23.09.2022 | Katrin Schröder
Die Herausforderungen des Klimawandels für die Gesundheit
In den Naturwissenschaften ist heute oft nicht mehr vom Klimawandel, sondern von einer Klimakatastrophe die Rede, um die dramatischen Folgen der aktuellen globalen Entwicklung zu verdeutlichen. In den Gesundheitswissenschaften finden diese hingegen noch immer kaum Beachtung – und das, obwohl sie große Herausforderungen für den Berufsstand mit sich bringen. Mit dem HOOU-Lernangebot „Let’s Talk Climate“ will die Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) das ändern.
Ein ansteigender Meeresspiegel, Extremwetterereignisse wie Stürme und Hitzewellen, Trinkwasserknappheit und Dürren – viele gravierende Folgen des Klimawandels sind inzwischen allgemein bekannt und auch in Deutschland teilweise schon spürbar. Dass sich aber all diese Umweltveränderungen auch direkt und indirekt vielseitig auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken, ist weitaus weniger Menschen geläufig. Welche Veränderungen bringt dieser Prozess mit sich, welche Lebensbereiche sind davon betroffen, wie müssen sich die Gesundheitswissenschaften den neuen Erfordernissen anpassen – und wie kann dieser Wandel aussehen? Mit diesen Fragen befasst sich das neue Lernangebot „Let’s Talk Climate“ der HAW Hamburg an der HOOU.
Klimawandel gewinnt im Gesundheitssektor an Relevanz
Galt Deutschland ehemals als ein Land, in dem das Wetter grundsätzlich eher durchwachsen ist, sprechen aktuelle Zahlen eine andere Sprache: Allein in den Sommern 2018 bis 2020 kamen hierzulande fast 20.000 Menschen durch Hitze zu Tode – damit ist zum ersten Mal seit Beginn des Untersuchungszeitraums im Jahr 1992 eine Übersterblichkeit aufgrund von Hitze in drei aufeinanderfolgenden Jahren aufgetreten, so die Ergebnisse einer Studie des Robert Koch-Instituts, Umweltbundesamts und Deutschen Wetterdienstes. Und der Klimawandel bringt noch weitere, zunächst weniger offensichtliche gesundheitliche Risiken mit sich, zum Beispiel eine Zunahme von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, mehr Allergien durch die steigende Luftverschmutzung, aber auch die Ausbreitung von exotischen Stechmücken, die gefährliche Infektionskrankheiten übertragen können. Wer zukünftig im Gesundheits- oder Pflegebereich arbeiten oder lehren möchte, wird sich mit diesen Themen auseinandersetzen müssen. Dass viele Studierende ein starkes Interesse daran haben, zeigt unter anderem die große Unterstützung der Klimastreik-Bewegung Fridays for Future (FFF). In den Curricula der deutschen Hochschulen finden sich diese Inhalte bislang aber kaum wieder.
Wissen nutzen und eine nachhaltige Entwicklung mitgestalten
Angesichts der neuen und immer dringlicher werdenden Herausforderungen hat die HAW Hamburg bereits 2007 als erste Hochschule Deutschlands den Lehrstuhl Klimafolgenmanagement und Gesundheit gegründet, der sich im Rahmen verschiedener Projekte mit diesen Themen auseinandersetzt. Mit „Let’s Talk Climate “ können alle Interessierten an diesem Wissen teilhaben, es für sich sowie für die eigene Lehre nutzen und so die Entwicklung im Gesundheitssektor mitgestalten. Dabei werden die Folgen, Risiken und möglichen Chancen des Klimawandels für die Gesundheit in Deutschland multiperspektivisch beleuchtet. Bewusst werden andere Gesundheitsversorgungsberufe mit einbezogen, darunter die Pflege- und Hebammenwissenschaften, aber auch angrenzende Fachbereiche wie die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
Podcast bietet multidisziplinäre Einblicke und Impulse
Den Auftakt des neuen Lernangebots macht der Podcast „Let’s Talk Climate Action! “. Darin gehen die Gesundheitswissenschaftlerinnen Derya Taser und Juliane Bönecke zusammen mit Expert*innen verschiedenster Forschungsdisziplinen den Herausforderungen des Klimawandels hinsichtlich der Gesundheit auf den Grund. Im Anschluss ordnen sie das Wissen im Dialog ein. Die ersten Folgen sind bereits online.
- In der ersten Folge sprechen die beiden Wissenschaftlerinnen mit Prof. Dr. Dr. Walter Leal, Leiter des Forschungs- und Transferzentrum Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement an der HAW Hamburg, über Wissen und Unwissen rund um den Klimawandel im Gesundheitssektor. Im Fokus stehen dabei Fragen wie: Wie steht es um die (Aus-)Bildung zu den Herausforderungen des Klimawandels im Gesundheitssektor? An welchen Stellen gibt es noch Forschungsbedarf? Und was ist eigentlich Planetare Gesundheit?
- In der zweiten Folge befragen die Moderatorinnen Hanna Mertes, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Public Health am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, zu den Auswirkungen, die extreme Hitze auf die Gesundheit haben kann. Ebenso werden im Gespräch konkrete Aufgaben und Herausforderungen in den Bereichen Aufklärung, Kommunikation und Forschung thematisiert.
Weitere Themen des Podcast sind unter anderem Infektionskrankheiten, Extremwetterereignisse und transformatives Handeln.
Interaktiv lernen und lehren
Sukzessive wird das Lernangebot „Let’s Talk Climate!“ ausgebaut und um weitere Module wie beispielsweise Selbstlernangebote und reale Fallbeispiele ergänzt. Dabei setzt das Angebot auf Blended Learning, indem es klassische Lehrformen mit interaktiven Methoden verknüpft, um das Bewusstsein und das Vorwissen zum Thema Klimawandel zu stärken und interaktiv gezielte Handlungskompetenzen zu entwickeln. Indem sämtliche Materialien unter einer offenen Lizenz veröffentlicht werden, ermöglicht das Projekt zudem bewusst die Bearbeitung und Weiterentwicklung der Inhalte. Insbesondere Lehrende erhalten so einen einfachen Zugang zu wissenschaftlich bearbeiteten Materialien für ihre eigene Arbeit. Fachliches Vorwissen ist dabei nicht erforderlich.