zu sehen ist ein Pizzateig

Bild: Duncan Kidd / Unsplash

11.12.2025 | hoouadmin

Wie Kniffelix die Wissenschaft erlebbar macht

Die KinderForscher an der TU Hamburg wurden 2015 als eines der ersten Projekte der Hamburg Open Online University gefördert. Entstanden ist das digitale Lernangebot Kniffelix, in dem Interessierte mit Alltagsgegenständen selbst Experimente durchführen können. Ein Interview mit der Projektverantwortlichen Gesine Liese von Stephan Dublasky.

Es geht bei dem Gespräch nicht nur um das Lernangebote an sich. Es ist auch ein Rückblick auf die vergangenen zehn Jahr, die Gesine Liese schon mit den KinderForschern an der TU Hamburg aktiv ist und was sich verändert hat.

Wie startete das digitale Angebot der KinderForscher?

Gesine Liese: Wir haben in der Metropolregion Hamburg ein haptisches Projekt aufgebaut mit Experimentierkisten, die mit Alltagsprodukten bestückt sind: Hefe, Ketchup oder Legosteine aus dem Kinderzimmer. Und aus diesen haben wir Experimente entwickelt, zu denen passend die Experimentierkisten ausgeliehen werden können. Und dann hatte ich gehört, dass Professor Sönke Knutzen hier an der Technischen Universität Hamburg, wo ich ja KinderForscher gegründet habe, gerade dabei war, die HOOU aufzubauen, und Projekte suchte, um Wissenschaft an die Gesellschaft zu bringen. Und da habe ich gesagt: Ach, wie klasse ist das denn? Wie können wir das digital in die ganze Welt bringen, dass jeder so lernen kann, wie man das hier in Hamburg kann?

Und dann gab es die ersten Experimente zu Fragen wie: Wie geht Hefe auf und warum kommt der Ketchup nicht aus der Flasche? Also zu sehr alltagsnahen Themen. Das heißt, man brauchte dann, wenn man das machen wollte, nicht die Experimentierkiste, sondern man konnte es mit Alltagsgegenständen aus der eigenen Küche machen. Und wir haben es auch zugleich so konzipiert, dass jede Lehrkraft, egal wo sie auf der Welt ist, von zu Hause oder in der Schule, diese Sachen zusammensuchen und auch mit der Klasse experimentieren kann.

Bei euch geht es nicht nur um das Verstehen. Man muss auch mitmachen?

Liese: Man kann mitmachen. Lernen ist ja immer ein Angebot, aber man kann alle Sinne einsetzen. Also bei Kniffelix kann man nicht nur Fernsehen gucken wie bei der Sendung mit der Maus. Es ist auch so ein bisschen die Vorbildidee dahinter, da sitzt man aber passiv und guckt. Und ich wollte dieses Erlebnis viel größer machen. Ich wollte, dass man ausprobieren kann, wirklich mit den Händen arbeiten in der Küche, am Schreibtisch, am Esszimmertisch, im Garten. Dass man Sachen ausprobieren kann, die man digital gesehen hat – in Videos, Texten, Downloads und Arbeitsblättern.

Beim Lesen des Textes lerne ich schon etwas, aber wenn ich dann noch Wörter einfüllen muss? Zwischendurch macht mich das viel aktiver, als wenn ich nur lese. Und ich kann auch überprüfen, habe ich das verstanden, was ich da gerade gesehen oder erlebt habe. Und das Tolle am digitalen Lernen, also in der Hamburg Open Online University, ist, wenn ich jetzt gerade was nicht verstanden habe und es mich interessiert, kann ich jederzeit zurückgehen. Ich kann es an mein eigenes Tempo, an mein eigenes Lernverständnis anpassen.

Kniffelix ist durch die HOOU mehrere Jahre gefördert worden. Welche Angebote habt ihr realisiert in der Zeit?

Liese: Wir haben sechs Grundthemen erschaffen, sodass jede:r ab acht Jahren bis 99 die beliebtesten KinderForscher-Themen erleben konnte. Ich bin auch immer wieder angesprochen worden von Erwachsenen, die verstehen ja auch nicht immer, was die Hefe im Pizza- oder Brotteig zum Gehen bringt. Ich weiß auch nicht, warum der Ketchup schnell oder langsam ist. Das ist für einen Achtjährigen total interessant, aber genauso war meine Schwiegermutter ganz begeistert mit über 80 Jahren. Die beliebtesten Fragen haben wir im KinderForscher-Team digital umgesetzt: Hefe, Ketchup, dann das Thema Flugzeug mit der Frage: Wie müssen Tragflächen geformt werden? Dann unser viertes Thema: Wo muss der Schwerpunkt im Flugzeug liegen? Danach ging es um die Produktentwicklung: Wie kommt man von der Idee eines Hubschraubers dazu, dass man einen Hubschrauber entweder als reales Produkt oder als Spielzeug entwickelt? Dann haben wir noch das Thema Boden oder Erde gemacht. Wenn ich eine Topfpflanze ziehe, woher soll ich wissen, was für eine Erde ich nehmen soll, wenn ich in den Baumarkt gehe? Da gibt es Säcke mit Zitronen-, Rhododendron-, Rosen- oder einfach Pflanzenerde. Was ist eigentlich Erde und worin unterscheidet sie sich? Dann stirbt die Topfpflanze auch nicht so schnell, sondern wächst und gedeiht, und man weiß sogar warum!

Das Kursbild zum Lernangebot: Kniffelix

Kniffelix

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Wie ist es mit Kniffelix nach der Förderung durch die HOOU weitergegangen?

Liese: Das Entscheidende war, als ich in der Hamburg Open Online University diese Förderung bekommen habe, dass ich von vornherein wusste, ich würde immer wieder rausgehen und weiteres Fördergeld von anderen Stellen nutzen, um auf dieses Fundament, das mir die HOOU ermöglicht hat, neue Projekte draufzusetzen und es wirklich als die digitale Kommunikationsplattform zu nutzen, die es heutzutage ist.

Wir haben im Rahmen des Ralf Dahrendorf Preises vom BMBF Gelder bekommen, sodass ich zusammen mit den Mitarbeitenden von Professorin Irina Smirnova vom Institut für Thermische Verfahrenstechnik der TU Hamburg konnte ein Thema aufgebaut werden. Aerogele sind die leichtesten Feststoffe der Welt und man kann zum Beispiel nachhaltige Baumaterialien ganz interessant mit Aerogelen herstellen. Man kann aber auch den leichtesten Nachttisch der Welt machen: aerogeles Gebäck oder eine aerogele Erdbeere – eine Erdbeere, die man anschließend auch essen kann. Also ein total cooles Thema!

Dann habe ich einen Antrag an die Sigma Aldrich Foundation in den USA geschrieben (durch Empfehlung von Merck in Deutschland) und gesagt, dass ich gerne mehr Themen entwickeln möchte, sodass wir weltweit mehr Schülerinnen erreichen können. Damit habe ich eine neue Mitarbeiterin eingestellt, die dann das Thema Chromatografie umgesetzt hat. Dabei geht es um Trennverfahren. Jeder kennt es schon als Kind: man malt ein Bild mit Filzstiften und dann trinkt man etwas oder isst ein Eis dabei, und dann klecksen Tropfen aufs Papier. Plötzlich sieht man, dass zum Beispiel der rote Filzstift in dem Tropfen Wasser aufgetrennt wird in Gelb und Pink, weil Rot durch Magenta und Gelb hergestellt wird. Das ist Chromatografie, und wer mehr darüber lernen will, kann das auf Kniffelix lernen. Es geht auch darum, wie Forschende das in ihrer Forschung nutzen. Bis heute fördert Merck die weitere Entwicklung neuer Kniffelix-Themen und die KinderForscher. 

Welche Themen sind für die Zukunft geplant?

Liese: Dr. Paul Bubckenheim vom Institut für Technische Biokatalyse der TU Hamburg hat zusammen mit dem Start-up Infinite Roots einen erfolgreichen Projektantrag beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gestellt. Wir suchen gerade eine neue Mitarbeiterin mit einer 60-Prozent-Stelle für drei Jahre, um das neue Thema zu entwickeln. Es geht darum, die Molke als Hauptnebenprodukt der Milchverarbeitung aufzuwerten und für die Herstellung neuer Lebensmittel und neuer Produkte zu nutzen, zum Beispiel um Pilz-Mycelium zu züchten.

Wir werden genau bei den Pilzen anfangen, bei etwas, das alle in ihrem Alltag kennen. Wir werden die Forschung begleiten und auch darstellen, wofür Pilze und ihr Mycelium bisher verwendet werden können. Man sieht Pilze im Wald, die an Bäumen wachsen, die in der Erde wachsen. Pilze haben eine enorme Bedeutung für das komplette Ökosystem, also nicht nur für unser Angebot an Nahrungsmitteln – das werden alle bei Kniffelix lernen können. 

Was würdest du neuen HOOU-Projekten raten, die jetzt eine Förderung beantragen?

Liese: Wie sollte man sich ein Projekt ausdenken und loslaufen? Das ganz Entscheidende beim Lernen ist: Worauf habe ich Lust, worauf habe ich Bock, wofür brenne ich? Und wenn man da etwas findet… und mein großes Ziel war, meine Leidenschaft in die Welt hinauszutragen. Das Allerwichtigste ist, dass man sich einfach fragt: Woran arbeite ich gerne? Man muss den Mut haben, einen Antrag zu stellen und das innere Selbstvertrauen, dass da schon etwas Cooles herauskommen wird. 

Über Giese Liese

Gesine Liese wuchs unter anderem im Silicon Valley auf und ist eine überzeugte Gründerin, die aus der sprichwörtlichen Garage heraus startete. Im Jahr 2007 entwickelte sie zusammen mit ihrem Mann, Professor Andreas Liese, Leiter des Instituts für Technische Biokatalyse, die Nachwuchsinitiative KinderForscher an der TU Hamburg. Zunächst begann alles in der heimischen Küche, danach auf dem Campus der TU Hamburg.