Boden eines schummrig beleuchteten Zimmers liegt. Ein Klick in das Bild erhellt den Raum. Etwas ratlos schaue ich mich zunächst erstmal um. In der Ecke finde ich einen Notizzettel mit meinen To-Dos: Um den Todeszeitpunkt zu ermitteln, muss ich die elektrische und die mechanische Erregbarkeit der Muskulatur untersuchen. Außerdem soll ich überprüfen, ob Leichenflecken oder eine Kieferstarre vorliegen und welche Körpertemperatur der Tote hat. Als aufstrebender Assistenzarzt gebe ich natürlich alles, um den Fall zu lösen. Nur: Wie geht das alles?
Ich klicke auf den Oberkörper des Toten und sehe eine Reihe von Werkzeugen, die mir bei der Arbeit helfen. Ich wähle zunächst eine Hand aus und ziehe diese auf den Oberkörper der Leiche. Eine Notiz erscheint, die mir sagt, dass ich versuchen muss, die Leichenflecken wegzudrücken. Ich werfe einen Blick ins Kurzlehrbuch: ganz schön viel Text! Dafür lerne ich, wie sich anhand der Leichenflecken auf den Todeszeitpunkt schließen lässt. Im Falle meines „Patienten“ lassen sich diese noch nahezu vollständig wegdrücken. Meine erste Schlussfolgerung lautet: Der Todeszeitpunkt liegt sehr wahrscheinlich noch nicht länger als 20 Stunden zurück.
Mit dem Thermometer messe ich als nächstes die Körpertemperatur: Der Körper des Toten ist bereits auf 32,3°C runtergekühlt – ein Zeichen dafür, dass der Tod vor 10 bis 16 Stunden eingetreten sein muss.
Als nächstes widme ich mich dem Kopf des Verstorbenen. Hier messe ich mit einem Reizstromgerät die Erregbarkeit der mimischen Muskulatur. Inzwischen schon etwas routinierter ziehe ich das Gerät auf das Gesicht des Verstorbenen: Das Augenoberlid zuckt noch. Das Ergebnis deutet auf einen Todeszeitpunkt vor weniger als 16 Stunden hin. Dass der Tod vor maximal 13 Stunden eingetreten sein muss, wird auch durch die mechanische Erregbarkeit der Skelettmuskulatur, die ich mit einem Reflexhammer am Oberarm des Verstorbenen messe, bekräftigt. Dann prüfe ich mit der Hand, ob und wie stark die Leichenstarre an Kiefergelenk sowie Armen und Beinen eingetreten ist: Der Tod muss vor 4 bis 20 Stunden eingetreten sein.
Meine Untersuchungen zeigen also: Der Tod muss vor 10 bis 13 Stunden eingetreten sein. Ich gebe meinen Tipp ab und liege richtig. Zur Belohnung stellt mir der Oberarzt eine Beförderung in Aussicht. Lief doch schon mal ganz gut!
Fazit
Das Lernangebot „Abenteuer Rechtsmedizin“ vermittelt spielerisch und anwendungsnah rechtsmedizinische Fachkenntnisse. Dabei laden die liebevoll gestaltete Spieloberfläche und die kniffeligen Fälle dazu ein, direkt in den Alltag der Rechtsmedizin einzutauchen. Die zu lösenden Aufgaben sind anspruchsvoll und bringen den Kopf zum Rauchen. Zum Lösen der Fälle muss das Gelernte kombiniert und eingeordnet werden – Gehirnschmalz und Transferleistung sind gefragt.
Wer noch nie ein „Point & Click“-Adventure gespielt hat, braucht vielleicht eine kurze Zeit, um sich an die Funktionsweise zu gewöhnen. Nicht immer sind die erforderlichen Schritte gleich ersichtlich. Aber: So ist es in der Realität ja auch und dranbleiben lohnt sich! Besonders gut gefallen hat mir die Verbindung von rechtsmedizinischem Handwerk und wissenschaftlichem Hintergrundwissen. Das Kurzlehrbuch ist informativ, die komplexe Thematik verlangt den Spielenden jedoch einiges ab. Ein Plus: Mir als Spielerin bleibt es selbst überlassen, wie tief sie in die rechtsmedizinische Materie eindringen will. Ich habe für die Lösung des ersten Falles etwa 20 Minuten benötigt. Die Tonalität des Spieles ist humorvoll und die Fragen im Quiz-Charakter machen es zu einem unterhaltsamen und kurzweiligen Erlebnis. Versuch es doch mal selbst! Vielleicht hast du ja das Zeug zur Rechtsmediziner*in?
09.11.2022 | Katrin Schröder
Stadt, Land, Fluss – die Plattform „Relationen in Stadt und Landschaft“
Häuser. Straßen. Große Parks. Kleine Grünanlagen. Plätze. Siedlungen. Freistehende Villen. Wald. Gewerbegebiete. – Stadt und Landschaft umgeben uns alle. Studierende und Lehrende der HCU erforschen im Studiengang Architektur regelmäßig, was Städte und Landschaften ausmacht, wie sie sich aufeinander beziehen, welchen Entstehungsbedingungen sie sich verdanken.
Häuser. Straßen. Große Parks. Kleine Grünanlagen. Plätze. Siedlungen. Freistehende Villen. Wald. Gewerbegebiete. – Stadt und Landschaft umgeben uns alle. Studierende und Lehrende der HCU erforschen im Studiengang Architektur regelmäßig, was Städte und Landschaften ausmacht, wie sie sich aufeinander beziehen, welchen Entstehungsbedingungen sie sich verdanken. Die Ergebnisse der Seminare archivieren und präsentieren sie auf der Online-Plattform „Relationen in Stadt und Landschaft“. Und ermöglichen es damit auch neugierigen Lai*innen, mehr über das komplexe Verhältnis von gebautem Raum und Gesellschaft zu lernen.
Raster für Raster
Auf der Startseite der Plattform geht es optisch nüchtern, dafür aber sehr aufgeräumt los. Ich kann über das Header-Bild zwischen den Hauptkategorien „Stadt“ und „Landschaft“ wählen oder dank der Navigation unterm Header auch direkt in bestimmte Themenbereiche von „Stadt“ und „Landschaft“ einsteigen.
Da ich gar keine Ahnung von Architektur oder Stadtplanung habe, folge ich meinem Neugierradar und entscheide mich für „Stadtlandschaften“. Was damit wohl gemeint ist? Ein Klick auf den Pfeil öffnet einen kurzen Einführungstext. Aha, „Stadtlandschaft“ bezieht sich unter anderem auf eine „positive urbane Utopie“. Weitere Einsichten verspreche ich mir von dem Button „Projekte“.
Dann allerdings: große Verwirrung. Der Bildschirm vor mir zeigt ein Raster mit Abbildungen, Grafiken, Textelementen. Was soll das? Auf dem YouTube-Kanal der HOOU stoße ich auf ein Video, in dem Lehrende der HCU die Plattform vorstellen – sehr hilfreich! Jetzt komme ich wieder mit. Das, was ich laienhaft als „Raster“ bezeichnet habe, heißt in der Fachsprache „CIAM-Grid“. Es ermöglicht es, Projekte anhand von verschiedenen Kategorien systematisch zu analysieren, aufzubereiten und auf diese Weise vergleichbar und diskutierbar zu machen.
Blöd nur: Sobald die Inhalte abgehängt werden, geht der Zusammenhang verloren. Die Plattform „Relationen in Stadt und Landschaft“ bietet nun gewissermaßen ein virtuelles Grid an, auf dem die Studierenden ihre Semesterprojekte archivieren und dokumentieren – und damit auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen können.
Learning by Klicking
Die zugrunde liegende Idee ist denkbar einleuchtend: In der linken Spalte steht, um welche Stadt, Siedlung, Landschaftsart – oder in meinem Fall eben Stadtlandschaft – es geht. Nach rechts entfalten sich die Kategorien, unter denen die Projekte analysiert werden. Und das sind einige. Dazu gehören etwa Überlegungen zu Stadt- und Bodenpolitik, Auswirkungen von Landschaft und Klima, Analysen zu Nutzung, Aneignung und Gebrauch von Gartenstädten oder die Frage, wie sich aus ersten Ansätzen zu Gartenstädten schließlich typische Merkmale entwickelt haben.
Wenn ich es genau wissen möchte, zoome ich einfach per Klick in das jeweilige Feld im Grid und erfahre Details etwa zur Geschichte, zum Bewirtschaftungsformen oder lokalen Bedingungen, unter denen die Gartenstadt meiner Wahl entstanden ist. Extra gut: Die Programmierung erlaubt es mir, mich in jeder Kategorie nach oben oder unten zu klicken, sodass ich Informationen zu den einzelnen Projekten direkt vergleichen kann.
Fazit
Wenn man sich in die Logik des virtuellen Grid eingefuchst hat, bietet die Plattform „Relationen in Stadt und Landschaft“ einen reichen Fundus an Wissen zu stadtplanerischen, städtebaulichen, landschaftlichen und urbanistischen Aspekten. User*innen erleben durch die Grid-Struktur ganz unmittelbar, dass die Gestalt von Städten und Landschaften durch vielfältige Zusammenhänge entstehen. Der Aufbau der Plattform erlaubt es zudem, der eigenen Neugier zu folgen – so lässt sich assoziativ, aber dennoch systematisch lernen.
Ein bisschen Lust auf Fachsprache sollten Lernende außerdem mitbringen. Angst vor unverständlichem Fachsprech muss aber niemand haben.
07.11.2022 | Katrin Schröder
Barrierearme Lehrmaterialien gestalten
Wie schaffen Sie eine möglichst barrierearme Gestaltung Ihrer Lehrmaterialien und erreichen damit möglichst viele Studierende? In unserem neuesten Artikel geht es genau darum!
Sie wollen Ihre Lehrmaterialien möglichst barrierearm gestalten, und es damit vielen Studierenden ermöglichen, schließlich gaben in einer Sozialbefragung 15% der Studierenden in Hamburg an, eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu haben (1).
Wie wird Behinderung definiert?
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX wird eine Behinderung und Beeinträchtigung folgendermaßen definiert:
„Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist. “ (2).
Was ist Barrierefreiheit?
2006 haben die Vereinten Nationen das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (VN-BRK) erstellt, welches 2009 von der BRD ratifiziert wurde.
Damit hat die Debatte um Menschenrechte und Barriereabbau in Deutschland neue Fahrt aufgenommen.
Wozu aber ist es wichtig, Barrierefreiheit in Bildungsthemen mitzudenken?
Dafür werfen wir einmal einen Blick auf die VN-BRK:
„Die Vertragsstaaten […]
o) in der Erwägung, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben sollen, aktiv an Entscheidungsprozessen über politische Konzepte und über Programme mitzuwirken, insbesondere wenn diese sie unmittelbar betreffen […]
v) in der Erkenntnis, wie wichtig es ist, dass Menschen mit Behinderungen vollen Zugang zu […] Bildung sowie zu Information und Kommunikation haben, damit sie alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll genießen können, […] haben Folgendes vereinbart.“
In der Begriffserklärung wird ausgeführt, was Kommunikation in diesem Übereinkommen bedeutet:
„Im Sinne dieses Übereinkommens
schließt „Kommunikation“ Sprachen, Textdarstellung, Brailleschrift, taktile Kommunikation, Großdruck, leicht zugängliches Multimedia sowie schriftliche, auditive, in einfache Sprache übersetzte, durch Vorleser zugänglich gemachte sowie ergänzende und alternative Formen, Mittel und Formate der Kommunikation, einschließlich leicht zugänglicher Informations- und Kommunikationstechnologie, ein;“
Und weiter heißt es in Artikel 24 zum Thema Bildung:
„(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen […]“ (3).
Warum brauchen wir Barrierefreiheit?
Nach den Ausführungen im VN-BRK wird deutlich, dass Menschen mit geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen durch Barrierefreiheit ermöglicht wird, stärker am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
In der Open Educational Resource (kurz OER) „OER barrierefrei gestalten“ wird die Sinnhaftigkeit von Barrierefreiheit in digitalen Medien erläutert.
Neben der besseren Zugänglichkeit und Teilnahme von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigung können auch andere Personenkreise von einer barrierearmen Gestaltung profitieren, wie z. B. Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
OER und Barrierefreiheit
Der Gedanke von OER ist der freie Zugang zu Bildungsmaterialen für alle und ohne Restriktionen. Natürlich haben auch OER ihre Grenzen, es gibt schließlich bestimmte Zugangsvoraussetzungen wie z. B. im Besitz eines Laptops o. Ä. zu sein, ein bestimmtes Bildungsniveau zu haben und generell alphabetisiert zu sein. Dennoch ist es besonders bei OER wichtig mit gutem Beispiel voranzugehen und so wenig Hürden wie möglich einzubauen.
Schauen wir uns also die gängigsten Medienformate in OER an und wie wir diese möglichst barrierearm aufsetzen können:
- Textdokumente/PDF
- Blogseiten
- Videos
- Podcasts
- H5P-Elemente
Textdokumente/PDF
Für Textdokumente, die danach in PDF umgewandelt werden sollen, gilt vor allem eins: Formatierung, Formatierung, Formatierung!
Es kann gut mit der Formatierung des jeweiligen Textprogramms gearbeitet werden, das heißt, es sollte eine sinnvolle Strukturierung und Ordnung durch Überschriften aufgesetzt werden. Die Strukturierung hilft nicht nur den Nutzenden, sondern auch den Erstellenden, um den Überblick zu halten.
Bilder und Grafiken sollten immer mit Alternativtext bestückt werden, damit Screenreader vorlesen können, was in den Bildern zu sehen ist. Kontraste sollten berücksichtigt werden, damit das Dokument gut lesbar ist. Also z. B. keine hellgraue Schriftfarbe auf weißem Hintergrund verwenden (4). Weitere und ausführlichere Hinweise zu barrierefreien Dokumenten finden sich in dem Dokument des „agilen Netzwerks für sehbeeinträchtigte Berufstätige“.
Blogseiten
Für Verschriftlichtes auf Blogs gelten in der Regel dieselben Grundsätze wie für Textdokumente, also (5):
- Eine gute Strukturierung und Formatierung des Texts (z. B. keine leeren Absätze)
- Alternativtexte für Grafiken und Bilder, die Screenreader vorlesen können
- Alternativen für Medien: Nach dem Zwei-Sinne Prinzip, d. h. Podcasts benötigen eine Transkription, Videos Untertitelung und am besten auch eine Hörversion (Audiodeskription).
- Leichte Sprache verwenden, die einfach zu verstehen ist. Hilfreich kann auch ein Glossar sein, das kompliziertere Wörter erklärt.
Übrigens: Google indiziert Text, aber kein Audio, Bild oder Video. Transkripte und Alt-Attribute helfen also bei der besseren Platzierung in Suchmaschinen. In diesem Blogartikel ist das nochmal nachzulesen.
Weitere und ausführlichere Tipps finden Sie bei dem Projekt BIK für alle.
Videos
Wie schon erwähnt, ist das Einstellen von Untertiteln bei Videos unabdingbar. Somit haben auch Menschen mit Hörbehinderung die Möglichkeit, die Videoinhalte zu verstehen.
Für Menschen mit Sehbehinderungen ist es von Vorteil, eine Audiodeskription des Videos zu erstellen, die man vielleicht auch vom Tatort aus der ARD-Mediathek kennt.
Hierbei wird auf der Tonspur Bild für Bild beschrieben, was gerade passiert.
Podcasts
Auch hier sollte es eine Struktur geben. Das bedeutet in dem Fall Kapitelmarker einzusetzen, um besser navigieren zu können.
Außerdem sollte es für Menschen mit einer Hörbehinderung auch hier wieder eine Transkription geben, die den Podcast als verschriftlichen Dialog wiedergibt.
Eine Anleitung zur Erstellung von Kapitelmarkern bei dem Anbieter Podcaster, finden Sie hier.
Für podlove gibt es hier eine Anleitung, allerdings nur auf Englisch.
Hierbei können Speech to text (STT) Programme helfen. Sehr akkurate Software kann kostspielig werden, aber ist sinnvoll, sofern Sie viel transkribieren müssen. Das Ausprobieren des kostenfreien browserbasierten Programms Speechnotes.co ergab, dass man sich mit ein wenig Übung Arbeit sparen kann, aber am Ende den gesamten Text nochmal auf eventuelle Fehler überprüfen sollte.
H5P-Elemente
Mit H5P (Abkürzung für HTML5 Package) lassen sich wunderbar barrierefreie und interaktive Lehrinhalte konzipieren. Daher eignet sich H5P bestens für die Erstellung von OER.
Da der Quellcode in H5P zudem offen ist, können Inhaltstypen von Entwickler:innen um Funktionen ergänzt oder nach den eigenen Bedürfnissen angepasst werden. Dies entspricht in besonderer Weise den Grundgedanken von OER.
In diesem Artikel auf lehre:digital hat Martina Schradi Impulse und wertvolle Links für den Einstieg in H5P zusammengetragen.
Oliver Tacke arbeitet gerade an einem neuen H5P-Tool, mit dem Transkripte zu Audio- und Videodateien erstellt werden können. Hier kann der Inhaltstyp ausprobiert werden und Feedback gegeben werden: https://www.olivertacke.de/labs/2022/10/25/ho-ho-ho-now-i-have-a-content-type-starting-with-t/
Barrierefreiheit in der Lehre
Wie verhält es sich mit der barrierearmen Lehre an den Hochschulen in Deutschland? Bei der Recherche für diesen Artikel wurde klar, dass viele Hochschulen in Deutschland sich bereits Gedanken zu dem Thema machen. Weiter unten finden Sie viele Handreichungen und Checklisten, die bei der Gestaltung weiterhelfen können.
Nun werfen wir noch einen Blick auf die Hamburger Hochschulen und die HAW Hamburg im Besonderen. So ist im Inklusionsplan der HAW Hamburg folgendes Zitat zu finden.
Die Lehre an der HAW Hamburg ist frei von Diskriminierung und weiteren Barrieren.
Inklusionsplan der
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Dieser Leitspruch wird im Hamburger Hochschulgesetz (kurz HHGstz §3) nochmal konkretisiert.
HHGstz §3 (8)
Die Hochschulen sind gesetzlich dazu verpflichtet darauf hinzuwirken, dass Studierende mit Behinderung in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und sie die Angebote der Hochschulen möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können.
Anregungen, wie Sie die Lehre abseits digitaler Medien möglichst barrierearm gestalten können, finden Sie in dieser Handreichung der HAW Hamburg.
In dieser Checkliste der Gleichstellungsbeauftragten können Sie herausfinden, ob Ihre Lehre und ihr Lernraum barrierearm aufgebaut sind.
Weiterführende Informationen und Quellen
[1] Poskowsky, J. et al. (2018): beeinträchtigt studieren – best2: Datenerhebung zur Situation Studierender mit Behinderung und chronischer Krankheit 2016/2017, hrsg. vom Deutschen Studentenwerk, Berlin 2018.
[3] Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen 2008
Seiten 2 ff, 18 ff
[4] Quick Guide. Barrierefreie Word-Dokumente agnes@work c/o DVBS e.V., Marburg 2022
[5] Webinhalte barrierefrei pflegen – ein Leitfaden für Online-Redakteure
BIK für Alle, Hamburg 2022
Linkliste
- Untertitelung von Videos
- Audiodeskription für Videos erstellen
- Transkription via Speech to Text
- Transkription in H5P
- „OER barrierefrei gestalten“
- Lernumgebungen und Lernmaterialien barrierefrei gestalten — ein Beitrag der HAW Zürich
- Indexierung und Darstellung von Medien in einem Entitäten-basierten Index
- Hamburgisches Hochschulgesetz
- Checkliste Lernumgebung
- Handreichung zu barrierearmer Lehre
- Inklusionsplan der HAW Hamburg
- Studieren an der HAW Hamburg mit Beeinträchtigung
- Blush – Frei verfügbare und abwandelbare Illustrationen
DOROTHEE WAGNER begleitet, berät und unterstützt OER-Projekte, die von der HOOU@HAW gefördert werden. Seit Herbst 2021 arbeitet sie mit an dem Aufbau eines Hochschulübergreifenden Qualitätsmanagement. Zudem kümmert sie sich um die Außenkommunikation der HOOU@HAW, schreibt Blogbeiträge und entwirft Social Media Strategien.
Diese Inhalte sind, wenn nicht anders vermerkt, lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
Lizenzhinweis: Barrierearme Lehrmaterialien gestalten, Dorothee Wagner | HOOU@HAW, CC BY 4.0.
04.11.2022 | Katrin Schröder
„How to Gestaltungsberatung“ – neues Tool fördert Teilhabe an öffentlicher Gestaltung
Ein Team von Designstudierenden um Professor Jesko Fezer von der Hochschule für Bildende Künste (HFBK) berät hier Menschen bei Projekten zur Um- und Neugestaltung in ihrem Stadtteil.
Vernachlässigte Grünfläche, heruntergekommener Kellereingang, ein nicht einladender Kiez-Treffpunkt – überall im öffentlichen Raum gibt es Orte, die den Bedürfnissen der Anwohnenden nicht gerecht werden. Wer an solch einem Ort etwas ändern möchte, kann sich in Hamburg an die „Öffentliche Gestaltungsberatung“ wenden. Ein Team von Designstudierenden um Professor Jesko Fezer von der Hochschule für Bildende Künste (HFBK) berät hier Menschen bei Projekten zur Um- und Neugestaltung in ihrem Stadtteil. Nun hat Fezers Team sein Wissen ins Internet gestellt. Das Lernangebot soll Gleichgesinnte und Designinteressierte dabei unterstützen, eigene öffentliche Gestaltungsberatungen (ÖGBs) ins Leben zu rufen – und so zu mehr Partizipation in der Gestaltung des öffentlichen Raums beizutragen.
Schon 2011 etablierte Jesko Fezer, Professor für Experimentelles Design an der HFBK, gemeinsam mit Design-Studierenden und der Initiative Gemeinwesenarbeit auf St. Pauli (GWA) eine wöchentliche Öffentliche Gestaltungsberatung – die erste ihrer Art in Deutschland. Gut zehn Jahre nach dem Start der ÖGA geben die Design-Berater*innen nun ihr gebündeltes Wissen und ihre Erfahrung mit dem HOOU-Lernangebot How to Gestaltungsberatung weiter – in der Hoffnung, mehr Menschen für die Idee zu begeistern. Einer dieser Berater ist Philipp Cartier. Er studiert Experimentelles Design im Master bei Fezer. An seinem Engagement bei der ÖGB gefallen ihm die Nähe zum Projekt und den Menschen dahinter sowie die direkte Anwendung und Erweiterung seines Wissens in der Praxis. „Ich lerne unglaublich viel Neues über Gestaltung, obwohl ich das eigentlich ja studiert habe“, sagt Cartier. Ein Jahr lang haben die Studierenden der ÖGB-Gruppe um Fezer an einem frei zugänglichen Lernangebot inklusive Website gefeilt. Das Ergebnis ist nicht nur ein Tool zur Schulung in Designfragen, sondern stellt Gestaltung in den Dienst von Partizipation und demokratischer Teilhabe. „Das HOOU-Lernangebot lädt alle Interessierten dazu ein, die Welt aus anderen Perspektiven zu betrachten“, so Fezer.
Fallbeispiel: Ein neues Kiez-Café stärkt die Gemeinschaft
Wie öffentliche Gestaltungsberatung funktioniert, lässt sich gut an der Neugestaltung eines Cafés im Hamburger Szene-Stadtteil St. Pauli ablesen. Ohne die Beratung durch Fezers Team wäre vermutlich ein hippes Café im klassischen Produkt- und Industriedesign entstanden, vielleicht sogar eine Art Co-Working-Café, das Menschen mit schöner Atmosphäre, gutem WLAN und einer Kaffee-Flatrate anlockt. Die ÖGB jedoch nimmt einen Perspektivwechsel vor und verlagert den Fokus von der wirtschaftlichen Relevanz auf die soziale: Die öffentlichen Gestaltungsberater*innen schaffen stattdessen gemeinsam mit den Projektinitiator*innen einen Ort, der das Gemeinschaftsgefühl im Kiez stärkt. Das Café soll Nachbar*innen zusammenbringen und die Menschen im Viertel dazu einladen, wieder mehr ins Gespräch zu kommen. Ein Element, das verbinden soll, ist z.B. eine passgenau über bestehendes Mobiliar gestülpte große Holzplatte, die aus mehreren Einzelsitzen eine gemeinsame Bank-Plattform macht. Das Beispiel zeigt: Die Gestaltung richtet sich an neuen Zielen aus – auch wenn die Designprozesse an sich dieselben sind.
So funktioniert „How to Gestaltungsberatung“
Wer das Lernangebot How to Gestaltungsberatung startet, erfährt zunächst, was eine Gestaltungsberatung ist und wie sie funktioniert. Es wird beschrieben, woher die Idee kommt, welche Projekte es in der Vergangenheit gab und wie man eine eigene Gestaltungsberatung startet. Vom Erkennen eines Problems über seine Formulierung bis hin zu Konzeptentwicklung, Umsetzung und Gebrauchserfahrung durchlaufen die Nutzer*innen des Lernangebots den gesamten Prozess. Da in der Praxis nicht jeder Gestaltungsprozess gleich abläuft, kommen auch mögliche Herausforderungen zur Sprache – mitsamt hilfreichen Lösungsvorschlägen. Wer tiefer in die Theorie einsteigen möchte, findet zudem eine Auswahl an weiterführenden Texten.
Kreativ, unterhaltsam, lehrreich
Bei How to Gestaltungsberatung sticht sofort der kreative Aufbau der Website ins Auge: Sie verläuft nicht, wie sonst üblich, von oben nach unten, sondern von links nach rechts. Wie eine Art Präsentation läuft sie parallel zu einer Audiospur ab. Eine gelungene Mischung aus theoretischer Wissensvermittlung und Mitschnitten von Diskussionen unter den Studierenden lässt die 53 Minuten wie im Flug vergehen. Insgesamt umfasst das Lernprogramm sechs Audio-Online-Lektionen, die aufeinander aufbauen. Trotzdem können die Nutzer*innen auch zwischen den Lektionen springen und die Audiospur jederzeit anhalten. Das ist insbesondere sinnvoll, um die Referenzprojekte genauer zu studieren oder die Videos aus Workshops in Ruhe anzuschauen. Lernmaterialien zu den wichtigsten Inhalten sowie praktische Arbeitshilfen gibt es zum Download.
Das gesamte Angebot ist darauf ausgerichtet, Personen mit Design-Vorkenntnissen den Schritt in die Anwendung zu ebnen. „Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Arbeit in der ÖGB wirklich berufsqualifizierend ist. Die Studierenden arbeiten in echten Projekten vom Briefing und ersten Kennenlernen bis zur Umsetzung“, sagt Fezer.
„Design ist grundsätzlich immer politisch“ – ÖGB als politisches Statement
Öffentliche Gestaltungsberatung beschäftigt sich im Vergleich zu klassischen Designansätzen fast ausschließlich mit Problemen und Themen, die sonst von Gestaltungsprozessen ausgeschlossen werden. Menschen, die sich professionelles Design für ihre Ideen und Projekte nicht leisten können, oder keinen kulturellen Zugang dazu haben, bekommen damit ein ermächtigendes Tool an die Hand. Das schafft Räume für gesellschaftliche Teilhabe – schließlich versteht sich die Gestaltungsberatung nicht nur als Angebot für, sondern gemeinsam mit Menschen und ihren Projekten. Im kollektiven Prozess zeigt sich dabei immer wieder, dass individuelle Defizite wie Armut, Verdrängung oder Bildungsmangel in politische Zusammenhänge eingebunden sind. Wer sich damit auseinandersetzt, erweitert den persönlichen Horizont und lernt zugleich mehr über die Lebenswelten und Vorstellungen seiner Mitmenschen.
„Die Gestaltungsberatung ist in besonderem Maße und vielleicht auf eine aktive, selbstbewusste Form politisch, indem sie die Fragen thematisiert: Für wen und mit wem arbeiten wir? Auf welches Ziel arbeiten wir hin und können wir mit darüber entscheiden, ob wir das tun wollen oder nicht?“
– Jesko Fezer
26.10.2022 | Katrin Schröder
Epidemiologische Detektivarbeit
In dem SeriousGame von der HAW Hamburg musst du einer Infektionskrankheit auf die Spur kommen.
Lothar Wieler, Marylyn Addo, Christian Drosten – die Corona-Pandemie hat uns die Arbeit von Wissenschaft und Public Health-Praxis nähergebracht. In dem von der HAW Hamburg und der Hamburg Open Online University (HOOU) gemeinsam entwickelten Serious Game „Epidemic Disease Detective“ – kurz „EDDi“ – erforschen wir nun selbst einen Infektionsausbruch und werden so zu virtuellen Kolleg*innen von Drosten und Co. Das Lernszenario ist Teil des Lernangebots der HOUU und wurde von einem interdisziplinären Team auf Grundlage des Game-based Learning entwickelt. Damit soll EDDi eine spielerische Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis in der akademischen Lehre bilden. Die Beta-Version ist momentan nur auf Englisch verfügbar, eine deutsche Version soll folgen. Im Test haben wir Lerneffekt und Spielspaß näher unter die Lupe genommen.
Keine Zeit zum Ankommen
Das Spiel beginnt damit, dass ich meinen Arbeitsvertrag beim Hamburger Gesundheitsamt unterschreibe. Als Junior-Epidemiolog*in habe ich die Aufgabe, die öffentliche Gesundheit zu überwachen, zu verbessern und zu schützen. Nachdem ich meine Unterschrift unter den Arbeitsvertrag gesetzt habe, flattert direkt die erste Mail auf meinem Handy ein – mein neuer Chef begrüßt mich. Eigentlich müsste ich meinen Arbeitsplatz erst einmal sortieren, denn hier gibt es einiges zu entdecken, doch das Handy meldet sich schon wieder: Mein neues Team lädt mich zum gemeinsamen Grillen ein. Wird es trotz vollem Schreibtisch am Ende ein entspannter erster Arbeitstag?
Nach einem Schluck aus meinem virtuellen Kaffeebecher piept mein Handy erneut. Mehrere Kinder wurden mit Verdacht auf das Hämolytisch-urämische Syndrom ins Krankenhaus eingeliefert. Das was? Als epidemiologischer Laie bin ich ratlos. Gut, dass auf meinem Schreibtisch auch ein wissenschaftliches Nachschlagewerk zu Infektionskrankheiten liegt! Ich suche den Eintrag zu dem Syndrom und finde: klingt nicht gut.
Was ist jetzt zu tun? Mein Schreibtisch enthält eine Landkarte Hamburgs sowie ein liebevoll gestaltetes Heftchen, dass mir die Stadt kompakt näherbringt und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten und Fakten vorstellt. Doch das bringt mich gerade nicht weiter. Mir fällt der gelbe To-Do-Zettel auf, der mich darauf hinweist, dass die Beweisfindung der wichtigste Punkt im Spiel ist. Ich lese den mir zugesandten Statusbericht noch einmal genau durch. Eher durch Zufall verstehe ich, wie die Spielmechanik hier funktioniert – doch dann geht sie leicht von der Hand. Wie ein Detektiv suche ich mir die wichtigsten Informationen zusammen, markiere sie und übertrage sie in mein Notizbuch.
Du entscheidest – mit weitreichenden Folgen!
Ich habe nun also die Wahl, ob ich die Erkrankung der Betroffenen ernst nehme oder aufgrund der niedrigen Fallzahl keine weiteren Schritte veranlasse. Die Corona-Pandemie hat mich gelehrt, dass auch bereits wenige Fälle weitreichende Auswirkungen haben können. Deshalb entscheide ich mich, dem Ganzen mit höchster Aufmerksamkeit nachzugehen.
Die Wahl zwischen verschiedenen Antwortmöglichkeiten zieht sich durch das gesamte Spiel. Ich habe es also selbst in der Hand, wie mein Team vorgeht und sich das Spiel entwickelt. Meine Entscheidungen haben dabei nicht nur Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen, sondern verändern auch das Vertrauen der Bevölkerung in mich sowie die wirtschaftliche Zufriedenheit. Zu einem späteren Zeitpunkt kommt zudem der öffentliche Druck hinzu, der es vermutlich auch den echten Epidemiolog*innen enorm erschwert, in Ruhe wissenschaftlich zu arbeiten. Und so gilt es, Ruhe zu bewahren, während die Fallzahlen in die Höhe schnellen, ein Bericht nach dem anderen eintrifft und ich genaue wissenschaftliche Detektivarbeit leisten muss, um die Ursache für den Infektionsausbruch aufzuspüren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Fazit
EDDi bietet einen interessanten Ansatz, um einen spielerischen Eindruck in die Arbeit von Epidemiolog*innen zu gewinnen. Die Spieloberfläche ist wenig spektakulär, dafür aber schön realistisch gehalten. Für Schwung sorgen die abwechslungsreich formulierten Mails und die unterschiedlichen Antwortmöglichkeiten, die den Arbeitsplatz zu einer immersiven und interaktiven Umgebung machen. Insgesamt stehen das exakte wissenschaftliche Arbeiten und eine gute Organisation im Mittelpunkt, denn alle Dokumente müssen genau untersucht und im Blick behalten werden. Dazu gibt das Spiel einen guten Eindruck in die Hektik eines Krankheitsausbruchs und die damit verbundenen Dynamiken, die einen schnell ins Schwitzen kommen lassen. Zudem ist das Spiel in eine ganze Reihe von Hybrid Teaching-Methoden eingebunden, so dass es vor allem für Studierende aus den Bereichen Gesundheitswissenschaften, Public Health, Epidemiologie und Medizin eine Menge zu entdecken gibt. Anspielen lohnt sich – in Kürze dann auch die Vollversion!
17.10.2022 | Katrin Schröder
Schule der Folgenlosigkeit
Wie lassen sich mehr Menschen durch Kunst und Kultur mit dem Thema Nachhaltigkeit erreichen, vielleicht sogar von der Dringlichkeit des nachhaltigen Lebens überzeugen?
„Anwendungsbericht“ zu einer künstlerischen App
Wie lassen sich mehr Menschen durch Kunst und Kultur mit dem Thema Nachhaltigkeit erreichen, vielleicht sogar von der Dringlichkeit des nachhaltigen Lebens überzeugen? Das war die Leitfrage, die Prof. Friedrich von Borries von der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) zu dem künstlerisch-diskursiven Projekt „Schule der Folgenlosigkeit“ motivierte. Um das Konzept der Folgenlosigkeit erlebbar zu machen, hat er unter anderem eine App entwickelt – in Kooperation mit der Hamburg Open Online University (HOOU) und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Die App lässt Nutzer*innen auch ohne Vorwissen in das Konzept der Folgenlosigkeit theoretisch wie praktisch eintauchen. Das macht nicht nur Spaß, sondern inspiriert zugleich Gedanken über das eigene Handeln und dem, was daraus folgt – oder eben auch nicht.
Folgenlosigkeit als neues Ideal
Die Idee der Folgenlosigkeit ist für Friedrich von Borries ein Ideal, das vergleichbar wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit niemals erreichbar, aber dennoch erstrebenswert ist. Folgenlosigkeit erleben Menschen auf verschiedene Art und Weise: zum Beispiel als negative Erfahrung im Ohnmachtsgefühl der Protestbewegungen genau wie als positive Hoffnung auf ein folgenloses Leben, das keine (negativen) Auswirkungen auf das der anderen hat.
Die Folgenlosigkeit beschreibt das Dilemma der Gegenwart. Die Klimakatastrophe zeigt uns, dass unser Handeln gravierende Folgen hat. Gleichzeitig scheint es, als ob viele Bemühungen, dagegen etwas zu tun, folgenlos bleiben. Ich will mich aber weder dem Wunschdenken noch der Verzweiflung ergeben. Ich erhebe deshalb die Folgenlosigkeit zum neuen Ideal.
(Friedrich von Borries in der App „Schule der Folgenlosigkeit“ von refrakt )
Schule mit viel Ironie
In der App „Schule der Folgenlosigkeit“ führt Friedrich von Borries als Moderator selbst durch die verschiedenen Stationen dieses Konzepts. Das hat wenig bis gar nichts mit dem herkömmlichen Philosophie- oder Ethikunterricht zu tun: Schule und Folgenlosigkeit schließen sich von der Idee her ja auch eigentlich aus. Und ganz anders als wir es von einer Lehrkraft erwarten würden, nimmt sich „Schulleiter“ von Borries niemals ernst, sondern zeigt sich im Gegenteil voller Ironie selbst immer wieder in amüsanten Szenen, sei es im Bett im Wald oder im Paddelboot im See.
Die App lädt ein, sich alleine oder in der Gruppe spielerisch mit kleinen, humorvollen, praktischen Experimenten der Folgenlosigkeit zu nähern und das eigene Erleben mit Inputs von Expert*innen abzugleichen und zu vertiefen: „Üben Sie ein folgenloses Leben“. Für jede abgeschlossene Übung erhalten die Nutzer*innen Punkte – am Ende gibt es ein „Zertifikat der Folgenlosigkeit“.
Breite Inspirationsquellen für unterschiedliche Themenfelder
Das Konzept der Folgenlosigkeit bedient sich aus unterschiedlichen Inspirationsquellen, angefangen bei religiösen Vorstellungen, zum Beispiel der christlichen Asketen oder vom buddhistischen Nirwana bis hin zu philosophischen Ideen der antiken Stoiker und Zeitgenossen wie Henning Ottmann. Nicht zuletzt spielen auch Vorstellungen aus der Kunst eine Rolle, wie sie etwa von Bazon Barock formuliert werden. Das alles klingt in den Übungen und Tutorials an und wer mag, wird es weiter vertiefen. Anders als im Curriculum in der Schule bauen die Themen nicht aufeinander auf, sondern können in beliebiger Reihenfolge gewählt werden.
Insgesamt sind es zehn Themenfelder, in die sich die App gliedert – unter anderem „Warten“, „Zerstören“, „Solidarität“, „Verzicht üben“, „Besinnung verlieren“, „Gegenmacht erstellen“ und „Zusammenhalt schaffen“. In jedem Themenfeld gibt es eine theoretische Einführung von Expert*innen wie der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, dem Soziologen Hartmut Rosa, dem Klimaaktivisten Tadzio Müller oder dem Schauspieler Eric Stehfest.
Selbstwirksamkeit üben
Bei den Übungen werden die Nutzer*innen selbst aktiv. In der App rollen sie den Stein des Sisyphos einen virtuellen Berg hoch, tanzen mit dem Smartphone oder erstellen ein Video über ihre persönliche Zukunftsversion. Die Übungen enthalten auch Interventionen im öffentlichen Raum: Wer den Anweisungen folgt und ein Ei balanciert oder anderen Menschen eine Zeitlang folgt, darf mit Resonanz rechnen und wird eingeladen, die eigenen Erfahrungen mit dem #folgenlos in sozialen Medien teilen – ein Widerspruch zur Folgenlosigkeit?
Ich finde an der Folgenlosigkeit natürlich auch total spannend, dass sie interpretationsoffen ist. Mein Ansatz ist, im Sinne eines künstlerischen Projekts, Anregungen zu geben, Denkanstöße und Provokationen – und eben nicht im Sinne eines politisch oder gar religiös-missionarischen Projekts zu behaupten, dass ich die Lösung und die Wahrheit gefunden hätte.
(Friedrich von Borries in „Hamburg hoert ein HOOU“, Podcast-Episode 12. Februar 2021)
Die App gibt es unter „Schule der Folgenlosigkeit“ kostenfrei in den App-Stores. Die Umsetzung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Künstler*innenkollektiv und Designbüro „refrakt“. Auf der Lernplattform der HOOU finden sich in der Beschreibung der Lerneinheit weitere Hinweise zu Lernzielen und für die Nutzung in der Schule oder anderen Kontexten des Lernens.
Kostenloser Download Google Play Store und im Apple App Store.
30.09.2022 | Katrin Schröder
„Innovation entsteht durch Neugier und Dialog“
Prof. Dr. Bäßler setzt sich seit den 60er Jahren für Innovation in der Schulmusik ein. Bis heute arbeitet er mit jungen Menschen und erlebt jeden Tag „… was für ein Geschenk es ist, mit Schüler:innen zusammenzuarbeiten, sie zu unterrichten und von ihnen zu lernen.
Die Karriere des renommierten Musikpädagogen Prof. Dr. Hans Bäßler hielt manch unerwartete Wende für ihn bereit. Sich immer wieder auf Neues einzulassen, wurde so zum roten Faden seiner Laufbahn – und diese Herangehensweise prägt auch die HOOU-Lernangebote, die er für die Hochschule für Musik und Theater entwickelt hat. Wir haben ihn anlässlich des Weltmusiktags am 1. Oktober zum Interview gebeten.
Lieber Herr Prof. Dr. Bäßler, wie entstand Ihre Begeisterung für die Musik, insbesondere für die Schulmusik?
Ich bin in einem sehr musikalischen Elternhaus großgeworden. Mein Vater war Augenarzt, wäre aber lieber Pianist geworden. Bis ins hohe Alter hat er gemeinsam mit anderen Kammermusik gespielt. Ich selbst hatte auch Klavierunterricht, war aber nie besonders engagiert. Erst in der Oberstufe hat sich das mit einem Mal geändert: Ich brachte mir autodidaktisch das Orgelspielen bei. Als Schüler und Student verdiente ich mein Geld im Wesentlichen bei Trauungen und Beerdigungen, arbeitete ab 1970 nebenberuflich an der Hauptkirche St. Petri in Hamburg als Organist. Kirchenmusik wurde zu meiner großen Leidenschaft. Mehr oder weniger aus einer Laune heraus absolvierte ich nach meinem Studium der Theologie, Philosophie und Kirchenmusik noch ein Studium der Schulmusik. Als Referendar am Gymnasium Willhöden, das heute Marion-Dönhoff-Gymnasium heißt, erlebte ich dann erstmals, was für ein Geschenk es ist, mit Schüler*innen zusammenzuarbeiten, sie zu unterrichten und von ihnen zu lernen.
Wie hat diese Zeit Ihre spätere Arbeit geprägt?
Bei der Arbeit mit Schülerinnen kommt man nicht drumherum, sich mit der populären Musik auseinanderzusetzen. Und da habe ich entdeckt, dass es dort einen großen Fundus an Nachdenken, an Berührung, an Wünschen und an Trauer gibt. Das wollte ich miteinander verbinden, denn ich glaube, dass man nur so Schülerinnen erreichen kann. Für jeden Menschen kann Musik eine Lebensbedeutsamkeit erlangen, wenn man praktisch mit ihr umgeht. Gleichwohl kann Musik auch dann berühren oder gar betreffen, wenn sie „nur“ hörend rezipiert wird. Damals im Referendariat habe ich mit den Schüler*innen „Pictures at an Exhibition “ von Emerson, Lake and Palmer durchgenommen. Das stieß auf große Begeisterung – zum einen, weil sie nicht damit gerechnet hatten, dass solche Musik auch im Unterricht stattfinden kann, und zum anderen, weil sie sich in ihrem Sosein ernstgenommen fühlten.
Als Sie 1979 Studienleiter am Institut für Praxis und Theorie der Schule in Lübeck wurden, hatten Sie weniger mit Schüler*innen direkt zu tun. Was waren Ihre Aufgaben?
Einer meiner Aufgabenbereiche war die Lehrerfortbildung. Mit gerade mal Anfang 30 lernte ich also gemeinsam mit den Referendar*innen, wie man einen anderen Musikunterricht denken und konkret umsetzen kann. Das war eine großartige Lehrzeit, denn ich war immerzu gezwungen, Innovationen voranzubringen. Wahnsinnig viel Spaß hat es mir damals auch gemacht, jenen Teil der Lehrpläne zu gestalten, der zum sogenannten Schwanz der Stundentafel gehörte, nämlich Musik, Kunst, Hauswirtschaft, technisches Werken und Sport. Während die anderen mich etwas müde belächelten, habe ich gesagt: Das ist doch die Chance, über Fächer, die nicht wirklich ernstgenommen werden, die aber trotzdem den Menschen in irgendeiner Weise betreffen, schulisch Veränderungen zu erreichen.
An der Hochschule für Musik und Theater Hannover übernahmen Sie 1994 den Lehrstuhl für Musikpädagogik. Inwieweit konnten Sie Ihre Ideen dort weiterentwickeln?
Das war zum damaligen Zeitpunkt deutschlandweit der interessanteste Lehrstuhl überhaupt, da experimentelles Arbeiten großgeschrieben wurde. In Kooperation mit Schüler*innen und Studierenden begab ich mich auf Entdeckungsreisen – Entdeckungen voll von Potenzialen, die in der Musik liegen, und Entdeckungen von Methoden, wie diese zu vermitteln sind.
Das klingt spannend – können Sie ein Beispiel nennen?
2009 meldet sich der NDR Hannover bei mir. Die Programmverantwortlichen wollten die „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz aufnehmen, und die Produktion sollte in irgendeiner Weise mit Schüler*innen zusammenhängen. Dazu muss man wissen, dass dieses Werk von der Besetzung her eine der umfangreichsten Symphonien überhaupt ist. Damals kamen gerade die Handyfilme auf, und so kamen wir auf die Idee, Schüler*innen im Rahmen eines Wettbewerbs Kurzfilme auf Basis der „Symphonie fantastique“ filmen zu lassen. Elf Studierende sind dann in die Schulen gegangen und haben die Symphonie unterrichtet. Danach konnten die Schüler*innen ihre Filme anfertigen und einreichen. Eine Auswahl wurde dann im großen Sendesaal des NDR vor 1.100 Schüler*innen präsentiert. Anschließend spielte das Orchester die ganze Symphonie – und das war das erste Mal, dass ich ein Schülerkonzert erlebt habe, bei dem alle Schüler*innen mucksmäuschenstill waren. Als der letzte Ton verklungen war, hat der Saal 20 Minuten lang getobt.
Was sagt diese Erfahrung über erfolgreiches Lehren und Lernen aus?
Erstens: Setzt neue Medien im konkreten, praktischen Arbeiten ein. Zweitens: Gängelt Schüler*innen nicht, sondern lasst sie selbst arbeiten, mit einer klaren Vorgabe. Und drittens: Setzt ihnen dabei immer ein konkretes Ziel.
War dieses Projekt für Sie ein Anstoß, neue Medien in die Lehre einzubeziehen?
Genau. Hier ergab sich die Einbeziehung dadurch, dass jeder Schüler ein Handy hat, und auf der Ebene der Studierenden dadurch, dass sie Filmschnitt, Audioschnitt und ähnliches lernen mussten. Seit damals ist das digitale Arbeiten für mich ein konstitutiver Bestandteil des musikpädagogischen Arbeitens überhaupt.
Neben Ihrer Lehrtätigkeit an der Hochschule für Musik und Theater haben Sie mehrere Lernangebote für die HOOU entwickelt – was begeistert Sie so daran?
Zum einen reizt es mich immer wieder, dass es keinerlei Vorgaben gibt – man muss immer wieder etwas ganz Neues erschaffen, was in der Musik nicht einfach ist. Zum anderen sollen die Lernangebote auch Menschen aus anderen Fachgebieten und interessierte Laien erreichen. Das erfordert ein gewisses Um- und Weiterdenken, das mir große Freude bereitet.
Wie kommen Sie immer wieder auf neue Ideen?
Ich habe in meinem Leben immer auf vorbehaltlosen Dialog gesetzt. Ich probiere Neues aus und reagiere auf die Reaktion. So entsteht Innovation. Dabei kommt mir sicherlich zugute, dass ich von Natur aus neugierig bin auf andere. Und ich habe keine Angst vor Unbekanntem, denn das Bedürfnis, sich gegen Neues abzuschotten – sei es im musikalischen oder im technologischen Bereich – resultiert ja aus Angst. Und das ist im ästhetischen Bereich besonders schlimm, denn da geht es immer um Geschmacksfragen. Deshalb meine ich, dass man trotz aller Unterschiede Wege finden muss, in einen Dialog zu kommen. Denn was verbindet uns als Menschen miteinander? Das sind bestimmte Grundfragen der Existenz. Das ist die Frage von Angst, von Freude, von Sehnsucht, von Hoffnung, von Enttäuschung. Und diese Phänomene finden sich alle in der Musik wieder.
Die Lernangebote von Prof. Dr. Hans Bäßler auf der HOUU-Plattform
• Musik 2050 – Apps im Musikunterricht von Prof. Dr. Hans Bäßler undTorsten Allwardt
• Songwriting – Apps im Musikunterricht von Prof. Dr. Hans Bäßler und Ole Oltmann
• Arrangieren für das Klassenmusizieren von Prof. Dr. Hans Bäßler, Henning Hansen und Dennis Bischoff
• Inklusion in der Musikpädagogik von Prof. Dr. Hans Bäßler, Michael Huhn und Dr. Björn Tischler
Weitere Lernangebote folgen bald:
• Historische Klaviere
• Quellengestützte Techniken der Historischen Aufführungspraxis
• Innovative Impulse der HfMT Hamburg für die Musikpädagogik zwischen 1968 und 1975
• Piano Keyboards – Hardware 19 trifft Software 21
23.09.2022 | Katrin Schröder
Die Herausforderungen des Klimawandels für die Gesundheit
Der Klimawandel wirkt sich drastisch auf die Umwelt aus – das ist mittlerweile allgemein bekannt. Doch wie sieht es mit den Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit aus? Diese Frage beantwortet das Lernangebot Let`s talk Climate.
In den Naturwissenschaften ist heute oft nicht mehr vom Klimawandel, sondern von einer Klimakatastrophe die Rede, um die dramatischen Folgen der aktuellen globalen Entwicklung zu verdeutlichen. In den Gesundheitswissenschaften finden diese hingegen noch immer kaum Beachtung – und das, obwohl sie große Herausforderungen für den Berufsstand mit sich bringen. Mit dem HOOU-Lernangebot „Let’s Talk Climate“ will die Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) das ändern.
Ein ansteigender Meeresspiegel, Extremwetterereignisse wie Stürme und Hitzewellen, Trinkwasserknappheit und Dürren – viele gravierende Folgen des Klimawandels sind inzwischen allgemein bekannt und auch in Deutschland teilweise schon spürbar. Dass sich aber all diese Umweltveränderungen auch direkt und indirekt vielseitig auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken, ist weitaus weniger Menschen geläufig. Welche Veränderungen bringt dieser Prozess mit sich, welche Lebensbereiche sind davon betroffen, wie müssen sich die Gesundheitswissenschaften den neuen Erfordernissen anpassen – und wie kann dieser Wandel aussehen? Mit diesen Fragen befasst sich das neue Lernangebot „Let’s Talk Climate“ der HAW Hamburg an der HOOU.
Klimawandel gewinnt im Gesundheitssektor an Relevanz
Galt Deutschland ehemals als ein Land, in dem das Wetter grundsätzlich eher durchwachsen ist, sprechen aktuelle Zahlen eine andere Sprache: Allein in den Sommern 2018 bis 2020 kamen hierzulande fast 20.000 Menschen durch Hitze zu Tode – damit ist zum ersten Mal seit Beginn des Untersuchungszeitraums im Jahr 1992 eine Übersterblichkeit aufgrund von Hitze in drei aufeinanderfolgenden Jahren aufgetreten, so die Ergebnisse einer Studie des Robert Koch-Instituts, Umweltbundesamts und Deutschen Wetterdienstes. Und der Klimawandel bringt noch weitere, zunächst weniger offensichtliche gesundheitliche Risiken mit sich, zum Beispiel eine Zunahme von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, mehr Allergien durch die steigende Luftverschmutzung, aber auch die Ausbreitung von exotischen Stechmücken, die gefährliche Infektionskrankheiten übertragen können. Wer zukünftig im Gesundheits- oder Pflegebereich arbeiten oder lehren möchte, wird sich mit diesen Themen auseinandersetzen müssen. Dass viele Studierende ein starkes Interesse daran haben, zeigt unter anderem die große Unterstützung der Klimastreik-Bewegung Fridays for Future (FFF). In den Curricula der deutschen Hochschulen finden sich diese Inhalte bislang aber kaum wieder.
Wissen nutzen und eine nachhaltige Entwicklung mitgestalten
Angesichts der neuen und immer dringlicher werdenden Herausforderungen hat die HAW Hamburg bereits 2007 als erste Hochschule Deutschlands den Lehrstuhl Klimafolgenmanagement und Gesundheit gegründet, der sich im Rahmen verschiedener Projekte mit diesen Themen auseinandersetzt. Mit „Let’s Talk Climate “ können alle Interessierten an diesem Wissen teilhaben, es für sich sowie für die eigene Lehre nutzen und so die Entwicklung im Gesundheitssektor mitgestalten. Dabei werden die Folgen, Risiken und möglichen Chancen des Klimawandels für die Gesundheit in Deutschland multiperspektivisch beleuchtet. Bewusst werden andere Gesundheitsversorgungsberufe mit einbezogen, darunter die Pflege- und Hebammenwissenschaften, aber auch angrenzende Fachbereiche wie die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
Podcast bietet multidisziplinäre Einblicke und Impulse
Den Auftakt des neuen Lernangebots macht der Podcast „Let’s Talk Climate Action! “. Darin gehen die Gesundheitswissenschaftlerinnen Derya Taser und Juliane Bönecke zusammen mit Expert*innen verschiedenster Forschungsdisziplinen den Herausforderungen des Klimawandels hinsichtlich der Gesundheit auf den Grund. Im Anschluss ordnen sie das Wissen im Dialog ein. Die ersten Folgen sind bereits online.
- In der ersten Folge sprechen die beiden Wissenschaftlerinnen mit Prof. Dr. Dr. Walter Leal, Leiter des Forschungs- und Transferzentrum Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement an der HAW Hamburg, über Wissen und Unwissen rund um den Klimawandel im Gesundheitssektor. Im Fokus stehen dabei Fragen wie: Wie steht es um die (Aus-)Bildung zu den Herausforderungen des Klimawandels im Gesundheitssektor? An welchen Stellen gibt es noch Forschungsbedarf? Und was ist eigentlich Planetare Gesundheit?
- In der zweiten Folge befragen die Moderatorinnen Hanna Mertes, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Public Health am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, zu den Auswirkungen, die extreme Hitze auf die Gesundheit haben kann. Ebenso werden im Gespräch konkrete Aufgaben und Herausforderungen in den Bereichen Aufklärung, Kommunikation und Forschung thematisiert.
Weitere Themen des Podcast sind unter anderem Infektionskrankheiten, Extremwetterereignisse und transformatives Handeln.
Interaktiv lernen und lehren
Sukzessive wird das Lernangebot „Let’s Talk Climate!“ ausgebaut und um weitere Module wie beispielsweise Selbstlernangebote und reale Fallbeispiele ergänzt. Dabei setzt das Angebot auf Blended Learning, indem es klassische Lehrformen mit interaktiven Methoden verknüpft, um das Bewusstsein und das Vorwissen zum Thema Klimawandel zu stärken und interaktiv gezielte Handlungskompetenzen zu entwickeln. Indem sämtliche Materialien unter einer offenen Lizenz veröffentlicht werden, ermöglicht das Projekt zudem bewusst die Bearbeitung und Weiterentwicklung der Inhalte. Insbesondere Lehrende erhalten so einen einfachen Zugang zu wissenschaftlich bearbeiteten Materialien für ihre eigene Arbeit. Fachliches Vorwissen ist dabei nicht erforderlich.
25.08.2022 | Katrin Schröder
Gesund durchs Studium – Neuigkeiten aus dem Projekt
Nachdem das HOOU-Projekt „Gesund durchs Studium“ in der ersten Jahreshälfte acht verschiedene Veranstaltungen organisiert hat, ist jetzt das erste von acht Modulen im Lernangebot online gegangen.
Nachdem das HOOU-Projekt „Gesund durchs Studium“ in der ersten Jahreshälfte acht verschiedene Veranstaltungen zu den Themen Prüfungsangst, Achtsamkeit, Bewegung, Schlaf, Kommunikation, Abhängigkeit, Ernährung und Gesundheitskompetenz im Studium organisiert hat, ist jetzt das erste von acht Modulen im Lernangebot online gegangen. Und auch sonst gibt es viel Neues zu berichten.
Modul: Gesundheitskompetenz – Was bedeutet das?
Das Modul besteht aus einem Handout, einer Podcastfolge des neuen Podcast fit & fröhlich und einem Quiz, mit dem das eigene Wissen getestet werden kann.
Das Lernangebot findet ihr hier: https://www.hoou.de/projects/gesund-durchs-studium/preview
Podcast fit & fröhlich
Der Podcast fit & fröhlich bietet einen Blick hinter den Begriff Gesundheitskompetenz und was dieser für eine Bedeutung für unsere Gesundheit hat. Es wird jeweils ein Gesundheitsthema pro Folge in Bezug auf die Gesundheitskompetenz besprochen. Am Ende wird der Podcast aus acht Folgen bestehen.
In der ersten Folge sprechen Lennart Haß, Projektleiter von ‚“Gesund durchs Studium“ und Roos Kengen, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt CamPuls an der HAW Hamburg, über Gesundheitskompetenz und was diese für einen Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Die beiden schauen sich die Theorie dahinter an und warum Gesundheitskompetenz für Studierende überhaupt relevant ist. Zum Ende des Podcast wartet ein kleiner Selbsttest auf dich.
Gesund durchs Studium als Fachprojekt im WS 22/23
Im Wintersemester 2022/23 wird, entstanden aus dem HOOU-Projekt, ein Fachprojekt, das mit Credit-Points honoriert ist, an den Departments Gesundheitswissenschaften und Ökotrophologie stattfinden. Die Inhalte und Themenauswahl sind dabei an das HOOU-Projekt „Gesund durchs Studium“ angelehnt. Bis zu 25 Studierende erarbeiten im Rahmen des Fachprojekts ein Gesundheitsthema und ordnen dieses in die Gesundheitskompetenz ein. Das von Kathrin Poggel (Forschungsprojekt CamPuls) und Lennart Haß (HOOU-Projekt und Forschungsprojekt CamPuls) geleitete Fachprojekt bringt damit das wichtige Thema Gesundheitskompetenz in die Lehre ein.
Lizenzen
Vorschaubild: Laetitia Lucht „Gesund durch’s Studium“ Lizenz CC BY-SA 4.0
Podcast Cover: Laetitia Lucht “Podcast Cover – Gesundheitskompetenz – Was bedeutet das?”, Lizenz CC BY-SA 4.0
Weitere Informationen
Projektseite Kompetenzwerkstatt
Interview zu Gesundheitskompetenz unter Studierenden an der HAW Hamburg
24.08.2022 | HOOU
Ein Plädoyer für OER
Wir von der Hamburg Open Online University (HOOU) setzen uns mit Herzblut für OER (Abkürzung für Open Educational Resources) ein. Wir sind davon überzeugt, dass diese ein Hilfsmittel zur Lösung verschiedener Herausforderungen im Bildungsbereich darstellen. Dieser Artikel ist ein Plädoyer für OER und soll aufzeigen, warum unsere Welt offene Bildungsressourcen braucht.
Nina Anders & Martina Schradi (HAW Hamburg), LEHRE:DIGITAL Ein Plädoyer für OER
Wir von der Hamburg Open Online University (HOOU) setzen uns mit Herzblut für OER (Abkürzung für Open Educational Resources) ein. Wir sind davon überzeugt, dass diese ein Hilfsmittel zur Lösung verschiedener Herausforderungen im Bildungsbereich darstellen. Dieser Artikel ist ein Plädoyer für OER und soll aufzeigen, warum unsere Welt offene Bildungsressourcen braucht.
Doch zunächst widmen wir uns der Frage, was OER eigentlich sind und wie sie funktionieren.
Was sind OER (Open Educational Resources)?
„Open Educational Resources (OER) sind jegliche Arten von Lehr-/Lern-Materialien, die gemeinfrei oder mit einer freien Lizenz bereitgestellt werden.
Das Wesen dieser offenen Materialien liegt darin, dass alle, die wollen, sie legal und kostenfrei vervielfältigen, verwenden, verändern und verbreiten können.
OER umfassen Lehrbücher, Lehrpläne, Lehrveranstaltungskonzepte, Skripte, Aufgaben, Tests, Projekte, Audio-, Video- und Animationsformate.“ [1]
Die Übersetzung der UNESCO-Definition nach Jöran Muuß-Merholz leicht adaptiert
Bildungsmaterialien und -inhalte werden also frei nutzbar, wenn sie als offene Bildungsressourcen zugänglich gemacht werden. Und nicht nur das: Das Verständnis von „offen“ orientiert sich an den sogenannten 5 V-Freiheiten nach David Wiley. Diese sind: verwahren/vervielfältigen, verwenden, verarbeiten, vermischen und verbreiten[2]. Die Lizenz einer OER definiert, wie andere diese im Sinne der 5V-Freiheiten nutzen dürfen (Klick aufs Bild für eine größere Darstellung):
OER = Öffnung der Bildung
Es geht also um eine Öffnung der Bildung. Konkret heißt das, dass OER, einmal im Internet veröffentlicht, von allen Menschen auf der Welt frei genutzt werden können. So kann beispielsweise das englischsprachige Lernangebot Green Hydrogen (an der TU Hamburg erstellt und auf der HOOU Plattform veröffentlicht) weltweit Menschen Kenntnis vermitteln, welche Rolle Wasserstoff als Energieträger einnehmen kann, und so zur allgemeinen Umweltbildung beitragen.
Damit kommen wir zu der Frage, wie OER zur Lösung verschiedener gesellschaftlicher Herausforderungen im Bildungsbereich beitragen kann.
Das Menschenrecht auf Bildung
Der Bildungsbegriff ist sehr komplex und lässt sich aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten.[4] Beispielsweise aus einem volkswirtschaftlichen Blickwinkel (hier wird die Bildungsrendite in den Blick genommen) oder aber es wird eine soziologische Sicht eingenommen, bei der es etwa um Mechanismen wie die Vererbung von Bildungsarmut geht.
Weltweit und auch innerhalb der Länder gibt es nach wie vor eine große Ungleichheit in der Bildung. Der Zugang zu Bildung wird stark von Faktoren wie Herkunft, sozialem Status oder auch dem Geschlecht bestimmt. Neueste Untersuchungen ergaben übrigens, dass sich diese Ungleichheiten seit 2020 durch die Corona-Pandemie weiter verschärft haben[5], wie auch die folgende Visualisierung der UNESCO zeigt (Klick aufs Bild für eine größere Darstellung):
Das Menschenrecht auf Bildung wurde 1948 in den Allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte festgelegt und durch verschiedene andere Dokumente konkretisiert.[6] So hat die Bildungsagenda 2030 der UNESCO das folgende Ziel:
„Bis 2030 für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sicherstellen sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen fördern.“
Zitat: https://www.unesco.de/sites/default/files/2018-01/Bildungsagenda%202030_Aktionsrahmen_Kurzfassung_DeutscheVersion_FINAL.pdf, CC-BY-ND
Es geht also nicht um ein (rein) altruistisches Postulat, sondern um die Realisierung eines definierten Rechts. Das Recht auf Bildung ist das vierte der 17 sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs) der UN (United Nations). Diese 17 SDGs sind miteinander verwoben und unteilbar[7, 8] (Klick aufs Bild für eine größere Darstellung)
Zusammenfassend geht es darum,
- Bildungsarmut zu durchbrechen
- Bildungschancen zu ermöglichen
- Bildung weltweit zu verbessern
- Zugänglichkeit von hochwertigen Bildungsmaterialien zu erhöhen
OER fördern chancengerechte Bildung
Öffnung der Hochschulen durch OER
Wie können diese Rechte und Ziele eingehalten werden? Genau hier setzen OER an. Durch eine Öffnung der Bildung wird die Teilhabe aller an Bildung ermöglicht bzw. vereinfacht. Für Hochschulen bieten offene Bildungsressourcen eine Chance, sich zu öffnen und auch Menschen den Zugang zu ihren Lerninhalten ermöglichen, die nicht physisch präsent bei ihnen studieren. Vorbild ist u.a. die britische Open University, gegründet 1969. Hier können Menschen auch ohne Hochschulzugangsberechtigung studieren, völlig frei verschiedene Studienmodule wählen und so einen Studienabschluss absolvieren.[9]
Auch die HOOU Plattform hält momentan knapp 300 Lernangebote vor, die überwiegend im Hochschulkontext erstellt wurden. Chancengerechtes und lebenslanges Lernen wird hier bereits möglich gemacht.
Zugang zu Bildung durch OER
Die Ursprünge des OER-Gedankens sind stark mit der Hoffnung verbunden, Menschen in bildungsbenachteiligten Ländern den Zugang zu hochwertiger Bildung zu ermöglichen. So tauchte der Begriff OER im Jahr 2002 erstmals im „Forum on the Impact of Open Courseware für Higher Education in Developing Countries” auf.[10]
Doch auch in modernen Industriestaaten sind die Mechanismen der sozialen Ungleichheit deutlich, wie z.B. die folgende Abbildung für Berlin zeigt (Klick aufs Bild für eine größere Darstellung):
Wer heute an einer Hochschule studiert, sieht sich zudem häufig mit erheblichen Kosten für Lernmaterialien (oftmals Fachbücher) konfrontiert. Dieses Phänomen lässt sich in den USA in besonders ausgeprägter Form beobachten. Laut einer 2016 durchgeführten Studie (Florida Virtual Campus, 2016 Student Textbook and Course Material Survey)[11] haben 66,6 % der 22.000 befragten Studierenden das erforderliche Lehrbuch nicht gekauft, von denen 37,6 % eine schlechte Note erhielten und 19,8 % den Kurs nicht bestanden. Um zu verdeutlichen, um welche Summen es sich hier handelt: In East Carolina wurden im Jahr 2018 die Lehrbuchkosten für Studierende im Grundstudium auf 1306 $ (unterspricht umgerechnet ca. 1099,60 Euro) jährlich geschätzt.[12]
Es zeigt sich schnell, welche Benachteiligungen finanziell und sozial schlechter gestellte Schüler*innen und Studierende erfahren. OER ermöglichen hingegen kostenfreien, niederschwelligen und lernendenorientierten und damit leichteren Zugang zu Bildung als klassische Lehr-/Lernmaterialien. Sie können Benachteiligungen dadurch leichter entgegenwirken.
„Der freie Zugang zu Bildungsressourcen im Internet wird immer mehr als Bedingung für nationale und globale gesellschaftliche Entwicklung erkannt“.[13]
Barbara Getto & Michael Kerres (2018)
Förderung von Allgemeinbildung und Faktenwissen, Stärkung der Zivilgesellschaft durch OER
Auf individueller Ebene fördert Bildung das selbstverantwortliche Handeln und das staatsbürgerliche Bewusstsein.[14]. OER bieten dafür einen Raum. Jenseits der formalen Bildung finden hier Themen eine Öffentlichkeit, die Faktenwissen und allgemeinbindende Themen abbilden. So hat beispielsweise die HOOU an der HAW Hamburg 2020 einen sogenannten Hackathon veranstaltet. Unter dem Titel „Hacks&Tools meets #OERcamp“ richtete sich die dreitägige Veranstaltung an die Zivilgesellschaft, um OER zu konzipieren. Sie bot Workshops und Coaching an und am Ende der Veranstaltung beriet ein Kuratorium über die Vergabe von Fördergeldern zur Umsetzung der Konzepte. 12 ausgewählte Konzepte erhielten am Ende der Veranstaltung eine Empfehlung für eine Projektförderung durch die HOOU@HAW: z.B. zum Thema Energiewende („How To Change A Running System“), KI („KISS* – KI für Schüler*innen und Studierende“) oder Demokratiebildung („Don’t Hate! Participate“).
Desweiteren fördert die HOOU für die Zivilgesellschaft relevante und die Allgemeinbildung fördernde Projekte auch im wissenschaftlichen Kontext: z.B. zu den Themen psychische Erkrankungen bei Studierenden (z. B. „Studieren mit einer psychischen Erkrankung: geht das?“), Ernährung (z. B. „Nudging in der Ernährung“, „Gesund genießen am Arbeitsplatz“) oder zum Thema Diversität (z. B. „Diversify! – Diversitätsbewusste Mediengestaltung“, „Subjektive Diversität und Teamerfolg“). Diese Projekt sind, von der HOOU@HAW gefördert, im Rahmen von wissenschaftlich begleiteten Projekten entstanden.
OER fördern selbstbestimmtes Lernen
Sowohl die formale als auch die nonformale Bildung profitieren von OER. Lernende können sich je nach Interesse oder Lehrplan mit Materialien auseinandersetzen, die sonst sehr aufwändig oder gar nicht zu finden wären. Sie können selbstbestimmt und individuell angepasst lernen. Im Sinne der Individualisierung von Materialien bieten OER praktikable Lösungen und fördern die Realisierung einer inklusiven Bildung.
Offene Bildungsmaterialien bieten besondere Potenziale der Kollaboration und Kooperation, der Kompetenzentwicklung und der Entwicklung neuer pädagogischer Praxis, um die Entwicklung Lernender und Lehrender in allen Bildungsbereichen in einer digitalen Lebens und Arbeitswelt im 21. Jahrhundert zu unterstützen. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat das Potenzial von OER erkannt und ein Strategiepapier veröffentlicht.[15]
Lehrenden wird es einfach gemacht, hochwertige Materialen in ihre Lehre einzubetten, zu verändern und zu teilen: So muss das Rad nicht immer neu erfunden werden und es bleibt mehr Zeit für andere pädagogische Tätigkeiten.
OER bieten eine große Chance „Communities of Practice“ zu unterstützen sowie die Möglichkeit neue Wege des kollaborativen Arbeitens zu gehen. Auch hier werden Zeit und Aufwand beim Austausch und bei der Wiederverwendung von Ressourcen gespart.[16]
Ausblick
OER befördern eine offene Lehr-/Lernkultur und das lebenslange Lernen und tragen somit zu einer Verbesserung der Bildung bei.[17] Offene Bildungsressourcen sind eng verzahnt mit dem Prozess der Digitalisierung der Bildung. Die Investition lohnt sich. Die positiven Aspekte – sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene – sind vielfältig und miteinander verzahnt, wie wir hoffentlich anskizzieren konnten.
Es bleibt noch immer viel zu tun in dem vergleichsweise jungen Feld der OER. OER passen manchmal nicht in unser Bild, das von klaren Strukturen und formaler Bildung geprägt ist, denn offene Bildungsressourcen leben von der ständigen Veränderung, dem ständigen Wandel und das ganz gezielt.
OER bieten Möglichkeiten Wissen zu generieren, zu teilen, sich auszutauschen und alle Menschen können teilhaben. OER ermöglichen und brauchen neuartige Lernerlebnisse, kreatives Lernen und bieten so Raum zum Experimentieren und für Innovationen.
In unserer komplexen Welt mit ihren großen und dringenden Herausforderungen braucht es: Genau das!
Literatur und weiterführende Informationen
Headerbild: Das OER Global Logo von 2012 Jonathas Mello steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution 3.0 Unported (CC BY 3.0) via UNESCO.
[1] Muuß-Merholz, J. für OERinfo – Transferstelle für OER (2015). UNESCO veröffentlicht neue Definition zu OER (Übersetzung auf Deutsch) unter CC BY 4.0. Verfügbar unter: https://open-educational-resources.de/unesco-definition-zu-oer-deutsch/
[2] Muuß-Merholz, J. für OERinfo – Transferstelle für OER (2015). Zur Definition von „Open“ in „Open Educational Resources“ – die 5 R-Freiheiten nach David Wiley auf Deutsch als die 5 V-Freiheiten (Übersetzung, Anpassung und vorsichtige Erweiterung) unter CC BY 4.0. Verfügbar unter: https://open-educational-resources.de/5rs-auf-deutsch/. Ausgangsmaterial: Wiley, D. Verfügbar unter: http://www.opencontent.org/definition/
[3] Schlotfeldt, A., HOOU | HAW Hamburg (2022). Formulierungsmuster CC-Lizenzangaben unter CC BY 4.0. Verfügbar unter: https://www.hoou.de/materials/formulierungsmuster-cc-lizenzangaben
[4] Rohlfs, C. (2011). Bildungseinstellungen: Schule und formale Bildung aus der Perspektive von Schülerinnen und Schülern. Springer.
[5] Deutscher Bildungsserver (2020). Weltweite Auswirkungen des Coronavirus auf die Bildung. Verfügbar unter: https://www.bildungsserver.de/nachricht.html?nachricht_id=1019
[6] Motakef, M. (2006). Das Menschenrecht auf Bildung und der Schutz vor Diskriminierung: Exklusionsrisiken und Inklusionschancen (p. 52). DEU.
Barz, H. (2010). Bildung und Ökonomisierungskritik – Die Perspektive der Erziehungswissenschaften. In Handbuch Bildungsfinanzierung (pp. 145-154). VS Verlag für Sozialwissenschaften.
[7] UNESCO (Deutsche UNESCO-Kommission) (2022). Agenda Bildung 2030. Verfügbar unter: https://www.unesco.de/bildung/agenda-bildung-2030
[8] United Nations: THE 17 GOALS. Verfügbar unter: https://sdgs.un.org/#goal_section
[9] The Open University (2022). The Future is Open – Open your future with The Open University. Verfügbar unter: https://www.open.ac.uk/
[10] UNESCO (2002). Forum on the Impact of Open Courseware for Higher Education in Developing Countries. Final Report. Paris, Frankreich, 1.-3. Juli 2002, Dokumentcode CI.2002/CONF.803/CLD.1. Verfügbar unter: https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000128515
[11] Florida Virtual Campus. (2016). 2016 Florida Student Textbook & Course Materials Survey. Tallahassee, FL. Verfügbar unter: https://www.flvc.org/documents/96858/931951/2016+Student+Textbook+Survey.pdf/591cf5b0-bbe8-406d-acd8-b23d89b8577f
[12] Thomas, W. J., & Bernhardt, B. R. (2018). Helping keep the costs of textbooks for students down: Two approaches. Technical Services Quarterly, 35(3), 257-268.
[13] Getto, B., & Kerres, M. (2018). Digitalisierung von Studium und Lehre: Wer, warum und wie. Flexibles Lernen mit digitalen Medien ermöglichen. Strategische Verankerung und Erprobungsfelder guter Praxis an der Universität Duisburg-Essen, 17-34. Verfügbar unter: https://www.pedocs.de/volltexte/2018/15385/pdf/Ackeren_et_al_2018_Flexibles_Lernen_mit_digitalen_Medien.pdf#page=18
[14] Wößmann, Ludger (2009): Aufstieg durch Bildung. Bildungspolitik für den Zugang zur gesellschaftlichen Mitte. Bad Homburg: Herbert-Quandt-Stiftung.
[15] Bundesministerium für Bildung und Forschung: OER-Strategie – Freie Bildungsmaterialien für die Entwicklung digitaler Bildung, https://www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/3/691288_OER-Strategie.pdf?__blob=publicationFile&v=4
[16] Team OERinfo für OERinfo – Informationsstelle OER (2022). Was ist OER? Verfügbar unter: https://open-educational-resources.de/was-ist-oer-3-2/
[17] Otto, D. (2019). Offene Bildungsressourcen (OER) in der Lehrerausbildung. Die Bedeutung von Einstellungen und Kontextfaktoren, S. 221.
Credits für diesen Artikel:
Autor*innen: Nina Anders & Martina Schradi, Lizenziert unter CC BY 4.0 DE
NINA HENRIKE ANDERS ist Erziehungs- und Bildungswissenschaftlerin. Sie arbeitet an dem Aufbau eines übergreifenden HOOU-Qualitätsmanagementsystems für OER. Hier verbindet sie die Welt der Prozesse mit der Welt der Hochschuldidaktik.
MARTINA SCHRADI berät und lehrt an der HAW Hamburg und an der Uni Basel zu Didaktik und Gestaltung von digitalen Lernangeboten. Außerdem zeichnet sie Comics.
Sie erreichen Martina unter martina.schradi@haw-hamburg.de