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17.05.2024 | Meena Stavesand
KI im Studium nutzen: Darum sollten sich Studierende mit KI-Tools auseinandersetzen
ChatGPT, DeepL und Co. sparen viel Zeit. Bei den täglichen Routinen am Schreibtisch, aber auch bei der kreativen Arbeit. Doch wie lassen sich KI-Tools im Studium einsetzen?
Es ist eine spannende Frage, die Franz Vergöhl und Sophie Heins von der HafenCity Universität mit Studierenden besprochen haben. KI-Tools im Studium einsetzen – aber wie? Aus den Ergebnissen der Gespräche ist ein neues HOOU-Lernangebot entstanden: KI im Studium nutzen. Was in dem Kurs vermittelt wird und wie sich sowohl Studierende als auch Hochschulen in Zukunft auf den Einsatz von KI einstellen sollten, darüber sprechen wir mit den beiden im Interview.
Was ist euer Lieblings-KI-Tool?
Franz Vergöhl: Mein Lieblings-KI-Tool ist tatsächlich ChatGPT, das ich sehr gerne als Sparringspartner verwende, sei es für schwierige E-Mails, Projektideen, Titel für Podcastfolgen oder Artikel, aber auch für Social Media. Ich lasse mir zum Beispiel gerne Dinge vorformulieren oder auch Fragen stellen und verwende dann meine eigenen Formulierungen. Außerdem lasse ich mir manchmal Dinge von ChatGPT erklären, die ich sonst googeln müsste.
Sophie Heins: In letzter Zeit benutze ich vor allem DeepL Write, um E-Mails, die ich formuliere, von der Zeichensetzung korrigieren oder stilistisch besser formulieren zu lassen. Aber es kommt immer auf die Anwendung an. Also ChatGPT benutze ich natürlich auch, das finde ich ebenfalls sehr praktisch.
Ihr nutzt also KI-Tools in eurer täglichen Arbeit.
Sophie Heins: Ja. Wir hatten zum Beispiel vor kurzem eine Auftaktveranstaltung für eine Lehrveranstaltung und wir sind ganz begeistert von unserer ersten Aufgabe, die wir den Studierenden gegeben haben. Die haben wir nämlich mit Hilfe von ChatGPT generiert. Ich glaube nicht, dass wir selbst so schnell auf diese Aufgabe gekommen wären. Das ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie wir KI auch einsetzen. Es geht nicht nur darum, Texte zu verbessern oder zu korrigieren. KI-Tools können viel mehr.
Was war die Aufgabe?
Sophie Heins: In dem Seminar geht es darum, wie wir Städte nachhaltig gestalten können. Die Studierenden sollten dann in die Hafencity gehen und sie auf bestimmte Aspekte hin untersuchen – unter anderem auf nachhaltiges Wohnen. Eine Gruppe hat sich auf negative Punkte konzentriert, eine andere auf positive. Ihre Eindrücke sollten sie fotografisch dokumentieren. Anschließend haben wir anhand der Fotos darüber diskutiert. Die Fotodokumentation war eine Idee von ChatGPT.
Wie war das Feedback dazu?
Sophie Heins: Das kam bei den Studierenden sehr gut an, weil es eine willkommene Abwechslung zur Vorlesung ist. Sie müssen raus, sie machen Fotos, sie tauschen sich aus, sie diskutieren miteinander. Im Idealfall sind die Gruppen mit Studierenden aus verschiedenen Studiengängen gemischt, so dass verschiedene Perspektiven aufeinandertreffen. Auch wir sind von der Aufgabe begeistert.
Franz Vergöhl: Für kreative Aufgaben ist ChatGPT sehr hilfreich. Aber auch für organisatorische Aufgaben verwende ich es gerne. Derzeit koordiniere ich eine Runde mit verschiedenen Lehrenden aus Deutschland, die sich regelmäßig zum Austausch treffen. Für die Organisation mit vielen Informationen, die sinnvoll und schnell lesbar zusammengestellt werden müssen, benutze ich es ebenfalls. Ich schreibe alle Informationen nach bestem Wissen auf und frage dann die KI. Sie formuliert es so, dass es keine Dopplungen, keine unnötigen Füllwörter und dergleichen mehr gibt. Das ist sprachlich oft viel präziser, prägnanter und strukturierter und damit eine große Hilfe.
Und es geht auch viel schneller.
Franz Vergöhl: Ja, und es gibt eine gewisse Sicherheit, dass alles sinnvoll formuliert ist. Wenn ich den Text dann einer Kollegin zeige, haben wir eigentlich ein Sechs-Augen-Prinzip.
Wie geht ihr mit den Daten um?
Franz Vergöhl: Ich ändere zum Beispiel immer die Namen. Ansonsten arbeite ich, wenn ich ChatGPT benutze, mit wenig sensiblen Daten. Es gibt keine Forschungsdaten von Studierenden, die zurückverfolgt werden können oder ähnliches.
In eurem neuen Lernangebot auf der HOOU geht es auch um KI-Tools – und zwar um deren Einsatz im Studium. Wie seid ihr darauf gekommen?
Franz Vergöhl: Zum einen waren wir der Meinung, dass Studierende, die sich für den Einsatz von KI-Tools interessieren, mehr brauchen als die Handreichungen der Hochschulen. Die sind nicht wirklich pragmatisch und oft auch von der Sprache und vom Medium her nicht an die Studierenden gerichtet. Das fanden wir schwierig. Auf der anderen Seite ist KI so neu, dass es aus Sicht der Forschung oder der Wissenschaft keinen Wissensvorsprung gibt. Wir sind hier nicht in Themen unterwegs, die Professorinnen und Professoren seit 40 Jahren erforschen und dann den Bachelorstudierenden im ersten Semester ihren Wissensvorsprung präsentieren.
Wir wollten ein Gegengewicht schaffen und die Studierenden fragen, wie sie eigentlich mit KI umgehen, was sie voneinander lernen und wie sie sich gegenseitig unterstützen können? Die Grundidee war also, das studentische Wissen beziehungsweise die studentische Perspektive in den Mittelpunkt zu stellen.
Wie seid ihr dabei vorgegangen?
Sophie Heins: Wir haben viele Interviews mit Studierenden geführt oder mit Leuten gesprochen, die gerade ihr Studium abgeschlossen haben. Wir haben sie zum Beispiel gefragt, wie sich KI auf ihren späteren Beruf auswirkt oder ob sie sich bei der Anwendung von KI-Tools von den Hochschulen unterstützt fühlen. Was sie sich in diesem Zusammenhang wünschen. Daraus haben wir dann das Angebot entwickelt, das sich mit KI an sich beschäftigt, das generative KI erklärt und in KI als Werkzeug einführt, aber auch die Herausforderungen und Risiken von KI im Allgemeinen und im Rahmen der Bildung thematisiert.
Wir gehen auch darauf ein, was wir und KI für inklusive Bildung tun können, denn darum geht es im SDG 4 – hochwertige Bildung – im Rahmen der Sustainable Development Goals (SDGs). Das sind 17 Nachhaltigkeitsziele als politische Ziele der Vereinten Nationen, die weltweit eine nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene sicherstellen sollen. Das ist uns wichtig, weil wir an dem SDG-Campus an der HafenCity Universität angesiedelt sind. Darüber hinaus bietet der Kurs Beispiele dafür, wie KI konkret im Studium eingesetzt werden kann – von der Recherche über die Textverarbeitung bis hin zur Konzeptentwicklung – und gibt den Lernenden immer wieder die Möglichkeit, von ihren Erfahrungen in Foren zu berichten und von den Erfahrungen anderer zu profitieren.
Schließlich gibt es noch eine praktische Aufgabe mit der Frage: Wie können innovative Lösungen für Bildungsprobleme auf globaler Ebene dienen und gleichzeitig individuelle Bedürfnisse und soziale Gerechtigkeit im Bildungssystem fördern?
Das klingt spannend. Auch für diese Frage könnte man KI einsetzen – zumindest zum Brainstorming. Was meint ihr dazu: Ist die Hemmschwelle bei Studierenden groß, KI-Tools für studentische Aufgaben zu nutzen?
Franz Vergöhl: Nach meiner Wahrnehmung gibt es eher eine Hemmschwelle bei Studierenden, mit Lehrenden über den Einsatz von KI-Tools zu sprechen. Ich gehe davon aus, dass jeder schon einmal in die Anwendungen hineingeschaut hat. Aber bevor man sie im Studium einsetzt, sollte man sich gut informieren und mit anderen austauschen. Was darf man? Was darf man nicht? Unter welchen Bedingungen darf man? Gibt es Leitfäden und Regeln an der eigenen Hochschule?
Es ist aber auch wichtig, sich bereits im Studium mit KI zu beschäftigen. Denn die Kompetenz, mit KI-Werkzeugen umgehen zu können, wird wahrscheinlich auch im späteren Beruf benötigt. Es macht also keinen Sinn, sich im Studium davor zu drücken. Spätestens auf dem Arbeitsmarkt wird es verlangt.
Wie läuft der Diskurs über KI-Tools derzeit an den Hochschulen?
Franz Vergöhl: Es passiert viel, aber es wird noch nicht alles kommuniziert. Es wird sehr intensiv diskutiert, wie man KI strategisch einbinden kann. Kommt es in die Curricula der Bachelor-Studiengänge? Gibt es so etwas wie ein Studium Generale für KI? Wird es eher einzelne Kurse geben, in denen „Future Skills“ zum Beispiel in Projekten vermittelt werden? Wir sind glücklicherweise über den ersten Punkt hinaus, wo wir nur über Prüfung und Täuschung der Studierenden durch KI diskutiert haben. Das haben die Hochschulleitungen flächendeckend verstanden. Aber was unter der Oberfläche passiert, das kann ich in der Breite nicht sagen.
Ich glaube, was die Hochschulen tun sollten und was sie alle nicht tun, ist: Partizipativ mit ihren Studierenden zu sprechen, also die Studierenden als Ressource wahrzunehmen, um mit ihnen zu diskutieren. Was braucht ihr an welcher Stelle für euer Studium, was wünscht ihr euch für euren späteren Beruf? Das gemeinsam auszuhandeln, das ist etwas, was aus meiner Sicht viel zu wenig passiert. Und da braucht es ein bisschen mehr Tempo.
Sophie Heins: Ich möchte ergänzen, dass auch die Lehrenden mit ins Boot geholt werden müssen. Der Umgang mit KI sollte ein Diskurs sein, der mit allen Beteiligten an der Hochschule stattfindet. Mit unserem Lehrangebot an der HCU gehen wir einen ersten Schritt, um dafür eine Basis zu schaffen.
Sophie Heins und Franz Vergöhl treten beim Science-and-Art-Slam der HOOU auf
Bei ihrem Slam geht es ums Prompten – genauer um ein Prompt Battle, bei dem sie auch auf die Nutzung von KI im Studium eingehen. Das wird richtig spannend!
Bei dem ersten Science-and-Art-Slam der HOOU gibt es aber noch weitere tolle Beiträge – und du kannst live dabei sein. Am 30. Mai laden wir dich kostenlos in die Zentralbibliothek der Bücherhallen Hamburg ein und zeigen dir, wie wir Wissenschaft und Kunst miteinander verbinden. Erfahre in unserem Beitrag, wer alles die Bühne stürmt und was der Abend sonst noch bereithält!
01.05.2024 | Meena Stavesand
Klimaparlament: Deine Stimme für die Wesen und Unwesen auf unserem Planeten
Beim Klimaparlament, das wir im Rahmen der WATTwanderungen der TU Hamburg organisieren, wollen wir Wesen und Unwesen Gehör verschaffen, die keine Stimme haben. Denn nicht immer soll der Mensch über alles entscheiden, was unseren Planeten betrifft.
Was denken eigentlich die Tiere im Tierpark Hagenbeck über den Klimawandel? Sehnen sie immer längere Hitzeperioden herbei? Finden sie den Klimawandel also möglicherweise sogar gut? Wir wissen es nicht, weil wir sie nicht fragen können. Leider. Denn wir, die Menschen, treffen zum einen mit unseren Handlungen, zum anderen aber auch in der Politik Entscheidungen, die enorme Auswirkungen auf die Tiere haben. Warum eigentlich? Gibt es nur diesen einen Weg?
Flora, Fauna und Co. eine Stimme geben
Wie wäre es, wenn wir den Spieß einmal umdrehen und die Wesen zu Wort kommen lassen, die unseren Planeten zum Großteil besiedeln? Die Menschen sind das nämlich nicht. Sie nehmen nur einen sehr geringen Teil der Biomasse auf der Welt ein. Pflanzen (mit großem Abstand) und Bakterien sind in dem Ranking der Biomasse auf den Plätzen eins und zwei.
Menschen schlüpfen in andere Rollen
Also wie wäre es, wenn wir für die sprechen, die gar keine Stimme haben, weil sie als Pflanzen, Flüsse, Gebilde, Gebäude oder andere (Un-)Wesen existieren. Um ihnen Gehör zu verschaffen, gibt es das Klimaparlament. Das ist eine Zusammenkunft von Botschafter:innen der besonderen Art. Die Teilnehmenden sind Menschen, aber schlüpfen dann in eine neue Rolle.
In Workshops recherchieren sie alle Informationen zu ihrem (Un-)Wesen, entwickeln Standpunkte und kämpfen für das Recht ihres (Un-)Wesens. „Um die Standpunkte wirklich gut zu vertreten, muss man sich in das Wesen oder Unwesen einfühlen, man muss es verstehen, durchdringen sozusagen“, erklärt Amelie Hensel, die mit Steffen Lars Popp 2015 das Klimaparlament als erste Idee entwickelt hat. Zum Team stießen Judith Henning, Annette Haunschild und Christoph Rothmeier hinzu. 2020 fanden in Hamburg drei Gründungsversammlungen statt und 2022 in Frankfurt eine zweite Ausgabe.
Drei Workshops und eine Parlamentssitzung
Gemeinsam mit der HOOU, den WATTwanderungen der TU Hamburg, dem Klimaparlament und den Hamburger Bücherhallen wird es im Mai und Juni in drei Workshops und einer abschließenden Parlamentssitzung die Möglichkeit geben, die eigene Perspektive zu wechseln. In den Workshops geht es darum, welche Rolle man einnehmen möchte. Dann fühlen sich die Teilnehmenden in ihr (Un-)Wesen ein, indem sie alle Informationen dazu sammeln und Standpunkte entwickeln. „Außerdem basteln wir Kostüme für das (Un-)Wesen, die die Teilnehmenden beim Abschlussevent im Idealfall auch tragen. Wir möchten damit alle Sinne ansprechen. Denn je mehr Sinne eingebunden werden, desto besser versteht man das (Un-)Wesen und ist als Botschafter:in eher bereit, im Alltag klimagerechter und empathischer zu handeln“, erklärt Amelie Hensel.
„Veranschaulichen lässt sich das beispielsweise beim Thema Smog“, ergänzt Judith Henning. „Wenn Menschen Smog einmal erlebt haben, wissen sie genau, wie schlimm dieser für den Alltag, das Leben und die Gesundheit ist. Diese Art des Einfühlens möchten wir auch bei den Botschafter:innen erreichen, die für ein (Un)Wesen sprechen.“ Denn: „Jeder, der ein (Un-)Wesen vertritt, muss auch für den Wandel bereit sein und Empathie aufbringen“, sagt Henning weiter. Es gehe darum, die eigene Rolle (also die des Menschen) aufzugeben und ausschließlich für das (Un-)Wesen zu agieren.
So funktioniert das Klimaparlament
Doch wie läuft das Ganze ab? Wer Lust, Zeit und Interesse hat, etwas Neues auszuprobieren, ein Wesen oder Unwesen besser kennenzulernen oder vielleicht schon eines im Kopf hat, für dessen Belange er oder sie brennt, für den finden im Mai und Juni drei Workshops und eine Parlamentssitzung statt.
Das sind die Termine:
- Workshop 1: Samstag, 11. Mai, 11 bis 17 Uhr, Zentralbibliothek der Hamburger Bücherhallen
- Workshop 2: Samstag, 25. Mai, 11 bis 17 Uhr, Zentralbibliothek der Hamburger Bücherhallen
- Workshop 3: Samstag, 1. Juni, 11 bis 17 Uhr, Zentralbibliothek der Hamburger Bücherhallen
- Parlamentssitzung: Sonntag, 2.6., 13 bis 16 Uhr, Kulturdeck des Oetinger Verlags
Wer sich für eine Teilnahme am Klimaparlament interessiert, sollte sich idealerweise für alle vier Termine Zeit nehmen. Die Arbeit der Workshops baut aufeinander auf, Ausnahmen sind aber möglich.
Aus Mensch wird Bakterium
In den Workshops suchen sich die Teilnehmenden ihre Rolle, beschaffen sich Expertenwissen und entwickeln ihre Positionen. Mit all diesen Informationen schreiben sie dann unter Anleitung eine Rede, die sie bei der Parlamentssitzung vortragen, um die Bedürfnisse ihres (Un-)Wesens bestmöglich wiederzugeben. Darüber hinaus basteln die Teilnehmenden passende Kostüme, die die Rolle widerspiegeln. Aus Mensch wird Bakterium oder Fluss oder Staudamm oder oder oder . . .
Nach Schreiben und Basteln geht es ans Feintuning. Es kommt ein stimmiger Sound dazu, den Sounddesigner Christoph Rothmeier mit den Teilnehmenden kreiert. Am Ende steht dann die kurze, stimmungsvolle Performance während der Parlamentssitzung.
Debatten und Beschlüsse
Aber es soll nicht bei den Reden bleiben. Wünschenswert wäre eine Debatte, die alle Standpunkte inkludiert und die letztlich auch Beschlüsse nach sich zieht, um ein gerechteres Zusammenleben auf diesem Planeten zu erreichen. Denn diese Beschlüsse sollen an den Hamburger Senat übergeben werden. „Die Politik soll diese in aktuelle Entscheidungen mit einbeziehen“, erklärt Amelie Hensel. „Aber es geht uns auch darum, dass sich Menschen mit dem Thema Klima auf eine neue Art vertraut machen, die Perspektive wechseln und für andere Wesen oder Unwesen sprechen.“
Kreative Übungen und Hilfestellungen für die Arbeit
Teilnahmevoraussetzungen gibt es keine. „Man sollte Lust haben, sich mit neuen Themen zu beschäftigen“, sagt Judith Henning. Obwohl eine Rede geschrieben werden soll, muss man keine große Schreibvorerfahrung mitbringen. „Wir helfen mit kreativen Übungen und Anleitungen“, sagt Amelie Hensel. Auch die deutsche Sprache sei nicht obligatorisch. Wer einen Beitrag auf Englisch halten möchte, sei herzlich eingeladen. Es gab sogar schon eine Rede in elbischer Sprache, erzählen die Initiatorinnen.
Mitmachen können alle, die . . .
- Lust auf einen Perspektivwechsel haben,
- sich für ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Rolle interessieren,
- bereits Expertenwissen mitbringen,
- sich mit anderen zum Thema Klima(wandel) austauschen wollen,
- sich in einem Verein oder einer Initiative engagieren, die sich mit bestimmten Themen, Rollen, Wesen oder Unwesen befassen,
- älter als 10 Jahre alt sind.
Diese Wesen und Unwesen könntest du im Klimaparlament vertreten
Das klingt dir alles noch zu abstrakt? Dann haben wir hier ein paar Ideen, die bei vorherigen Klimaparlamenten in Hamburg und Frankfurt am Main umgesetzt wurden oder die das Team im Kopf hat:
- Wie viel Müll wird eigentlich beim Hafengeburtstag oder beim Dom in die Stadt getragen und was passiert damit? Man könnte die Perspektive der Straße einnehmen, des Mülleimers, des Mülls an sich oder auch des Hafengeburtstags.
- Wie viele Glühwürmchen gibt es in Hamburg, in Deutschland und generell auf der Welt noch? Wo schwirren sie herum? Warum sieht man sie immer seltener?
- Wie geht es dem Stint in Hamburg? Dem kleinen Fisch macht die Elbvertiefung zu schaffen – sein Bestand ist nur noch gering. Welche Perspektive lässt sich hier einnehmen?
- Was macht der Schierlings-Wasserfenchel, der insbesondere in der Tide-Elbregion vorkommt? Welche Perspektiven passen dazu?
- Wespen, Bienen, Schmetterlinge und alles, was herumschwirrt, bieten auch jede Menge Blickwinkel.
- Wie steht’s um die Köhlbrandbrücke? Was bedeutet der Abriss und Neubau für die Brücke, für die Umgebung, fürs Wasser, für den Hafen? Was wären die Alternativen? Gibt es sie?
Das sind nur ein paar Ideen – welche hast du? Wir freuen uns, wenn du zu unserem Klimaparlament inklusive spannender Workshops kommst!
Weitere Informationen und die Anmeldung findest du bei den Bücherhallen.
24.04.2024 | Meena Stavesand
Entdeckt das Unerwartete und kommt zum Science-and-Art-Slam in die Bücherhallen
Lasst euch beim ersten Science-and-Art-Slam der HOOU von der Kreativität und den Innovationen unserer Forschenden und Kulturschaffenden begeistern. Markiert euch den 30. Mai in eurem Kalender und kommt in die Zentralbibliothek der Hamburger Bücherhallen. Es wird unterhaltsam, spannend und überraschend!
Wollt ihr Zeuginnen und Zeugen einer außergewöhnlichen Verschmelzung von Wissenschaft und Kunst werden? Dann seid ihr beim ersten Science-and-Art-Slam der HOOU genau richtig. In den Räumen der Zentralbibliothek der Hamburger Bücherhallen erwartet euch ein Kaleidoskop der Inspirationen. Ihr könnt Slammerinnen und Slammer erleben, die ihre Forschungen aus der Wissenschaft und ihre Werke aus Kunst und Kultur auf die Bühne bringen und euch mit neuen Eindrücken begeistern.
Dieser Abend ist eine Expedition in die Welt der Kreativität und des Wissens. Forschende und Kulturschaffende unserer Hochschulen entführen euch in ihre ganz eigenen Welten – von den melodischen Klängen Vietnams bis hin zu den Erkenntnissen moderner Materialwissenschaften. Moderiert wird der Slam von Ronny Röwert.
Das erwartet euch beim Slam
Abwechslung wird bei unserem ersten Slam großgeschrieben. Wer am 30. Mai in den Bücherhallen dabei ist, kann folgende Darbietungen live erleben – in dieser Zusammensetzung ist es einmalig:
- Besondere Klänge: Taucht mit Tam Thi Pham von der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) ein in die faszinierende Welt der Dan Bau. Die Dan Bau ist wohl das bedeutendste Instrument aus Vietnam, das mit nur einer Saite unglaubliche Klänge erschaffen kann. Davon könnt ihr euch live überzeugen.
- Moderne Problemlöser: Entdeckt mit Jan Küchenhof von der TU Hamburg innovative Methoden der „Collaborative Ideation“. Teams können dabei gemeinsam kreative Lösungen entwickeln – für die kleinen, aber auch großen Herausforderungen unserer Gesellschaft.
- Kraftvolle Stimme: Erlebt mit Linda Smailus von der HfMT, wie man die Kraft der eigenen Stimme in pädagogischen Kontexten nutzen kann, ohne selbst ein professioneller Sänger zu sein. Ihre Session „Vocalcoaching für Musikpädagog:innen/Audisti“ bietet praktische Übungen.
- Neue Einblicke: Bewundert die Vielseitigkeit von kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff durch die Augen von Philip Rose der HAW Hamburg. Er ist ein Pionier auf dem Gebiet der Materialwissenschaften.
- Musik und Mathe: Lasst euch von Vincent Dombrowski von der HfMT in die Welt der microtonalen Musik auf dem Saxofon entführen, eine Reise von Intuition und Gefühlen hin zu Berechnung und Präzision.
- Kunst auf der Bühne: Die Inglourious Art Mediators von der Hochschule für bildende Künste (HFBK) performen „Nackte Reiter“. Mit dabei sind Prof. Dr. Nora Sternfeld, Prof. Dr. Anja Steidinger und Julia Stolba.
- Prompten im Studium: Sophie Heins und Franz Vergöhl von der HafenCity University entführen euch in die aufregende Welt der künstlichen Intelligenz mit ihrem „Prompt Battle: KI im Studium nutzen“.
Mit diesem Event möchte die HOOU in Kooperation mit den Bücherhallen einen Ort schaffen, an dem Kreativität, Innovation und Neugierde aufeinandertreffen und der Austausch zwischen Forschenden, Kunstschaffenden und der breiten Gesellschaft gefördert wird. Wir freuen uns auch, dass Frau Dr. Eva Gümbel, Hamburger Staatsrätin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, ein Grußwort sprechen wird.
Programmablauf:
17:30 Uhr: Herzliche Begrüßung
17:40 Uhr: Grußwort von Dr. Eva Gümbel, Hamburger Staatsrätin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung
18:00 Uhr: Erster Slam-Slot
18:45 Uhr: Pause
19:00 Uhr: Zweiter Slam-Slot
19:45 Uhr: Das Urteil zählt – die Publikumsabstimmung
20:30 Uhr: Preisverleihung, Abschluss und Verabschiedung
Hier meldet ihr euch an
Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist notwendig. Die Tickets sind begrenzt. Melde dich daher bitte bis zum 29. Mai an, um dir deinen Platz zu sichern.
Entscheidet mit!
Erlebt, wie Forschende und Kulturschaffende ihre Leidenschaft und Expertise in einem spannenden Wettbewerb präsentieren. Und eure Stimme zählt – helft mit, zu entscheiden, wer den Slam gewinnt! Seid Teil dieser einzigartigen Verschmelzung von Wissenschaft und Kunst. Wir freuen uns auf euch!
20.04.2024 | Meena Stavesand
Ideen als Problemlöser: Gemeinsam kreative Lösungen schaffen
Das Lernangebot „Collaborative Ideation“ gibt Methoden an die Hand, mit denen Teams auch für komplexe Probleme Lösungen finden können.
Ideen hat jeder Mensch – und Kreativität kann man lernen. Davon ist Jan Küchenhof, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der TU Hamburg, überzeugt – und hat mit seinem kostenlosen Lernangebot „Collaborative Ideation“ gezeigt, wie wir gemeinsam für komplexe und gesellschaftlich relevante Probleme Ideen finden und entwickeln können. Das geht am besten in einem diversen Team. Im Interview erklärt Jan Küchenhof, was eine Idee eigentlich ist, wie Ideen entstehen und welche Rolle die eigene Kreativität bei dem Ideenfindungsprozess spielt.
Was ist eigentlich eine Idee?
Jan Küchenhof: Für mich ist eine Idee dieser Aha-Moment, den vermutlich jeder von uns kennt. Es macht klick bei uns im Kopf, der Schalter wird umgelegt und es offenbart sich eine potentielle Lösung. Eine Idee kann auch die Antwort auf eine Frage sein, über die wir uns schon länger den Kopf zerbrechen. Häufig muss man ein Problem etwas inkubieren, also etwas länger mit sich herumtragen bis man auf eine Lösung kommt. Eine Idee ist dann ein Problemlöser. Das heißt aber nicht, dass eine Idee immer etwas Neues sein muss – anders als bei einer Invention, also einer Erfindung.
Wie entstehen Ideen?
Jan Küchenhof: Ideen können auf unterschiedliche Arten und Weisen entstehen – bei denkenden Lebewesen sind sie das Resultat kognitiver Prozesse und können sich im Unterbewusstsein entwickeln, allerdings auch gezielt herbeigeführt werden. Klar ist: Jeder Mensch hat Ideen. Meist braucht es ein Problem, das wir zunächst verstehen und dann lösen wollen, damit wir Ideen erkennen. Dieser Prozess kann unterstützt werden – zum einen mit intuitiven Methoden wie etwa Brainstorming, die unsere Kreativität anregen, oder zum anderen mit diskursiven Methoden, die unser systematisches Denken anstoßen. Das Problem, das es zu lösen gilt, wird dann Schritt für Schritt analysiert und durchdrungen, um am Ende passende Ideen für die Problemlösung zu erhalten.
Diese Karte zeigt die „Welt der Ideen“ aus dem Lernangebot „Collaborative Ideation“. Bild: Jan Küchenhof/Hanna Bickmeier/CC BY-SA 4.0
Welche Rolle spielt die eigene Kreativität bei Ideen und kann ich Kreativität lernen?
Jan Küchenhof: Früher wurde oft angenommen, dass Kreativität eine besondere Fähigkeit ist, die einige Menschen besitzen und andere nicht. Daher haben sich manche selbst schnell als unkreativ abgestempelt und das Entwickeln von Ideen den „Kreativen“ überlassen. Es ist vermutlich auch so, dass einige Menschen einfach kreativer sind als andere – jedoch gibt es mehrere Formen von Kreativität und Expert:innen erkennen zunehmend, dass kreatives Denken zu den grundlegenden kognitiven Fähigkeiten gehört, die jeder besitzt. Wir alle werden bei der Geburt mit einer individuellen natürlichen Kreativität ausgestattet. In Kombination mit dem uns verfügbare Wissen steigt unsere verfügbare Kreativität und damit auch die kreative Leistung. Die kreative Leistung kann außerdem durch gezielten Wissenserwerb oder durch Kreativitätstechniken erhöht werden. Der Unterschied zwischen Menschen, die als kreativ und als nicht-kreativ gelten, liegt meist nur darin, wie aktiv sie diese Fertigkeiten nutzen. Daraus folgt: jeder kann seine kreatives Denken stärken und verbessern.
Wie entwickelt man seine Idee weiter?
Jan Küchenhof: Wenn man eine gute Idee gefunden hat, kann man versuchen, sie in die Tat umzusetzen. Natürlich kann nicht jede Idee realisiert werden – schon gar nicht sofort. Manchmal lohnt es sich auch, eine Idee erst einmal weiter zu durchdenken, zu entwickeln, bevor man in die Umsetzung geht. Mit Methoden wie Design Thinking haben wir heute die Möglichkeit, durchdachte Ideen zügig in Prototypen zu verwandeln und sie dann zu testen. Meist gibt es mehr als eine Lösung – daher ist eine gute Abwägung bei Ideen und deren Umsetzung wichtig. Hierbei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle wie Aufwand, Umsetzbarkeit, Nutzen und auch die Frage: Welche Alternativen es gibt? Besonders hilfreich ist bei diesem Ideenfindungsprozess ein vielfältiges Team und ein geleiteter Prozess, damit sich komplexe Probleme leichter lösen lassen.
Wie kommen wir an Ideen für sehr komplexe und gesellschaftsübergreifende Probleme?
Jan Küchenhof: Genau diese Frage haben wir uns an der TU Hamburg ebenfalls gestellt – und eine Lösung dafür gefunden. In dem HOOU-Lernangebot „Collaborative Ideation“ haben wir uns auf Probleme konzentriert, die eine hohe gesellschaftliche Relevanz haben, da sie alle Menschen betreffen, aber nicht von Einzelnen gelöst werden können. Im Team ist das verfügbare Wissen höher und der Austausch kann die Motivation stärker anregen als alleine im stillen Kämmerchen an neuen Ideen zu arbeiten. Außerdem kann man die Ideen dann mit den unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen der Gruppe diskutieren.
So haben wir uns ein sehr relevantes Thema gesetzt: „Plastikmüll in Stadt und Umwelt“. Zunächst haben wir die Probleme dieses Themas identifiziert und kategorisiert. Wir konnten festlegen, dass es Probleme gibt, die jeder Menschen angehen kann – etwa beim Einkauf den Jutebeutel zu nehmen statt die Plastiktüte. Andere Probleme wie Industrieabfälle, die etwa von Unternehmen in Gewässer geleitet werden, sind nicht von einer Einzelperson zu lösen und erfordern mehr als individuelle Maßnahmen. Hier kann zum Beispiel die Politik mit entsprechenden Regulierungen eingreifen.
Im weiteren Prozess stießen wir auf das Thema Mikroplastik – ein Problem, das weit über die Reichweite von Einzelpersonen, Unternehmen und auch Politik hinausgeht. Mikroplastik ist mittlerweile überall in unseren Ökosystemen verbreitet: in Böden, Gewässern, der Nahrungskette und sogar in uns selbst, was unter anderem zu erhöhtem Artensterben beiträgt. Um hier eine Wirkung zu erzielen, müssen umfassende Maßnahmen und Mechanismen aktiviert werden.
Nachdem wir die Probleme sortiert hatten, wählten wir diejenigen aus, die wir als lösbar ansahen. In einem weiteren Workshop widmeten wir uns dann der Lösungsfindung. Wir sammelten Ideen, wie die Probleme angegangen werden könnten, wählten die besten aus und ließen sie im 5-Minuten-Takt von Team zu Team wandern. Auf diese Weise konnten die Vorschläge verfeinert werden. Jetzt sind die Ideen ausgereift und bereit zur Umsetzung – und genau das macht sie wahrhaft kreativ.
Lernangebot Collaborative Ideation als kostenloser Moodle-Kurs
Das HOOU-Projekt „Collaborative Ideation: Design Methods going Digital!“ wurde bereits 2021 gefördert und realisiert und geht nun in die zweite Runde. Mit dem Umzug auf die neue Moodle-Plattform wird das Lernangebot interaktiver und bietet digitale Möglichkeiten zum Mitmachen und Nachmachen. Wer mehr darüber wissen möchte, wie man gemeinsam an komplexe Probleme herangeht und kreative Lösungen entwickelt, für den ist unser Lernangebot „Collaborative Ideation“ genau das Richtige. Realisiert wird es von Jan Küchenhof vom Institut für Produktentwicklung und Produktentwicklung (PKT) der TU Hamburg und fleißiger studentischer Unterstützung. Das neue Lehr- und Lernprojekt soll ab Januar 2024 online verfügbar sein.
Workshop: Leitfaden für Lehrende und Lernende: Problemlösekompetenzen stärken – Gemeinsam Ideen entwickeln
Ihr habt ein Problem und wisst nicht, wie ihr es lösen sollt? Am besten gemeinsam! Mit unserem Methodenbaukasten zeigen wir euch, wie ihr im Team Lösungsideen entwickelt, um kleine und große Probleme unserer Gesellschaft anzugehen. Mach’ bei uns eine Ausbildung zum Reiseführer durch die „Welt der Ideen“. Dafür bieten wir einen digitalen Termine an. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Die Teilnahme ist kostenlos.
Wann: Mi., 8. Mai 2024, 15:30 – 17:00 Uhr,
Wo: ZOOM, Meeting-ID: 837 9274 7930, Kenncode: 470395
19.04.2024 | Meena Stavesand
Vorhang auf: So spielt sich die Kunst und Arbeit am Theater ab
Mit dem Lernangebot „Accessing Theatre“ möchte die Hochschule für Musik und Theater (HfMT) ein wenig Licht ins Dunkel bringen, wenn es um die Frage geht: Wie arbeitet man eigentlich am Theater?
Seit etwa vier Jahren gibt es das Lernangebot „Accessing.theatre“ der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) in Hamburg. Prof. Sabina Dhein als Ideengeberin und Anja Redecker als Projektleiterin haben einen wahren Wissensfundus aufgebaut, der die Arbeit am Theater beleuchtet. Es geht dabei um ganz alltägliche Fragen, wie die Verhandlung von Gagen, aber auch um strukturelle Herausforderungen, wie man etwa ein diverseres Publikum ansprechen kann. Auch Themen wie Nachhaltigkeit in der Produktion oder die Zusammenarbeit zwischen Regie, Text und Dramaturgie werden behandelt. Wir haben mit Anja Redecker über „Accessing.theatre“ gesprochen und auch erfahren, was sie sich für die Zukunft wünscht.
Wenn du dein Lernangebot „Accessing.theatre“ in drei Sätzen für ein Kind erklären müsstest, wie würden die Sätze lauten?
Anja Redecker: Mit unserem Lernangebot „Accessing.theatre“ wollen wir den Zugang zum Theater öffnen. Es richtet sich an Menschen, die am Theater arbeiten wollen, aber auch an jene, die sich fürs Theater interessieren. Es ist ein Blick hinter die Kulissen, denn das Theater hat immer auch etwas Mysteriöses. Das kann auch so bleiben, aber ein wenig Licht wollen wir doch ins Dunkel bringen.
Um welche Themen geht es denn beispielsweise?
Anja Redecker: Es geht uns etwa um die Zusammenarbeit am Theater und um ganz alltägliche Fragen. Wie verhandelt man zum Beispiel Gagen? Das ist existenzielles Wissen. Außerdem behandeln Expertinnen und Experten die Frage, wie man Nicht-Publikum erreichen kann oder geben einen Überblick über die Theaterlandschaft in Hamburg. Interviews befassen sich z. B. mit der Frage, warum die sogenannten Klassiker immer wieder am Theater aufgeführt werden. Wir sprechen aber auch über klar definierbares Fachwissen: Was ist ein gutes Vermittlungsformat? Wie kann ich Multimedia-Technologien einsetzen? Wie schreibe ich einen Projektantrag? Wir tauschen bei all diesen Fragen Tipps und Erfahrungen aus. Alle, die sich fürs Theater in welcher Form auch immer interessieren, können aus „Accessing.theatre“ Learnings ziehen.
Wie kamst du auf die Idee zu dem Lernangebot?
Anja Redecker: Es war die Idee von Prof. Sabina Dhein, Direktorin der Theaterakademie an der Hochschule für Musik und Theater. Sie hatte mich darüber informiert, dass es über die HOOU möglich ist, Lernangebote zu konzipieren, die einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Und genau das sollte „Accessing.theatre“ sein – Theaterwissen für alle Menschen, die sich dafür interessieren. Sabina Dheins Idee war es, einen bleibenden und wachsenden Wissensfundus zum Theater aufzubauen – mit praxisbezogenem, informellem Wissen. Dies verband sich gut mit meinem Impuls, Theater und auch Theaterwissen zugänglicher zu machen. Schnell entstanden dann vier übergeordnete Kategorien, zu denen Inhalte entstehen sollten:
- Publikum: Da geht es etwa um Vermittlung und um die Frage, wie man welches Publikum erreicht.
- Programm: Hier klären wir, wie das Programm im Theater entsteht, wie es sich im Laufe der Jahre vielleicht auch verändert hat. Auch theatergeschichtliche Themen finden hier ihren Platz.
- Produktion: Wir beschäftigen uns mit der Produktion an sich, der Planung und dem Ablauf von Projekten und Inszenierungen.
- Politik: Wenn es um Theater geht, geht es auch um Politik – zum Beispiel Kulturpolitik. Aber auch um Arbeitsbedingungen, Gagen oder Gendergerechtigkeit.
Das klingt nach jeder Menge Arbeit! Wann habt ihr damit begonnen und wie lief die Umsetzung?
Anja Redecker: Wir haben 2019 mit der Konzeption begonnen. Zusammen mit Elise Schobeß habe ich ein Wahl-Seminar “Accessing.theatre“ gegeben. Daraus und aus weiteren Kursen sind Inhalte und auch Fragestellungen der Studierenden in „Accessing.theatre“ geflossen. Wir wollten dann noch mehr Expertise hineinbringen und haben in der nächsten Phase das Lernangebot um Inhalte von Experten und Expertinnen aus der Praxis erweitert. Zum Beispiel kommen im Podcast „Postskriptum“ Menschen aus Bühnenbild, Dramaturgie, Theaterpädagogik und vielem mehr zu Wort, die Einblicke in ihre Arbeit geben. So ist „Accessing.theatre“ stetig gewachsen – bis heute. Immer noch stellen wir selbst, Studierende oder externe Fachleute ihr Wissen online. Der Wissenskosmos zum Leben und Arbeiten am Theater wird so immer größer. Und dass das so gut funktioniert, ist nicht banal. Online Inhalte gut sichtbar und ansprechend zu platzieren, braucht Fachwissen. Dabei unterstützt mich von Anfang an Ulf Treger. Er ist bis heute maßgeblich an der Umsetzung der Inhalte für die Website beteiligt, macht sich immer Gedanken, wie neuer Content den Weg hierhin finden soll. Dafür bin ich sehr dankbar! Und so ist es ein Zusammenspiel aus vielen Menschen und Komponenten, dass wir auch etwa fünf Jahre nach der ersten Idee, weiterhin Inhalte für „Accessing.theatre“ produzieren.
Was sind deine drei Lieblingsthemen in dem Lernangebot?
Anja Redecker: Das ist wirklich eine sehr schwierige Frage. Ich würde am liebsten ganz viele aufzählen, aber wenn ich mich für drei entscheiden muss, dann sind es wohl diese:
- Theater und Multimedia von Greg Beller und Elise Schobeß: Da geht es um handfestes Praxiswissen mit zu Technologien.
- Impulse zur Selbstwirksamkeit von Stefanie Beckmann: Diese Videoreihe und die zugehörigen Worksheets sind Input und Reflexion zum Thema Selbstwirksamkeit, damit man in großen Strukturen wie dem Theater die eigene Richtung nicht verliert.
- Projektabläufe und Selbstständigkeit – als Künstler:in von Melmun Bajarchuu und mir: In dem Miroboard finden sich Antworten auf Fragen zur Selbstständigkeit als Künstler*in und zur Planung freier Projekte.
Aber es gibt noch viele weitere spannende Inhalte zu entdecken. Das Stöbern lohnt sich!
Wenn wir einmal in die Zukunft blicken: Was sind Fragen, die dich aktuell beschäftigen und die du gerne angehen möchtest?
Anja Redecker: Wir haben bei „Accessing.theatre“ noch ziemlich viel vor. Ein Thema, das seit Jahren immer wichtiger wird, ist die Frage nach nachhaltigen Produktionen. Hierzu gibt es bereits einen Podcast, doch da das Thema auch an der Theaterakademie intensiviert wird, soll es auch auf „Accessing Theatre“ tiefergehend behandelt werden. Aber auch Inklusives Theater ist etwas, das noch vorkommen soll: Hamburg hat künstlerisch viel in der Hinsicht zu bieten, strukturell aber noch einiges zu lernen. Auch der Schwerpunkt „Text und Bühne“ soll weiter ausgebaut werden: Die Auseinandersetzung mit Dramatik, auch aus der Gegenwart, dockt unmittelbar an das Lehr-Geschehen der HfMT an. Das sind alles Themen, die es unbedingt wert sind, dass sie in unser Lernangebot wandern. Ich freue mich darauf, sie mit spannenden Expertinnen und Experten beständig weiter umzusetzen!
Zur Person:
Anja E. Redecker (Pronomen: sie/ihr) studierte Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaften sowie Philosophie in Bonn, anschließend Dramaturgie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Anja arbeitete am Theater Osnabrück und am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Als Dramaturgin und Produktionsleitung entwickelte sie gemeinsam mit drei Kolleginnen das Stadtprojekt NEW HAMBURG auf der Veddel weiter, unter anderem co-kuratierte und organisierte sie in diesem Kontext das zweiwöchigen Festival „SoliPolis“ zum Thema der Solidarischen Stadt. Von 2019 bis 2022 unterstützte sie koordinierend das Stipendienprogramm INTRO der Behörde für Kultur und Medien und gab an der HfMT Hamburg das Seminar „Vermittlung“. Für zwei Jahre war sie im Vorstandsbeirat des Dachverbands freie darstellende Künste Hamburg. Anja ist außerdem Mitglied des 2020 gegründeten freien Hamburger Produktionskollektivs PK3000, das Künstler*innen, Initiativen und NGOs in diversen Formaten zwischen Kunst, Aktivismus und Kulturarbeit unterstützt. Seit September 2022 arbeitet sie außerdem im Bereich Interkulturelle Projekte der Behörde für Kultur und Medien Hamburg. Das Projekt „Accessing.theatre“ leitet sie seit 2019.
05.04.2024 | hoouadmin
OER-Policy Kit als Leitfaden: So verankerst du OER an Hochschulen
Wie schreibe ich eine OER-Policy für meine Hochschule? Eine Arbeitsgruppe bestehend aus twillo, dem Netzwerk ORCA.nrw und der HAWK Hildesheim/Holzminden/Göttingen haben ein OER-Policy Kit für Hochschulen erstellt, das Orientierung beim Schreiben einer OER-Policy geben soll. In diesem Gastbeitrag erklären sie, was es damit auf sich hat.
Stelle dir vor, es findet eine Party statt und die Gastgeberin oder der Gastgeber verschickt keine Einladungen. Woher sollen die Gäste wissen, dass es eine Party gibt? Was sollen die Gäste mitbringen, was kann man erwarten? Wenn sich eine Hochschule für Openness in Studium und Lehre aussprechen und dadurch die Sichtbarkeit der Lehre stärken möchte, wenn sie Maßnahmen zur Förderung offener Bildungsmaterialien (OER) etablieren und eine Kultur des Teilens mit Lehrenden und Hochschulangehörigen „feiern“ möchte, wie können dann die Zielgruppen offiziell dazu eingeladen werden?
OER-Policy: Nicht nur das Vorhaben formulieren, sondern auch die Ausgestaltung
Mit einer OER-Policy können Hochschulen ein Zeichen für Openness setzen und die Förderung von OER strukturell verankern. Viele Hochschulen im DACH-Raum haben bereits eine OER-Policy auf den Weg gebracht, um nicht nur zu zeigen, dass sie sich für OER, Openness und eine Kultur des Teilens einsetzen, sondern auch wie sie diese Ziele mit welchen Maßnahmen an der Hochschule erreichen möchten.
Der Weg zu einer OER-Policy und ihre Ausgestaltung ist dabei so unterschiedlich und vielfältig wie die Hochschullandschaft selbst. Wenn sich eine Hochschule auf den Weg zu einer OER-Policy machen möchte, gibt es immer wieder ähnliche Fragen, zum Beispiel: Wo und wie fange ich an? Was soll die Policy enthalten bzw. regeln? Was ist aus rechtlicher Sicht zu beachten? Welche Akteur:innen müssen einbezogen werden?
Erfahrungen von Hochschulen zusammengetragen
Klar definierte Antworten auf diese Fragen gibt es kaum, aber es gibt Erfahrungen, wie Hochschulen diese Fragen individuell für sich beantwortet haben. Diese sind nun in Form eines OER-Policy Kits von einer Arbeitsgruppe bestehend aus twillo, dem Netzwerk ORCA.nrw und der HAWK Hildesheim/Holzminden/Göttingen übersichtlich und interaktiv zusammengestellt worden. Über einen Zeitraum von sechs Monaten hat die sechs-köpfige Arbeitsgruppe Erfahrungen von Hochschulen zusammengetragen, die bereits eine OER-Policy veröffentlicht haben oder noch mittendrin stecken.
Die Idee einer interaktiven Handreichung wurde schnell geboren, da die Vielzahl an unterschiedlichen Entwicklungsprozessen kaum in einer linearen Struktur unterzubringen ist. Während des Schreibprozesses wurden unter anderem auch Rückmeldungen aus Vernetzungstreffen von Policy-Aktiven eingeholt und eingearbeitet.
Praktischer Wegweiser für den OER-Policy-Entwicklungsprozess
Das fertige OER-Policy Kit ist ein Handlungsleitfaden, der als praktischer Wegweiser durch den Dschungel des OER-Policy-Entwicklungsprozess dienen soll. Egal, an welchem Punkt eine Hochschule steht – ob man einen Vorschlag für einen Policy-Entwurf benötigt, einen partizipativen Prozess gestalten oder die Hochschulleitung erst noch über das Für und Wider einer OER-Policy aufklären möchte – das OER-Policy Kit versucht, trotz der vorhandenen Unterschiede zwischen Hochschulen eine allgemeine Orientierung, konkrete Tipps und Beispiele sowie hilfreiche Materialien zu den verschiedenen Stationen zu geben.
Podcast gibt weitere Einblicke
Wenn du also gerade eine Openness-Party an deiner Hochschule planen und die Einladungskarten dazu gestalten möchtest – dann wirf gerne einen Blick in das OER-Policy Kit. Alle Dateien zum Nachnutzen des Policy Kits finden sich in diesem Git-Repository.
Psst: Eine Party ist nichts ohne guten Sound! Höre also auch gerne mal rein in die Podcastfolge „How To OER Policy“ des Podcasts „zugehOERt“ auf OERinfo oder Spotify, welche einen Einblick in die Hintergründe und Entwicklungsschritte des OER-Policy Kits gibt.
Nächstes Netzwerktreffen mit Expert:innen
Und was passiert nach dem Beschluss einer OER-Policy? Dazu findet am 9. April 2024 das nächste OER-Policy Netzwerktreffen von twillo statt – diesmal mit den Expert:innen Martin Ebner (TU Graz) und Simona Koch (UB Duisburg-Essen) zum Thema “Beyond OER-Policy”. Gerne anmelden!
28.03.2024 | Meena Stavesand
KI und Ethik: „Wir müssen bei Innovationen interdisziplinäre Teams bilden“
„Code is law“ ist ein bekanntes Zitat von Lawrence Lessig, einem Tech-Vordenker aus den USA. Entwickler:innen haben durch ihren Code die Macht über Gesetzmäßigkeiten und lassen so auch ihre Wertvorstellungen in die Software einfließen. Das ist ein Grund, warum es eine ethische Betrachtung von Technologie geben muss. Axel Dürkop, Experte der TU Hamburg, erklärt im Interview, warum wir interdisziplinäre Teams brauchen und was aus ethischer Sicht bei dem bekannten KI-Tool ChatGPT schiefgelaufen ist.
Axel, wie bist du privat und beruflich in der letzten Zeit mit technologischen Innovationen in Berührung gekommen?
Axel Dürkop: Privat habe ich mir im letzten Jahr ein Balkonkraftwerk an die Wand geschraubt. Es ist faszinierend, am Stromzähler direkt zu sehen, wie viel Energie die Sonne an meiner Hauswand spendet. Das Thema Erneuerbare Energien habe ich dann auch bei unseren WATTwanderungen mit verschiedenen Veranstaltungen wie einem Workshop, bei dem die Teilnehmenden die Technik hinter einem Balkonkraftwerk verstehen, oder einem Kinoabend am KulturEnergieBunker – realisiert durch Energie, die wir vorher in einer Biogasanlage an den Wilhelmsburger Zinnwerken selbst herstellten und nach Altona gebracht haben.
Ansonsten diskutiere ich in einer Informatik-Veranstaltung mit angehenden Berufsschullehrkräften die Gestaltbarkeit von Künstlicher Intelligenz. Wir setzen uns dabei praktisch mit KI auseinander – aber jenseits von ChatGPT oder Prompting. Mir geht es in der Veranstaltung um die Frage: Wie können wir für KI ethische und gesellschaftlich relevante Implikationen schaffen? Als Beispiel: Wir beschäftigen uns mit einer automatisierten Moderation von Hasskommentaren auf Social Media und diskutieren dabei Klassifikationen von Hatespeech.
Künstliche Intelligenz und Ethik sind zwei wichtige Stichwörter. Aktuell wird diskutiert, wie wir ethisch mit KI umgehen. Wie kann beides miteinander kombiniert werden?
Axel Dürkop: Im Idealfall klären wir ethische Fragestellungen zu einer neuer Technologie wie ChatGPT und Co. vor der Entwicklung. Sie lassen sich aber auch begleitend diskutieren. Wir sollten die Ethik aber nicht nachschalten. Denn: Code is law – also Code ist Gesetz. Das sagte US-Tech-Vordenker Lawrence Lessig Anfang dieses Jahrtausends. Das heißt: Die Wertevorstellungen der Entwickler:innen fließen in die Software. Wer den Code kontrolliert, hat sozusagen die Macht über Gesetzmäßigkeiten. Da braucht es eine ethische Begleitung.
Wie lässt sich das realisieren?
Axel Dürkop: Wir wissen jetzt: Bei ChatGPT hat das Zusammenspiel von Softwareentwicklung und Ethik nicht gut geklappt. OpenAI, das Unternehmen hinter dem Chatbot, hat für die Entwicklung Menschen im Globalen Süden ausgebeutet – das wäre mit einer vorgeschalteten oder begleitenden Ethik-Debatte vielleicht besser gelaufen. Es ist also wichtig, dass wir bei technologischen Innovationen interdisziplinäre Teams bilden, in denen Entwickler:innen und Ethiker:innen zusammenarbeiten.
Wie könnte eine Zusammenarbeit aussehen?
Axel Dürkop: Wenn eine Innovation wie beispielsweise ChatGPT entwickelt wird, sind dann auch Ethiker:innen an diesem Prozess beteiligt. Bei den Diskussionen, wie die Technologie oder die Software aufgebaut wird, wie sie funktionieren und wie das Qualitätsmanagement und auch das Testing aussehen soll – das sind Fragen, die auch einer ethischen Reflexion bedürfen. Dafür gibt es bestimmte Frameworks, die man heranziehen kann. Ich halte das von Sebastian Hallersleben (und weiteren) für besonders sinnvoll und belastbar. Darin gibt es sechs Kriterien, anhand derer wir eine Technologie beurteilen können.
- Transparenz
- Verantwortlichkeit
- Privatsphäre
- Recht
- Sicherheit
- Nachhaltigkeit
Mit diesem Framework zum Beispiel lassen sich die Wertvorstellung einer Technologie diskutieren. Das Interessante daran ist, dass wir je nach Technologie Abstufungen bei den einzelnen Punkten machen können. Bei Technik in der Landwirtschaft ist Privatsphäre nicht so entscheidet wie etwa beim Einsatz in der Medizin, wo es um vertrauensvolle Daten geht. Außerdem ist auch das Thema Nachhaltigkeit aufgegriffen, was wir nicht mehr vernachlässigen dürfen. Heutige Technologie wie etwa ChatGPT benötigt Unmengen an Kühlwasser – das können wir in unserer Bewertung nicht ignorieren. Das Framework bietet daher einen idealen Leitfaden.
Wird deiner Meinung nach aktuell genug über ethische Fragen bei Technologie gesprochen?
Axel Dürkop: Bei ChatGPT haben wir das, wie bereits gesagt, versäumt, vorher darüber zu diskutieren. Aber klar ist auch, dass eine (ethische) Regulierung mit dem technologischen Fortschritt nicht mithalten kann. Da ist Eile mit Weile geboten. Meiner Meinung nach hat der Deutsche Ethikrat eine gute Ausgangsbasis geschaffen. Generell müssen wir dahinkommen, dass wir auch in unseren Studiengängen zu Technik und Ingenieurwissenschaften das Thema Ethik von Anfang an mitdenken. Ethik gehört ins digitale Zeitalter. Darum haben wir an der TU Hamburg mit Prof. Dr. Maximilian Kiener einen Juniorprofessor für Ethik in Technologie. Das Thema gehört in unsere Ausbildungen.
Aber das sollte keine rein akademische Diskussion bleiben. Alle Menschen haben Sorgen und Befindlichkeiten, die wir ernstnehmen müssen. Wir müssen daher den Diskurs auch außerhalb der Hochschulen führen. Die Menschen sollen mitgestalten, ihre Fragen einbringen. Das war ein Grund, warum wir an der TU Hamburg das HOOU-Lernangebot „tekethics“ gestartet haben. Noch vor der Corona-Pandemie haben wir regelmäßige Treffen in den Hamburger Bücherhallen veranstaltet, um mit Bürger:innen über ethische Herausforderungen bei Künstlicher Intelligenz zu diskutieren. Wir möchten dieses Thema auch im nächsten Jahr aufgreifen: Maximilian Kiener wird sich 2024 in einem neuen HOOU-Lernangebot mit ethischem Design von KI beschäftigen. Das wird sehr spannend!
Wer sich für das Thema Ethik und KI interessiert, kann sich die aktuellen Vortragsmaterialien von Axel Dürkop anschauen. Hier gibt es auch weiteres Material von ihm – unter anderem zu dem Thema „Souverän mit KI umgehen“.
08.03.2024 | hoouadmin
HAW-Projekt "Cooperate!": So arbeiten wir konstruktiv und kooperativ im Team
In dem Lernangebot „Cooperate!“ können die Teilnehmenden lernen, wie sie im Team reflektiert miteinander umgehen. Das Projekt wird Ende 2024 frei zugänglich sein.
Die Arbeitswelt verändert sich stetig und immer schneller. Wie können wir dieser zunehmenden Komplexität und diesen neuen Herausforderungen begegnen? Das Projekt „Cooperate!“ der HAW Hamburg erstellt dazu ein betriebswirtschaftliches Planspiel als Open Educational Resources unter offener Lizenz.
Dabei sollen projektbezogene Kooperationen der Teilnehmenden trainiert und reflektiert werden. Die Teilnehmenden lernen, kooperativ und konstruktiv zu arbeiten sowie reflektiert miteinander umzugehen. Sie verbessern damit ihre Handlungskompetenz in unvertrauten, dynamischen Umgebungen.
Interdisziplinäre und interkulturelle Vielfalt als Bereicherung
In dieser Umgebung können Menschen erlernen, wie mit interdisziplinärer und interkultureller Vielfalt im Team erfolgreich und zielorientiert kooperiert werden kann. Auf der HOOU-Plattform sollen am Ende im Sinne von Train-the-Trainer Materialien in Form von Manuals für die Lernbegleitung erstellt werden. Dabei hat das Projekt die Entwicklung, Dokumentation und Durchführung eines kollaborativen interdisziplinären Lehr- und Lernkonzepts zum Ziel. Ergänzt wird dieses durch ein projektbezogenes Planspiel, das den praktischen Rahmen bildet.
Nach der Bearbeitung des Planspiels sollen die Nutzenden verschiedene Teilkompetenzen verbessern und festigen können:
- Personale Kompetenz: Fremdsprachenpraxis, Flexibilität, Umgang mit Unsicherheit, Verbesserung der Initiativfähigkeit, Rollendistanz
- Soziale Kompetenz: unter anderem Kooperationsfähigkeit, Verbesserung des Empathievermögens in interdisziplinären und interkulturellen Kontexten, Metakommunikation, Synergiebildung in heterogenen Gruppen.
- Methodische Kompetenz: unter anderem Konfliktlösekompetenzen, Zeitmanagement in internationalen Kontexten, Reflexion/Thematisierung der Kulturbedingtheit von Handlungsstrategien usw.
Das Projekt wird im Dezember 2024 von den Verantwortlichen abgeschlossen und auf der HOOU-Plattform frei zugänglich für alle sein.
Text: Dorothee Wagner/HAW Hamburg
05.03.2024 | Meena Stavesand
KI-Werkstatt für Hochschulen: Darum ist es wichtig, sich mit KI in der Lehre zu beschäftigen
Bei seiner kostenfreien KI-Werkstatt stellt das MMKH die Frage: Überlegst du noch, oder promptest du schon? Im Forum Finkenau dreht sich am 14. März alles um KI-Generatoren und wie sich diese in der Hochschullehre einsetzen lassen.
Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz und speziell der KI-Generatoren wie ChatGPT revolutioniert nicht nur Geschäftsmodelle und gesellschaftliche Prozesse, sondern steht auch an der Schwelle, die Hochschulbildung grundlegend zu transformieren. Diese Technologien bieten ein hohes Potenzial zur Verbesserung der Lehr- und Lernmethoden, zur Personalisierung des Bildungserlebnisses und zur Bereitstellung von Tools, die sowohl Lehrende als auch Lernende in nie dagewesener Weise unterstützen können.
In einer Zeit, in der ChatGPT und ähnliche Technologien unsere Art zu arbeiten, zu lernen und zu lehren revolutionieren, stehen wir vor der Herausforderung, diese Neuerungen konstruktiv unter anderem in die Lehre zu integrieren. Wie können wir Künstliche Intelligenz nutzen, um Unterricht und Lehre zu bereichern, ohne dabei ethische und rechtliche Grenzen zu überschreiten? Genau diese Fragen stehen im Zentrum der KI-Werkstatt des Multimedia Kontor Hamburg und der HOOU@HAW am Donnerstag, 14. März, von 10 bis 14 Uhr.
Neue Möglichkeiten für Lehre und Lernen
Die digitale Transformation durch KI eröffnet neue Horizonte für das Lehren und Lernen an Hochschulen. Sie bietet innovative Ansätze, um die Qualität der Bildung zu steigern, Lernprozesse zu personalisieren und Forschung auf ein neues Niveau zu heben. Um jedoch diese Potenziale voll auszuschöpfen und gleichzeitig Risiken zu minimieren, ist es essentiell, sich eingehend mit den Möglichkeiten, Grenzen und Anforderungen an den Einsatz von KI in der Hochschullehre auseinanderzusetzen.
Expertinnen und Experten erleichtern Zugang zu KI-Technologie
Die KI-Werkstatt zielt darauf ab, einen umfassenden Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten von KI-Generatoren in der Lehre zu geben und gleichzeitig einen offenen Dialog über ethische, rechtliche und praktische Aspekte zu fördern. Durch interaktive Thementische und eine inspirierende Keynote bietet das Event eine spannende Gelegenheit, KI-Technologien zu entmystifizieren, praktisches Wissen zu erlangen und mit Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Disziplinen in den Austausch zu treten.
Programm: Das erwartet dich bei der KI-Werkstatt
Nach einer Begrüßung um 10 Uhr (Einlass: ab 9.30 Uhr) folgt die Keynote von PD Dr. Malte Persike. Er ist der wissenschaftliche Leiter des Centers für Lehr- und Lernservice der RWTH Aachen University. Der Experte spricht zu dem Thema: „Lehren oder lehren lassen – Der Einsatz generativer KI in der Hochschullehre“. Ab 10.45 Uhr startet die erste Runde an den verschiedenen Thementischen. Fachleute führen dort in unterschiedliche Anwendungsfelder und Aspekte von KI-Generatoren ein. Die Teilnehmenden können beispielsweise KI-Generatoren selbst ausprobieren und alle Fragen loswerden. Nach einer Mittagspause gibt es noch zwei weitere Runden an den Thementischen.
Das sind die Thementische
- KI in der Lehre und Prüfungen (PD Dr. Malte Persike, RWTH Aachen)
- Rechtlichen Fragen von KI mit Schwerpunkten zu Urheberrecht, Datenschutz sowie Prüfungsrecht (Andrea Schlotfeldt, HAW Hamburg)
- KI-Text- und Bildgeneratoren in der Lehre (Katrin Schröder, MMKH, und Meena Stavesand, HOOU)
- Videoproduktionen mit KI-Generatoren (Jan von Roth, Philippe Schaumburg und Christoph Dobbitsch, alle MMKH)
- KI in der 3D-Entwicklung und Game-Coding (Leonhard Onken-Menke und Sebastian Olariu, beide MMKH)
An wen richtet sich die KI-Werkstatt und wie meldet man sich an?
Die KI-Werkstatt wird vom Multimedia Kontor Hamburg in Zusammenarbeit mit der HAW Hamburg und der HOOU organisiert und durchgeführt. Sie findet in Kooperation mit dem Netzwerk Landeseinrichtungen für digitale Hochschule (NeL) und unter Förderung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre statt.
Das Event ist kostenfrei und für Hochschullehrende, Mitarbeitende aus Service- und Supporteinrichtungen sowie für alle Interessierten aus dem Hochschulbereich konzipiert, die die Zukunft der Bildung aktiv mitgestalten möchten. Die Plätze sind begrenzt. Eine Anmeldung ist hier bis zum 11. März möglich.
29.02.2024 | Meena Stavesand
Im Labyrinth der Symptome: Facharzt spricht über langen Weg zur Diagnose bei seltenen Erkrankungen
Anlässlich des internationalen Tages seltener Erkrankungen am 29. Februar sprechen wir mit dem Oberarzt Dr. Fabian Braun vom UKE über die Thematik und wie viele Menschen betroffen sind. Es sind mehr als gedacht.
Dr. Fabian Braun ist Internist und unter anderem Oberarzt im Martin Zeitz Centrum für Seltene Erkrankungen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Im Interview erläutert er, wie oft so genannte seltene Erkrankungen wirklich vorkommen, wie die Suche nach der richtigen Diagnose und der passenden Therapie aussieht und an welche Patientin er sich wohl sein Leben lang erinnern wird. In diesem Lernangebot des UKE werden seltene Erkrankungen im Detail erläutert.
Dr. Braun, was definiert eine Krankheit als „selten“ und wie viele Menschen sind weltweit und in Deutschland davon betroffen?
Dr. Fabian Braun: Die Definition ist rein statistischer Natur im Moment. Das heißt: Wenn eine Erkrankung seltener oder gleich 1 auf 2000 Personen auftritt, sprechen wir von einer seltenen Erkrankung. Damit haben wir in Deutschland etwa zwischen vier und fünf Millionen Betroffene. Daran merkt man auch, dass seltene Erkrankungen gar nicht so selten vorkommen, wenn wir alle Fälle zusammennehmen, sondern wir viele Patientinnen und Patienten deutschlandweit haben, die an individuellen seltenen Erkrankungen leiden.
In der EU sind es circa 30 Millionen Betroffene, weltweit gehen wir von über 300 Millionen Menschen aus. Es gibt auch regionale Unterschiede bezüglich der Häufigkeit bestimmter Erkrankungen, die in unseren Breitengraden beispielsweise als selten anzusehen sind, während sie in anderen Teilen der Welt häufiger vorkommen. Aber man merkt an diesen Zahlen, dass das Gebiet der seltenen Erkrankungen ein großes sozialmedizinisches Problem darstellt
Können Sie das in Relation setzen zu einer „Volkskrankheit“ wie Diabetes mellitus?
Dr. Braun: Insbesondere Diabetes mellitus des Typs 2 ist in Deutschland weit verbreitet. Wir bewegen uns hier in einem Bereich von fast 10 Prozent, also 1 auf 10 Betroffene.
Für Krankheiten wie Diabetes mellitus gibt es durch die Häufigkeit eine große Studienlage. Das ist bei seltenen Erkrankungen nicht der Fall. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus?
Dr. Fabian Braun: Die Diagnose ist das erste Problem. Denn wir arbeiten im medizinischen System nach dem Motto: Häufig ist es häufig, selten ist es selten. Das klingt furchtbar trivial, aber dementsprechend hat man die meisten Berührungspunkte und auch die größte Erfahrung mit häufigeren Krankheitsbildern. Das ist dann noch einmal abhängig davon, wo man als Medizinerin oder Mediziner tätig ist. Die Allgemeinmedizinerin in der Stadt beispielsweise wird natürlich viel öfter Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Bluthochdruck oder Diabetes sehen als beispielsweise die Nephrologin bei uns in der Uniklinik, die sich dann in manchen Fällen mit seltenen Nierenerkrankungen auseinandersetzen muss.
Generell kommt bei der Diagnostik die Problematik hinzu, dass man als Arzt oder Ärztin erst einmal daran denken muss, dass es eine seltene Erkrankung sein könnte, da ein Großteil dieser mit sehr gängigen Symptomen auftritt. Es sind selten Blickdiagnosen – diese gibt es vor allem bei Betroffenen im Kindesalter. Manche Symptome demaskieren sich allerdings auch erst nach der Adoleszenz (also im Erwachsenenalter) und treten dann mit Symptomen auf, die wir bei vielen häufigen Erkrankungen sehen. Das macht eine Diagnose schwieriger.
Wenn man auf dem richtigen Weg ist, sind wir in der Diagnostik zum Glück ein großes Stück weitergekommen. Das fängt bei metabolischen Untersuchungen an, die wir aus dem Blut direkt testen können, sprich, ob bestimmte Abbauprodukte zum Beispiel nicht vernünftig ausgeschieden werden können, und geht weiter bis wirklich tiefste genetische Diagnostik, die wir mittlerweile mit vertretbaren Kosten durchführen können. Das führt dazu, dass die Gruppe der seltenen Erkrankungen anwächst. Therapie und die Erfahrungen mit Therapie sind dann der Anschlusspunkt. Wenn es nur sechs Fälle weltweit gibt, kann man nicht von statistischen Verläufen sprechen, sondern ist wirklich in einem Extrembereich, in dem man auf seine Expertise, aber auch auf das eigene medizinische Gefühl angewiesen ist.
Eine weitere Herausforderung war früher, dass die Entwicklung von Medikamenten für seltene Erkrankungen lange für die Pharmafirmen nicht rentabel gewesen ist. Das hat sich mittlerweile geändert. Allerdings stellt dies auch das Gesundheitssystem vor Herausforderungen, weil wir hier von Therapiekosten sprechen, die schnell eine halbe Million Euro pro Jahr betragen können.
Wie läuft das meistens ab? Mir geht es nicht gut und ich überlege, zum Arzt zu gehen. Der erste Weg führt mich dann zu meinem Hausarzt. Was passiert danach?
Dr. Fabian Braun: Es gibt unterschiedliche Wege, wie Sie schlussendlich zu uns finden. Wenn Ihre hausärztliche Praxis schon Hinweise findet, dass ein bestimmtes Organsystem betroffen ist – und nur das –, dann haben Sie die Möglichkeit, zu einem Facharzt oder einer Fachärztin für dieses Organ zu gehen. Diese Facharztpraxis entscheidet dann nach weiteren Untersuchungen, ob es noch intensivere Expertenmeinungen braucht und involviert uns als Centrum für seltene Erkrankungen oder direkt eine Spezialambulanz oder -abteilung im UKE. Sobald es mehrere Organsysteme trifft, kann dieser Weg schwieriger werden, weil es dann häufig unterschiedliche Befunde gibt, die teilweise nicht alle dramatisch beziehungsweise noch in der Anfangsphase sind, sich aber häufen. Und wenn tatsächlich der Verdacht auf eine seltene Erkrankung besteht, die aber nicht genau zu fassen ist, dann gibt es die Möglichkeit, dass Sie bei uns im Zentrum für seltene Erkrankungen des UKE vorgestellt werden. Davon gibt es in Deutschland über 30.
Meistens erhalten wir ein zweiseitiges Dokument, indem die hausärztliche oder fachärztliche Praxis die Hauptsymptome erläutert. Wir erfassen das und versuchen, weiterzuhelfen. Im Zweifelsfall lassen wir uns die Akte schicken, die auch hunderte Seiten stark sein kann. In einem Extremfall hatte eine Patientin zwei Aktenschränke mit Befunden zu Hause stehen, das können wir nicht durcharbeiten, da sind wir auf die Mithilfe der behandelnden Praxen angewiesen.
Wie geht es weiter, wenn Sie die wichtigsten Informationen vorliegen haben?
Dr. Fabian Braun: Liegen die wichtigsten Informationen vor, diskutieren wir das interdisziplinär im Gremium. Darin sitzen Spezialistinnen und Spezialisten aus der Humangenetik, aus der Gastroenterologie, Neurologie, Psychosomatik und Nephrologie. Wenn Kinder betroffen sind, holen wir uns die Pädiatrie hinzu. Wir konsultieren bei Bedarf auch andere UKE interne Kliniken, z.B. die Kardiologie. Manchmal ergibt es das Krankheitsbild, dass wir Betroffene direkt in die spezialisierten Zentren schicken können. Doch manchmal ist der Befund unklar und wir führen zum Beispiel selbst eine genetische Diagnostik durch. Sobald wir Anhaltspunkte haben, können wir die Betroffenen an die Spezialambulanzen vermitteln. Das ist unser Job: den Patientinnen und Patienten schnell helfen, indem wir sie an die Expertinnen und Experten verweisen.
Ihr Beispiel mit der Schrankwand ist eindrücklich. Der Leidensweg für die Betroffenen ist oftmals sehr lang ist, richtig?
Dr. Fabian Braun: Ja. Durchschnittlich kann man sagen, dass es fünf Jahre dauert, bis eine seltene Erkrankung diagnostiziert ist. Und bei diesem Durchschnittswert muss man bedenken, dass er viele Kinder inkludiert, die sehr früh diagnostiziert werden. Das heißt im Umkehrschluss, die Zeitspanne reicht von ein paar Wochen bis hin zu Jahrzehnten.
Können Sie ein Beispiel für eine seltene Krankheit geben?
Dr. Fabian Braun: Da möchte ich ein Beispiel aus meinem Forschungsgebiet der Nephrologie, also der Nierenheilkunde, anführen. Das ist der Morbus Fabry, eine seltene Stoffwechselerkrankung, die genetisch vererbt wird. Das Problem ist ein sehr diffuses Krankheitsbild. Es fängt meistens im Kindesalter mit Schmerzen in den Händen und Füßen und mit Bauchschmerzen und Verdauungsauffälligkeiten an. Und da werden die meisten schon denken: Ja, Kinder haben mal Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall. Das macht es ganz schwierig, schon in diesem Stadium die Krankheit zu diagnostizieren.
Im weiteren Verlauf kommt es zu Hautveränderungen, die auftreten können, aber auch nicht übermäßig sein müssen. Die Schmerzen an den Händen und Füßen, die sich vor allem bei Hitze und Kälte verstärken können, nehmen irgendwann ab, weil die Nervenzellen kaputt gehen. Danach kommt es zu stärkeren Organbeteiligungen. Es kommt zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion, es kommt zu einer Beeinträchtigung des Herzens, es kommt zu frühen Schlaganfällen. Vor 23 Jahren hatten wir dafür wenig Therapien, was zu einer deutlich verkürzten Lebenserwartung geführt hat. Das hat sich glücklicherweise geändert. Aber Morbus Fabry ist ein typisches Beispiel, das vor allem früher, als es noch sehr wenige Fälle gab und die Studienlage dünn war, eine Diagnostik aufgrund des diffusen Krankheitsbildes und damit auch die Therapie schwierig waren.
Können Sie über einen besonders bemerkenswerten Fall in Ihrer Karriere berichten, bei dem die Behandlung erfolgreich war?
Dr. Fabian Braun: Ja, das ist tatsächlich die erste Patientin gewesen, die ich jemals ärztlich betreut habe. Die allererste Patientin, die ich aufgenommen habe, als ich in Köln meine Ausbildung in innerer Medizin und Nephrologie begonnen habe. Sie hatte ein seltenes Krankheitsbild, eine sogenannte TTP (thrombotisch thrombozytopene Purpura): Bei ihr kam es zu einem Verbrauch der Blutplättchen und gleichzeitig zu einer Zerstörung der roten Blutkörperchen, was unter anderem die Nieren beeinträchtigte. Wir haben die Patientin dann entsprechend behandelt, worauf ich jetzt nicht im Detail eingehe.
Dieses Krankheitsbild besserte sich zwar, aber die Frau entwickelte eine schwere Darmerkrankung mit einer granulomatösen Entzündung in den Dünndarmbereichen, die wir nicht verstanden haben. Sie konnte Nahrung nicht mehr vernünftig aufnehmen und musste lange über die Vene ernährt werden. Ich war ein halbes Jahr auf der Station tätig. Die Patientin war die ganze Zeit da und wurde von mir betreut. Durch weitere Proben und Test hatten wir dann den Verdacht, dass es eine Erkrankung sein könnte, die bisher erst fünfmal weltweit beschrieben worden ist. Wir bewegen uns hier in dem extrem seltenen Bereich. Die Diagnose lautete dann: ideopathische nicht-granulomatöse ulzerative Jejunoileitis.
Konnten Sie der Patientin helfen?
Dr. Fabian Braun: Ja, ich habe ihr an meinem letzten Tag, bevor ich in meiner Ausbildung weiter rotiert bin, ein Medikament verabreicht, das zu den Immunsuppressiva oder den Immunmodulatoren zählt. Das war meine letzte gute Tat, die ich an der Patientin vollbringen konnte, denn danach hat sich das Krankheitsbild tatsächlich gebessert. Ich habe im Vorfeld des Interviews noch einmal bei den Kolleginnen und Kollegen in Köln nachgefragt, ob sie damit auch weiterhin beschwerdefrei ist. Ist sie. Sie bekommt das Medikament regelmäßig. Also, das ist ein Fall, der mich wahrscheinlich mein Leben lang begleiten wird. Sie ist, soweit ich das überblicken kann, bisher die einzige Patientin, die weltweit jemals die Kombination dieser beiden Krankheitsbilder hatte.
Bei solch seltenen Fällen hilft Aufklärung – unter Medizinerinnen und Medizinern, aber auch in der Bevölkerung. Was können wir in der Gesellschaft tun, um das Bewusstsein für seltene Krankheiten zu erhöhen?
Dr. Fabian Braun: Ja, Aufklärung ist sehr wichtig. Also auch das, was wir mit diesem Interview tun, ist genau das Richtige. Ich fasse das mit dem Wort Awareness zusammen – meine damit aber weniger die Patientinnen und Patienten, sondern mehr das medizinische Fachpersonal, die Ärztinnen und Ärzte, aber auch die Pflegerinnen und Pfleger. Wir arbeiten immer im Team und besprechen uns. Da ist es hilfreich, wenn beispielsweise jemand gerade eine Fortbildung zu Morbus Fabry durchlaufen hat, von neusten Erkenntnissen weiß und diese in die Diagnostik einbringt. Dann können wir testen und den Betroffenen schneller helfen. Betroffene selbst sollten bei Beschwerden nicht zu lange warten, sondern die Hausarztpraxis aufsuchen – oder im schlimmsten Fall natürlich die Notfallambulanzen.
Über Dr. Fabian Braun
Dr. Fabian Braun ist Facharzt für Innere Medizin und geschäftsführender Oberarzt der III. Medizinischen Klinik sowie klinischer Leiter für Innere Medizin des Martin Zeitz Centrums für Seltene Erkrankungen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Als Mitarbeiter der Ambulanz für genetische Nierenerkrankungen beschäftigt er sich seit Jahren klinisch mit seltenen renalen Erkrankungen und ist der Hauptansprechpartner für Fabry Patient:innen mit Nierenbeteiligung am UKE. Wissenschaftlich adressiert seine Arbeitsgruppe die intrazelluläre Signaltransduktion mittels Extrazellularvesikeln in seltenen Nierenerkanungen wie der fokal segmentalen Glomerulosklerose, membranösen Nephropathie und rapid progredienten Glomerulonephritis. Seit seiner Promotion an der Universität zu Köln beschäftigt er sich mit der molekularen Pathologie der Podozytopathie im Rahmen des Morbus Fabry mit dem stetigen Bestreben neuartige und informative in vitro und in vivo Systeme zu entwickeln. Mit seinem Wechsel nach Hamburg konnte er vor allem die Techniken des in vitro Disease Modelling von Morbus Fabry mittels induzierten pluripotenten Stammzellen und Organoidsystemen weiter vorantreiben und einen speziellen Fokus auf Substrat-unabhängige Krankheitsmechanismen legen. Während der COVID-19-Pandemie trug Dr. Braun darüber hinaus wesentliche Anteile zu den Studien zum Multiorgantropismus von SARS-CoV-2 und dessen Auswirkungen auf die Niere und Leber bei.
Mehr zu Seltenen Erkrankungen
Das UKE hat auf seiner Webseite noch weitere Informationen zu Erkrankungen, die nur sehr selten auftreten. Unter hoou-uke.de gibt es auch Wissenswertes über gesellschaftlich sehr relevante Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Herzinsuffizienz.